(neu: Äußerungen aus Telefonkonferenz im 10. und im drittletzten Absatz, Free Cashflow im letzten Absatz)
HERZOGENRATH (dpa-AFX) - Fortschritte bei der Erteilung von Exportlizenzen sowie eine weiter rege Nachfrage nach Maschinen zur Herstellung moderner, energieeffizienter Halbleiter stimmen Aixtron optimistischer für 2023. Große Chipkonzerne bauen ihre Kapazitäten in diesem Bereich aktuell stark aus, weil die Nachfrage nach besonders leistungsfähigen Elektronikchips im Zuge der Digitalisierung, der Elektromobilität und der Energiewende weiter wachsen wird und weil westliche Länder ihre Abhängigkeit von China verringern wollen. Der Aktienkurs stieg am Donnerstag prozentual zweistellig.
Nach einem Umsatzanstieg um gut ein Drittel im ersten Halbjahr auf knapp 251 Millionen Euro traut Aixtron-Chef Felix Grawert seinem Unternehmen für 2023 nun Erlöse zwischen 600 und 660 Millionen Euro zu, nach bisher avisierten 580 bis 640 Millionen. Dabei steigerten die Nordrhein-Westfalen den Umsatz allein im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 69 Prozent auf 173,5 Millionen Euro. Damit schnitt Aixtron besser ab als von Analysten im Schnitt erwartet. Beim Umsatzausblick liegt der Konsens eher am unteren Ende der neuen Prognose.
Analystin Olivia Honychurch vom Investmenthaus Jefferies schrieb in einer ersten Einschätzung von einem starken Zahlenwerk für das zweite Quartal des Chip-Ausrüsters und lobte den neuen Ausblick. Die höheren Jahresziele lägen noch über ihren Annahmen und seien Ausdruck der gegenwärtig starken Geschäftslage.
Für die Aktien ging es bis auf 35,58 Euro nach oben und damit auf ein den höchsten Stand seit der Jahrtausendwende. Zuletzt notierten die Papiere noch fast 14 Prozent im Plus bei 35,19 Euro. Nach einer längeren Durststrecke - unterbrochen nur durch den - letztlich gescheiterten - Übernahmeversuch durch ein chinesisches Unternehmen - profitiert Aixtron nun schon eine Weile von der wachsenden Nachfrage nach seinen neuen Anlagen. Seit Ende 2019 haben die Aixtron-Papiere 300 Prozent gewonnen. Jefferies-Analystin Honychurch bleibt zuversichtlich, dass die Entwicklung andauern wird. Sie setzt ein Kursziel von 45 Euro an.
Rückenwind lieferte Aixtron im abgelaufenen Vierteljahr auch die Erteilung zahlreicher Exportlizenzen, deren Fehlen Aixtron zuvor noch deutlich gebremst hatte. So waren Behörden überlastet und warfen auch teils einen kritischeren Blick auf bestimmte Abnehmerländer, wohl insbesondere China. Die Behörden hatten daher zusätzliche Schutzmechanismen an den Maschinen verlangt, damit sie nur dafür verwendet werden können, wofür sie auch bestellt worden seien, hatte Grawert vor einigen Monaten gesagt. Dabei hatte er auch eine Erhöhung der Jahresprognosen in Aussicht gestellt, sollten die Ausfuhrgenehmigungen erteilt werden.
Von rund 70 Millionen Euro Umsatz, die durch das Fehlen der Genehmigungen bis zum Ende des ersten Quartals nicht realisiert werden konnten, sind bis zum heutigen Tag Anlagen für deutlich mehr als 50 Millionen Euro ausgeliefert worden, hieß es vom Unternehmen auf Nachfrage. Mit dem Rest wird weiterhin bis zum Jahresende gerechnet.
Dank des starken Umsatzwachstums legte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im zweiten Quartal im Jahresvergleich um knapp 160 Prozent auf 44,6 Millionen Euro zu, was einer Marge von 26 Prozent entspricht. Nach dem schwächeren Jahresstart sieht sich Aixtron damit auf dem Weg zum bestätigten Ziel einer Marge von 25 bis 27 Prozent im gesamten Jahr. Unter dem Strich blieb in den Monaten April bis Juni mit 40,4 Millionen Euro mehr als doppelt so viel hängen wie vor Jahresfrist.
Beim neuen Umsatzziel stützt sich der Konzern auf einen Auftragsbestand für Anlagen von 412,5 Millionen Euro per Ende Juni. Das ist ein Tick weniger als drei Monate zuvor, aber deutlich mehr als vor Jahresfrist. Und: Das Management erwartet eine weiterhin gute Nachfrage und kalkuliert im laufenden Jahr daher jetzt mit Auftragseingängen zwischen 620 und 700 Millionen Euro. Das sind am oberen und unteren Ende der Spanne jeweils 20 Millionen Euro mehr.
"Der wesentliche Treiber für unser anhaltend starkes Wachstum ist die effiziente Leistungselektronik auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN)", sagte Grawert laut Mitteilung. Der Trend werde sich in den kommenden Jahren fortsetzen. "Ein sehr gutes Indiz hierfür ist etwa die E-Mobilität, in der SiC das bevorzugte Materialsystem ist." SiC-Anlagen werden denn auch 2023 die mit Abstand umsatzstärksten Produkte sein.
Bei GaN habe derweil gerade erst die Phase begonnen, in der dieses Material klassisches Silizium in Anwendungen wie Schnellladetechnik für Konsumelektronik, E-Bikes und ähnlichem auf wirklich breiter Basis ersetze, wie Grawert in einer Telefonkonferenz mit Analysten ausführte. Daher dürfte die Nachfrage nach GaN-Anlagen längere Zeit hoch bleiben.
Chips aus SiC und GaN sind energieeffizienter und temperaturbeständiger als klassische Siliziumchips. Damit können sie mehr Strom schneller leiten - eine Voraussetzung etwa für Schnellladetechnik für Heimelektronik und E-Autos, den sparsameren Betrieb von Daten- und Serverzentren, genauso wie für bestimmte 5G-Mobilfunk-Anwendungen. Aixtron beliefert dabei aktuell mehrere Großkunden, die Fabriken auf- und ausbauen, in denen SiC- und GaN-Bauelemente im industriellen Maßstab gefertigt werden.
Mittelfristig dürfte dann laut Branchenexperten viel Rückenwind durch Anlagen zur Herstellung von Mikro-LED kommen, wohl aber erst ab 2025. Hier testen Kunden und potenzielle Abnehmer erst einmal vor allem Pilotanlagen. "Es ist in der Industrie kein Thema, ob Mikro-Led kommen, sondern nur wann", gibt sich Grawert zuversichtlich
Um auf die künftige Nachfrage und immer neue Anforderungen vorbereitet zu sein, steckt Aixtron weiterhin reichlich Geld in die Forschung und Entwicklung. Auch daher stiegen die Betriebsaufwendungen im zweiten Quartal im Jahresvergleich um 40 Prozent. Und auch das Personal wird weiter aufgestockt: Ende Juni beschäftigte das Unternehmen mit gut 1000 Mitarbeiter fast ein Drittel mehr als noch vor einem Jahr.
Zudem flossen Barmittel in Höhe von gut 82 Millionen Euro ab. Diesen negativen Free Cashflow begründete das Unternehmen mit Aufwendungen zur Erhöhung der Vorräte, um das geplanten Umsatzwachstums im zweiten Halbjahr bewältigen zu können./mis/zb/he/ngu/jha/he
Quelle: dpa-AFX