STUTTGART (dpa-AFX) - Der Ausbau des E-Ladenetzes hinkt der wachsenden Zahl von Elektroautos weiter hinterher. Kamen etwa Anfang 2021 noch 14 E-Autos auf einen Ladepunkt, waren es nach Zahlen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) zuletzt 23. Zwar will die Bundesregierung gegensteuern - etliche Autobauer wollen sich aber nicht nur auf die Politik verlassen und treiben den Aufbau der Ladeinfrastruktur selbst voran. Am Donnerstag kündigte auch Mercedes-Benz
"Wir wollen nicht zusehen und abwarten, bis es gebaut ist. Daher errichten wir selbst ein globales Schnellladenetzwerk", sagte Mercedes-Chef Ola Källenius. Man habe zunächst gedacht, dass andere Player wie Energieunternehmen den Bedarf decken würden, sagte Technikchef Markus Schäfer. "Aber das ist nicht passiert."
Zum Vergleich: Der US-Autobauer Tesla
Wie viele Ladepunkte konkret in Deutschland entstehen werden, teilte Mercedes nicht mit. Klar ist aber: Für die weltweiten Ausbauziele - alleine die Bundesregierung will eine Million öffentlich zugängliche Stecker bis 2030 - sind die Pläne der Stuttgarter allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. Daraus machte Källenius im Gespräch mit Journalisten auch keinen Hehl. Vielmehr gehe es darum, weitere Mercedes-Kunden zu locken. Sie sollen etwa von der bevorzugten Nutzung mittels Reservierung profitieren.
Weitaus größer sind die Ladenetze, die sich die Autokonzerne mittels Kooperationen gesichert haben. Für Mercedes-Fahrer stünden etwa eine Million Ladepunkte weltweit zur Verfügung, sagte Källenius. Das auf eine BMW
Auch der paneuropäische Autobauer Stellantis
Hat die Politik den Ausbau der Ladeinfrastruktur in den vergangenen Jahren also so sehr verschlafen, dass die Autoindustrie den einzigen Ausweg in der Eigeninitiative sieht? VDA-Präsidentin Hildegard Müller formuliert es so: "Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur gelingen kann, wenn alle Akteure diese tragen und Verantwortung übernehmen." Jeder müsse seinen Beitrag leisten - und dabei sei natürlich auch die Autoindustrie engagiert.
Dabei zeigt der Blick auf die Zahlen, dass die Ziele der Regierung noch in weiter Ferne liegen. Laut Daten der Bundesnetzagentur von Anfang November 2022 wuchs die Zahl der Ladepunkte binnen eines Jahres um rund 17 000 auf insgesamt 72 000. Ginge es in diesem Tempo weiter, wäre das Ziel von einer Million Ladepunkte rein rechnerisch erst im Jahr 2077 erreicht. Um schneller zu werden, beschloss das Kabinett im Oktober einen "Masterplan Ladeinfrastruktur" und will dafür 6,3 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Das zeige zumindest, dass sich die Bundesregierung der Herkulesaufgabe bewusst sei, hieß es vom ADAC.
Das Ausbautempo 2022 bewertete der Automobilclub vergleichsweise positiv. Immerhin habe die Zahl der Ladepunkte im vergangenen Jahr einigermaßen mit der Zahl der neu zugelassenen E-Autos Schritt gehalten, lobte auch VDA-Chefin Müller. Aber: "Das Angebot müsste der Nachfrage vorauseilen, damit das Vertrauen der Menschen in die E-Mobilität weiter wachsen kann." Davon sei Deutschland noch weit entfernt. Vor allem bei den Schnellladern müsse es daher mit hohem Tempo weiter vorangehen.
Für Deutschland zählt die Bundesnetzagentur bislang rund 12 000 solcher Stecker, die ab einer Ladeleistung von mehr als 22 Kilowatt als Schnellladepunkte definiert sind. Rund ein Viertel davon erreicht die höchste Leistungsklasse von über 300 Kilowatt. In diese Bereiche will auch Mercedes mit seiner neuen Infrastruktur vorstoßen. Eine Batterie könne so von 10 auf 80 Prozent in rund einer halben Stunde geladen werden. "Wir werden das noch signifikant verkürzen", kündigte Technikchef Schäfer auf der Technik-Messe CES in Las Vegas an. Mit besserer Ladeinfrastruktur werde die Elektroauto-Akzeptanz steigen.
Der Karlsruher Energiekonzern EnBW
Die Ausbauzahlen sind das eine - aber wie sieht es angesichts der zig Anbieter mit der Nutzerfreundlichkeit aus? Der ADAC beklagte, dass ein E-Autofahrer schnell den Überblick verlieren kann. Mal brauche er eine Ladekarte, mal eine App. An dieser Säule zahle er per Smartphone, an der anderen per Rechnung zum Monatsende. Einige Anbieter verlangen eine Grundgebühr, einige ab einer gewissen Standzeit an der Ladesäule einen Aufschlag pro Minute. Es bleibt also noch einiges zu tun auf dem Weg in die vollelektrische Mobilität./dhu/DP/mis
Quelle: dpa-AFX