BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts hoher Preise für Lebensmittel, Gas und Sprit infolge des Ukraine-Kriegs bringt die SPD im Bundestag Sonderzahlungen an Arbeitnehmer zur Existenzsicherung ins Spiel. Wirtschaftsexperten forderten unterdessen gezieltere Hilfen für Bedürftige. Verhärtet bleiben die Fronten innerhalb der Ampelkoalition beim Streit über eine mögliche Aussetzung der Schuldenbremse wegen der aktuellen Belastungen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will mit den Partnern der G7-Staaten nach Lösungen für die Energiekrise und die steigende Inflation suchen. "Viele Dinge, die wir einkaufen, sind teurer geworden. Lebensmittel, aber eben ganz besonders die Preise für Energie. Das merken wir an der Tankstelle, das merken wir, wenn wir die Heizrechnung bezahlen müssen. Heizöl, Gas, alles viel teurer als noch vor einem Jahr. Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten", sagte Scholz in seiner am Samstag veröffentlichten Videobotschaft "Kanzler kompakt" vor dem G7-Gipfel in Elmau. Deutschland müsse sich mit anderen absprechen, was zu tun sei.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich brachte Sonderzahlungen an Arbeitnehmer zur Existenzsicherung ins Spiel. "Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich auf Einmalzahlungen an die Beschäftigten verständigen, um besonders schwierige Momente in den nächsten Monaten abzufedern, dann könnte auch der Staat dies sinnvoll ergänzen", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Er betonte jedoch auch: "Wir werden nicht alles abfedern können." Kanzler Scholz will am 4. Juli in einer "Konzertierten Aktion" zusammen mit Spitzenvertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber beraten, wie die Preisentwicklung in den Griff zu bekommen ist.
Mit dem Steuernachlass beim Tanken, dem 9-Euro-Ticket, einer Energiepreispauschale im September/Oktober sowie weiteren Maßnahmen versucht die Regierung bereits, die Bürger zu entlasten. Von Volkswirten kommt die Forderung, Hilfen gezielter einzusetzen. Mit Blick auf den Tankrabatt sagte die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm der Deutschen Presse-Agentur: "Es wurde versucht, fossile Energieträger noch zu vergünstigen - mit mäßigem Erfolg. Man muss das bei denjenigen abfedern, die diese Härten nicht tragen können." Auch Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank
Bundesfinanzminister Christian Lindner machte deutlich, der Staat könne nicht jede Preissteigerung abfangen. "Weitere Entlastungsmaßnahmen müssten sich zwingend im Rahmen der Schuldenbremse bewegen", bekräftigte der FDP-Politiker in der "Rheinischen Post" (Samstag). Er betonte, dass in einem wirtschaftlichen Abschwung auch eine höhere Kreditaufnahme gestattet sei. Lindner legt dem Kabinett seinen Haushaltsentwurf am 1. Juli vor.
Bankenpräsident Christian Sewing bezeichnete es als "wichtig, dass die Schuldenbremse mittelfristig eingehalten wird." Der dpa sagte der Deutsche-Bank-Chef in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB): "Die Haltung einer Regierung, an Vereinbarungen festzuhalten und ausgegebene Ziele zu erfüllen, ist enorm wichtig für das Vertrauen des Marktes." "Langfristig profitieren wir alle von der Schuldenbremse. Aber man muss auch die jeweilige Situation im Blick behalten, und dann kann es sinnvoll sein, vorübergehend etwas flexibler zu handeln." Als Beispiel nannte Sewing das Sondervermögen für die Verteidigung.
Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt dem Bund nur in geringem Maße neue Kredite. In den Jahren 2020 und 2021 machte der Bund wegen hoher Lasten infolge der Corona-Pandemie von der Ausnahmeregelung Gebrauch, dieses Instrument in Notsituationen vorübergehend aufheben zu können. 2023 will Lindner die Schuldenbremse wieder einhalten.
Die Grünen sehen das anders. "In Krisenzeiten ist Sparpolitik das falsche Instrument. Auch 2023 werden wir leider sehr wahrscheinlich mit den massiven Folgen von Ukraine-Krieg, der fossilen Inflation aufgrund von Preissteigerungen von Gas und Öl und der Corona-Pandemie zu kämpfen haben", sagte Grünen-Haushaltssprecher Sven-Christian Kindler der "Rheinischen Post"./toz/mi/cn/shy/dm/ben/stw/DP/nas
Quelle: dpa-AFX