BERLIN (dpa-AFX) - Gebühren für die Girocard oder fürs Geldabheben am Automaten der eigenen Bank: Nach Einschätzung von "Finanztest"-Expertin Heike Nicodemus kommt die Zeit kostenloser Girokonten vorerst nicht zurück - im Gegenteil: Die Zahl der Gratiskonten und günstigen Konten ist weiter gesunken. "Derzeit zeichnet sich nicht ab, dass Kreditinstitute im großen Stil mit kostenlosen Girokonten versuchen, neue Kundinnen und Kunden zu werben", sagt Nicodemus. "Ich erwarte eher einen weiteren Rückgang. Viele Institute haben Stellen abgebaut. Sie könnten einen Ansturm von Neukunden auf kostenlose Girokonten vermutlich gar nicht bewältigen."
Zwar buhlen insbesondere bundesweit aktive Geldhäuser angesichts steigender Zinsen nach Daten des Vergleichsportals Verivox wieder um die Einlagen der Sparer. Die Geldhäuser verdienen gut daran, dass sie mehr Zinsen für Kredite kassieren, als sie Sparkunden für Guthaben zahlen. Der sogenannte Zinsüberschuss ist traditionell eine wichtige Ertragsquelle der Geldhäuser in Deutschland.
Beim Girokonto zeichnet sich aber keine Wende ab. Gerade einmal 9 von 460 untersuchten Modellen sind ohne Bedingungen für Online-Kunden gratis, wie es in der aktuellen "Finanztest"-Ausgabe (9/2023) der Stiftung Warentest heißt. Darunter sind fünf kostenlose Konten auch für Filialkunden. Ein Jahr zuvor wurden insgesamt noch zwölf Gratiskonten gefunden.
Die Stiftung Warentest, die in staatlichem Auftrag eine kostenlose Webseite zum Girokontenvergleich betreibt, wertete die Konditionen von Gehalts- und Rentenkonten mit Gültigkeit bis 31. August bei 175 Kreditinstituten aus. Es wurden damit 10 Geldhäuser mehr als vor einem Jahr berücksichtigt.
Günstige Konten werden auch seltener
Auch aus Sicht der Experten günstige Konten, die nicht mehr als 60 Euro im Jahr kosten, gibt es immer weniger. Unter dieser Marke blieben im Test 74 Modelle. Im Vorjahr waren es 79. Konten, die mehr als 100 Euro im Jahr kosten, gebe es dagegen haufenweise, berichteten die Tester. Der Durchschnitt aller untersuchter Modelle lag bei 117 Euro. Die teuerste ausgewertete Kontoführung kostet 307,86 Euro jährlich.
In manchen Fällen ist zwar der Grundpreis günstig, dafür langen Kreditinstitute bei der Girocard (früher: EC-Karte) oder Buchungen wie Last- oder Gutschriften, Überweisungen und Daueraufträgen hin. Zu Buche schlagen meist auch Überweisungen per Beleg, Telefonbanking oder Bareinzahlungen. Bei Online-Banken kann eine Überweisung in Papierform bis zu fünf Euro kosten. Ärgerlich findet es Nicodemus, wenn Institute fürs Geldabheben am eigenen Automaten von ihren Kundinnen und Kunden eine Gebühr verlangen. "Das ist schon ein dolles Ding."
Während vor Jahren Direktbanken wie die ING
Grundsätzlich findet es Nicodemus in Ordnung, wenn Institute für das Girokonto eine gewisse Gebühr verlangen und diese bei etwa 60 Euro im Jahr liegt. "Wenn ich dafür kompetent betreut werde und einen Ansprechpartner habe, ist das aus meiner Sicht nicht zu beanstanden. Ein kostenloses Girokonto ist schön, aber nicht zwingend."
Als kostenlos ohne Bedingungen definiert die Stiftung Warentest: keine Grundgebühr, keine Gebühr für Kontoauszug, Buchungen, Girocard und beim Geldabheben am Automaten im eigenen Bankenpool sowie keine Bedingungen wie regelmäßiger Geld- und Gehaltseingang in einer bestimmten Höhe. Zugrundegelegt für die Auswertung wurde eine Modellperson. Sie bekommt ein regelmäßiges Gehalt, führt das Konto online und nutzt es durchschnittlich.
Untersucht wurden alle bundesweiten Institute sowie Direkt- und Kirchenbanken, alle Sparda- und PSD-Banken sowie die größten Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken je Bundesland.
Das Verbraucherportal Biallo kommt auf 26 kostenlose Girokonten ohne Bedingungen (Stand: 5. Juni). Untersucht wurden den Angaben zufolge Preis- und Leistungsverzeichnisse und Websites von fast 1200 Banken und Sparkassen./mar/DP/mis
Quelle: dpa-AFX