FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach einem unerwartet starken zweiten Quartal sieht sich die Commerzbank
Kurz nach Handelsbeginn verlor die Commerzbank-Aktie mehr als fünf Prozent und gehörte damit zu den größten Verlierern im Dax. Damit wurde das Papier aber noch 18 Prozent teurer gehandelt als zum Jahreswechsel.
Analysten zeigten sich zwar vom Quartalsgewinn und der angehobenen Prognose für den diesjährigen Zinsüberschuss positiv überrascht. Die implizierte Abschwächung im zweiten Halbjahr werde aber Fragen aufwerfen, schrieb Branchenexperte Benjamin Goy von Deutsche Bank Research.
Vorstandschef Manfred Knof rechnet für das Gesamtjahr weiterhin mit einem Konzerngewinn deutlich über dem Vorjahreswert von 1,4 Milliarden Euro. Allein im ersten Halbjahr hat die Bank knapp 1,15 Milliarden Euro verdient. "Wir setzen unsere Strategie konsequent um und haben dank starker Erträge im Kundengeschäft den Gewinn deutlich gesteigert - trotz erneut hoher Sonderbelastungen für Schweizer-Franken-Kredite in Polen", sagte Knof. "Damit sind wir voll auf Kurs, unsere Ziele für 2023 und 2024 zu erreichen."
Die umstrittenen Kreditverträge der polnischen Tochter in Schweizer Franken kamen die Commerzbank im zweiten Quartal erneut teuer zu stehen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Juni, das möglicherweise Entschädigungen von polnischen Bankkunden nach sich zieht, legte das Institut weitere 347 Millionen Euro zur Seite. Damit summieren sich die Rückstellungen des Konzerns rund um diese Kredite inzwischen auf rund 1,7 Milliarden Euro.
Die polnische Tochter hatte Immobilienkredite in Schweizer Franken zu deutlich günstigeren Zinssätzen vergeben als Kredite in der heimischen Währung Zloty. Der Anstieg des Franken-Kurses brachte die Kreditnehmer dann in Schwierigkeiten bei der Rückzahlung.
Beflügelt wird die Zuversicht der Commerzbank von deutlich höheren Zinseinnahmen. Im zweiten Quartal sprang der Zinsüberschuss im Jahresvergleich um 44 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro nach oben. Für das Gesamtjahr rechnet der Vorstand jetzt mit einem Zinsüberschuss von mindestens 7,8 Milliarden Euro. Noch im Mai hatte er lediglich rund 7 Milliarden in Aussicht gestellt.
Der Zinsüberschuss - die Differenz zwischen dem, was die Institute zum Beispiel für Kredite kassieren und auf der anderen Seite ihren Kunden etwa als Sparzinsen zahlen - ist traditionell eine wichtige Ertragsquelle der Banken und Sparkassen in Deutschland. Zudem bekommen Geldhäuser seit Juli 2022 wieder Zinsen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank parken.
Die Erträge - also die gesamten Einnahmen - des seit der Finanzkrise teilverstaatlichten Instituts legten im zweiten Quartal um 8,7 Prozent auf 2,629 Milliarden Euro zu.
Neben den gestiegenen Zinsen zahlt sich auch der Sparkurs der vergangenen Jahre aus: Tausende Stellen wurden gestrichen, die Zahl der Filialen in Deutschland von 1000 auf 400 geschrumpft. "Wir profitieren von unserer gesteigerten Ertragskraft, unserer strikten Kostendisziplin und unserem konservativen Risikomanagement", sagte Finanzchefin Bettina Orlopp.
Allerdings machte der Vorstand bei seinen Plänen zur Kostensenkung Abstriche. Im laufenden Jahr dürften die Kosten der Bank etwa bei 6,4 Milliarden Euro liegen und damit rund 100 Millionen höher als bisher angepeilt. Für mögliche Kreditausfälle legte die Commerzbank im zweiten Quartal mit 208 Millionen Euro zurück und damit fast doppelt so viel wie ein Jahr zuvor.
Im Gesamtjahr erwartet das Institut einen Wert von unter 800 Millionen Euro. Zunächst war der Vorstand von unter 900 Millionen Euro ausgegangen. Die Aktionärinnen und Aktionäre des Geldhauses sollen von der guten Entwicklung profitieren. Das Institut plant ein weiteres Aktienrückkaufprogramm im Rahmen der geplanten Ausschüttungsquote von 50 Prozent, wie Orlopp sagte./stw/mar/mis
Quelle: dpa-AFX