BERLIN (dpa-AFX) - Der Impfkampagne gegen das Coronavirus in Deutschland droht ein neuer Rückschlag. Die Ständige Impfkommission (Stiko) erwägt, den Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca
Hintergrund der Diskussion ist eine Reihe von Hirnvenenthrombosen, die im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen aufgetreten sind, vorwiegend bei Frauen unter 55. In Deutschland sind bislang 31 Fälle solcher Blutgerinnsel nach Impfungen mit Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut am Dienstag berichtete.
Die Länder Berlin und Brandenburg haben die Impfungen mit Astrazeneca bei Menschen unter 60 Jahren bereits am Dienstagmittag gestoppt. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) verwies auf neue Daten über Nebenwirkungen und sprach von einer "Vorsichtsmaßnahme". Auch in München werden bis auf Weiteres keine Menschen unter 60 mehr mit dem Präparat geimpft.
Der Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen impft Frauen unter 55 Jahren nur noch mit dem Impfstoff von Biontech
Deutschland - und zahlreiche andere Staaten - hatten die Impfung mit dem Astrazeneca-Stoff bereits Mitte März vorübergehend ausgesetzt, weil mehrere Fälle mit Thrombosen (Blutgerinnseln) in den Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet wurden. Danach aber wurde das Präparat aber wieder verabreicht. Die Europäische Arzneimittel-Agentur Ema hatte die Sicherheit des Vakzins bekräftigt, auch die Stiko hatte sich für eine weiteren Einsatz den Mittels ausgesprochen.
Anfangs war der Impfstoff in Deutschland nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen worden, da für Ältere nicht genügend Studiendaten verfügbar waren. Nun deutet sich nochmals eine geänderte Altersempfehlung an.
In dem Beschlussentwurf der Ständigen Impfkommission heißt es, basierend auf der momentanen Datenlage empfehle die Stiko "im Regelfall" die Impfung mit Astrazeneca "nur Menschen im Alter >60 Jahre". Der Einsatz unterhalb dieser Altersgrenze "bleibt indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich".
Zur Diskussion über Hirnvenenthrombosen heißt es in dem Beschlussentwurf: "Obwohl deutlich mehr Frauen betroffen waren, schränkt die Stiko vorsorglich ihre Empfehlung für beide Geschlechter ein."
In Nordrhein-Westfalen sprachen sich die Leiter von fünf der sechs Uni-Kliniken für einen vorläufigen Stopp von Impfungen jüngerer Frauen mit Astrazeneca aus. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es in einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und die Landesgesundheitsminister.
In Deutschland sind bislang mehr als zwei Dutzend Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit Astrazeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut berichtete. Bis Montagmittag (29. März) waren dem Institut 31 Fälle gemeldet worden, in 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet. In neun Fällen war der Ausgang tödlich, wie das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Institut in Langen berichtete.
Mit Ausnahme von zwei Fällen betrafen laut PEI alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt. Laut Impfquotenmonitoring des Robert-Koch-Instituts wurden bis einschließlich Montag 2,7 Millionen Erstdosen und 767 Zweitdosen von Astrazeneca verimpft.
Kanadas Expertengremium für die Corona-Impfkampagne empfahl inzwischen offiziell die Aussetzung der Impfkampagne mit Astrazeneca für Menschen im Alter unter 55 Jahren. Das Komitee habe Sicherheitsbedenken und wolle Berichte über seltene Blutgerinnsel bei einigen immunisierten Patienten näher untersuchen, hieß es. Medienberichten zufolge war das Mittel in der Altersgruppe unter 55 bislang aber nicht großflächig eingesetzt worden./wn/DP/fba
Quelle: dpa-AFX