(Neu: Aussagen des Konzernchefs aus der Telefonkonferenz, aktueller Kurs.)
NEUBIBERG (dpa-AFX) - Beim Chiphersteller Infineon
Bei der Profitabilität im Kerngeschäft rechnet Infineon jetzt mit einem etwas besseren Wert als noch Anfang Oktober. Die Marge gemessen am operativen Gewinn, dem sogenannten Segmentergebnis, soll in den zwölf Monaten bis Ende September 2022 bei etwa 21 Prozent und damit deutlich über dem Vorjahreswert liegen. Anfang Oktober hatte das Unternehmen noch einen Wert von rund 20 Prozent in Aussicht gestellt. Das erhöhte Margenziel kommt für die meisten Experten überraschend.
Beim Umsatz geht Infineon von einem Anstieg auf 12,7 Milliarden Euro aus - plus oder minus eine halbe Milliarde. Beim Erreichen des mittleren Wertes würde der Erlös um knapp 15 Prozent zulegen und damit ihm Rahmen der zuletzt in Aussicht gestellten Spanne. Beim mittleren Wert der Umsatzprognose ergibt die erwartete Marge im laufenden Jahr rechnerisch fast 2,7 Milliarden Euro Segmentergebnis und damit fast 200 Millionen Euro mehr als von Bloomberg befragte Experten bisher erwartet hatten.
Im Geschäftsjahr 2020/21 legte Infineon wie bereits größtenteils bekannt kräftig zu, wobei die Zuwächse noch etwas höher ausfielen als bei einem Kapitalmarkttag Anfang Oktober indiziert. "Infineon hat das Geschäftsjahr mit einem hervorragenden vierten Quartal abgeschlossen. Wir sind so schlagkräftig wie nie", sagte Konzernchef Reinhard Ploss laut Mitteilung. "Angesichts des anhaltend hohen Bedarfs an Halbleitern für die energieeffiziente und vernetzte Welt erwarten wir ein starkes Geschäftsjahr 2022."
Insbesondere im Geschäft mit Autoherstellern und Sicherheitssystemen erwartet Infineon einen starken Anstieg. Der Autobereich ist das umsatzstärkste Infineon-Segment und wuchs auch im vergangenen Jahr stark. Konzernweit legte der Erlös 2020/21 im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent auf etwas mehr als elf Milliarden Euro zu. Das Segmentergebnis kletterte auf knapp 2,1 Milliarden Euro zu - das sind 77 Prozent mehr als das Jahr davor. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 1,17 Milliarden Euro nach 368 Millionen Euro im Vorjahr.
In Sachen Chipmangel zeichnet sich laut Ploss inzwischen "eine gewisse Stabilisierung ab". Zwar sei die Nachfrage immer noch höher als das Angebot und es gebe Nachholbedarf - doch der Auftragsbestand wachse nicht mehr so stark wie zuletzt, sagte er. Die Chipknappheit werde dennoch "bis weit in das Jahr 2022 bestehen bleiben". Die Knappheit hat auch zu steigenden Preisen geführt, bei Infineon spielen diese aber keine übergeordnete Rolle. Der weit überwiegende Teil des geplanten Umsatzwachstums im laufenden Jahr werde aus größeren Volumina kommen, sagte Marketingvorstand Helmut Gassel.
Obwohl viele Unternehmen stark in den Ausbau von Chipkapazitäten investieren, befürchtet Ploss nicht, dass es nach einem Ende der aktuellen Knappheit durch den Aufbau von zu vielen Fabriken zu einem Überangebot in der Branche kommen könnte. Der sogenannte "Schweinezyklus" sei für Infineon nicht mehr relevant. Das liege auch daran, dass man in Wachstumsmärkten aktiv sei. Zudem werde in der Halbleiterindustrie inzwischen mit mehr Bedacht investiert. Sie sei reifer geworden.
Ploss wird Ende kommenden Jahres den Chefsessel bei Infineon abgeben. Zu Fragen nach seiner Nachfolge hielt er sich bedeckt. "Ich bin ja noch ein Jahr da", betonte er. Nach seinem Wunschnachfolger gefragt, verwies er auf seine vier "fantastischen" Kollegen und Kolleginnen im Vorstand. Der aktuelle Boom machte sich auch bei den Mitarbeitern bemerkbar: Ihre Zahl stieg im Jahresvergleich um mehr als 3600 auf 50 288. Und auch die Aktionäre sollen davon direkt mit einer um fünf auf 27 Cent erhöhten Dividende profitieren.
Doch die Anteilseigner hatten zuletzt ohnehin sehr viel Freude an dem Papier, auch wenn das Papier am Mittwoch an Wert einbüßte und zu den schwächeren Dax-Titeln gehörte. Die Aktie hatte allerdings erst am Dienstag mit 43,215 Euro den höchsten Stand seit 2001 erklommen. Am Mittwoch hatte die Aktie das Hoch fast noch mal erreicht, bevor die Gewinnmitnahmen einsetzten. Zuletzt lag der Kurs mit 41 Euro knapp zwei Prozent unter dem Schlusskurs vom Dienstag.
Damit liegt das Papier aber immer noch etwas mehr als 30 Prozent über dem Stand von Ende 2020. Damit zählt die Aktie zu den zehn größten Gewinnern im 40 Werte umfassenden deutschen Leitindex. Noch besser sieht die Bilanz auf fünf oder zehn Jahre aus. Seit Herbst 2016 summiert sich das Kursplus auf fast 170 Prozent; in den vergangenen zehn Jahren verteuerte sich die Aktie sogar um mehr als 500 Prozent.
Damit zählt das Papier in beiden Zeiträumen zu den stärksten Dax-Titeln. Mit einem Börsenwert von rund 54 Milliarden Euro zählt die Aktie auch in dieser Wertung zur oberen Hälfte im Dax. Ende 2011 sah das noch ganz anders an. Da zählte der Halbleiterhersteller zu den Leichtgewichten unter den deutschen Standardwerten./zb/lew/stk
Quelle: dpa-AFX