BERLIN (dpa-AFX) - Von Mousepads über Gartenmöbel bis zu Kochzutaten: Noch nie haben sich die Deutschen so viel liefern lassen wie in der Corona-Zeit. Die Pandemie lässt die Paketschwemme weiter anschwellen. Paketauto um Paketauto eilt durch Wohnviertel, ein Heer von Zustellern schleppt Kartons in die Häuser. 63 Pakete je Haushalt waren es im Schnitt 2020, fast dreimal so viele wie vor zehn Jahren.
"Paketdienste halten den Alltag am Laufen", schwärmt der Branchenverband BIEK. Er vertritt Hermes, DPD, GLS, Go! und UPS
Denn der Paketberg wächst: um rund elf Prozent allein im vergangenen Jahr auf 4,05 Milliarden Sendungen. Vier Prozent Plus waren erwartet worden. Doch es hatte niemand mit der Pandemie gerechnet, die geschlossene Läden und Schulen, Homeoffice und Video-Unterricht brachte. In diesem Jahr werden weitere 320 Millionen Pakete zusätzlich erwartet.
"Die Menschen konnten nicht reisen und haben sich ihre Terrassen und Gärten schöner gestaltet", sagte Bosselmann. Nie zuvor hätten die Zusteller so viele Pools und Gartenmöbel gebracht. Die Pakete waren sperriger, wenn auch nicht unbedingt schwerer, wie Klaus Esser sagt, Autor der Branchenstudie des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK).
Wachstumstreiber sind demnach die Privathaushalte, die mehr als die Hälfte der Pakete bestellt haben. Um 18,6 Prozent gingen die Zahlen nach oben. Das Wachstumstempo hat sich mehr als verdoppelt. Vor allem Online-Einkäufe treiben die Zahlen. Zunehmend bestellen die Deutschen auch im Ausland.
Ein Zurück gibt es nach Erwartung der Branche nicht. Die Menschen haben sich ans Bestellen gewöhnt. In diesem Jahr sollen die privaten Paketbestellungen um zehn Prozent zulegen. Was eigentlich erst 2025 vorgesehen war, erwartet der Verband nun schon im kommenden Jahr: 4,7 Milliarden Sendungen. Auch Branchenprimus DHL rechnet nach der Pandemie mit Zuwächsen von fünf bis sieben Prozent.
Denn inzwischen kaufen die Kunden nicht nur neue Fernseher, Kleidung und Bücher online, sondern zunehmend auch Waren des täglichen Bedarfs, Lebensmittel etwa und Drogerieartikel, wie der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) beobachtet.
Auf dem Höhepunkt der dritten Corona-Welle vor Ostern gaben in einer Befragung das Instituts für Handelsforschung Köln 43 Prozent der Befragten an, dass sie nun Dinge online kaufen, für die sie normalerweise in die Geschäfte gehen. Je stärker sich das Virus ausbreitete, desto höher stieg der Wert.
83 Milliarden Euro flossen laut BEVH 2020 ins Online-Shopping, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch mehr ältere Menschen kaufen demnach im Netz. Die Paketdienste sprechen von einer Herkulesaufgabe - die sie gern besser vergütet hätten. Aber dafür ist die Konkurrenz zu groß. Die Dienste fürchten zudem, dass in Großstädten auch Lebensmittel-Lieferdienste wie Gorillas oder Flink ins Paketgeschäft einsteigen.
Es gebe "keine adäquate Zahlungsbereitschaft", heißt es in der Studie. Die Erlöse stehen unter Druck, durchschnittlich 5,81 Euro je Sendung waren es 2020. In die Rechnung fließen auch teure Express- und Kuriergüter ein. Auch für alternative Lieferoptionen wie Paketautomaten wolle keiner draufzahlen, heißt es - vor allem nicht, wenn man ohnehin zu Hause ist.
"Dadurch dass die Leute mehr zu Hause waren, ist es einfacher geworden", bilanzierte Bosselmann. Paketboten klingeln nicht mehr so oft vergebens - werden aber auch nicht mehr so schnell an einer einzelnen Wohnungstür die Pakete für die halbe Nachbarschaft los.
Um 10 600 wuchs die Zahl der Beschäftigten im vergangenen Jahr - auf mehr als 255 000. Weitere 60 000 Leute werden bis 2025 gesucht. "Jeder ist willkommen", sagt Bosselmann. Gezahlt werde der Mindestlohn oder mehr.
Für viele Arbeitnehmer hatte sich die Lage bereits verbessert, seit Paketdienste dafür haften müssen, wenn Subunternehmer keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Nachdem die Paketboten in der Corona-Krise verlässlich geliefert haben, ruft die Gewerkschaft nun das Ende der Bescheidenheit aus. Mindestens sechs Prozent mehr Geld wird sie voraussichtlich für die Beschäftigten im wichtigen Tarifbezirk Nordrhein-Westfalen fordern. "Auf einmal bist Du systemrelevant", heißt auf einem Flugblatt. "Warst Du das nicht schon immer?"/bf/DP/fba
Quelle: dpa-AFX