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ROM (dpa-AFX) - Nach den erbitterten Handelskonflikten unter Ex-Präsident Donald Trump stehen die Zeichen zwischen der EU und den USA auf Entspannung: Beide Seiten einigten sich am Wochenende auf die vorläufige Beilegung ihres jahrelangen Streits um US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem "Meilenstein". Seit US-Präsident Joe Bidens Amtsantritt im Januar hätten beide Seiten "Vertrauen und Kommunikation" wieder hergestellt, sagte sie am Rande des Gipfeltreffens der führenden Wirtschaftsmächte in Rom (G20).
Die Grundsatzeinigung sieht vor, dass aus den EU-Staaten künftig bestimmte Mengen an Stahl und Aluminium zollfrei in die USA importiert werden dürfen. Die EU hebt dafür Sonderzölle auf US-Produkte wie Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson
Biden sprach bei einem gemeinsamen Auftritt mit von der Leyen am Sonntag von einem "wichtigen Durchbruch", der eine "neue Ära der transatlantischen Zusammenarbeit" einläute. Dessen Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, sagte, mit der Einigung sei "eines der größten Streitthemen" im Verhältnis der transatlantischen Partner ausgeräumt.
Ganz befriedigend dürfte die Einigung aber für die EU nicht sein. Die von Trump "mit Interessen der nationalen Sicherheit" begründeten Zölle sind nicht vollständig beseitigt. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen werden so aus der EU künftig nicht mehr als 4,4 Millionen Tonnen Stahl zollfrei in die USA exportiert werden dürfen. Dies entspricht etwa dem Handelsvolumen vor der Einführung von Trumps Strafzöllen - aber eine Ausweitung und ein wirklich freier Wettbewerb sind damit nicht möglich. Biden wiederum erlaubt der Kompromiss, seine Unterstützer bei den US-Gewerkschaften nicht zu vergraulen.
US-Handelsministerin Gina Raimondo erklärte, die Vergeltungszölle der EU auf amerikanische Produkte hätten noch vor Jahresende auf 50 Prozent ansteigen sollen. Dies sei nun mit der Einigung abgewendet worden. Solche Zölle seien für betroffene Unternehmen verheerend.
Die Einigung sei das Ergebnis "schwieriger Verhandlungen" gewesen, sagte Raimondo. Diese umfasse auch Pläne, die Produktion der Metalle umweltfreundlicher zu gestalten. Es handle sich insgesamt um einen guten Deal für die Arbeitnehmer der Stahl- und Aluminiumbranche in den USA. Auch Verbraucher würden davon profitieren, weil damit zu rechnen sei, dass Metallpreise - und damit auch jene von Endprodukten wie Autos - sinken würden, sagte sie. Auch werde sichergestellt, dass aus der EU kein Stahl eingeführt werden könne, der teils aus China stamme. Die USA werfen Peking vor, die heimische Industrie zu subventionieren und mit künstlich niedrigen Preisen und unter Missachtung von Umweltstandards für unfairen Wettbewerb zu sorgen.
Biden hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, das von Trump beschädigte Verhältnis zu den Bündnispartnern in Europa zu verbessern. Die Beilegung des Zollstreits ist dabei ein weiterer wichtiger Baustein. Bereits im Juni hatten die EU und die USA Strafzölle auf Produkte wie Flugzeuge, Wein oder Ketchup bis 2026 ausgesetzt. Die Vereinbarung soll es ermöglichen, den Streit über staatliche Hilfen für den US-Flugzeugbauer Boeing
Auch ein weiterer Streitpunkt kann bald abgehakt werden: Ab 8. November will die US-Regierung die Einreisebeschränkungen für Europäer aufheben, die seit Monaten für Verstimmung zwischen Europa und Washington geführt hatten. Zudem ermöglichte die Zustimmung von Bidens Regierung auch die jüngst ausgehandelte Einigung auf eine globale Mindestbesteuerung international tätiger Unternehmen ab 2023, die nun von den Staats- und Regierungschefs der G20 bestätigt wurde.
Klar ist aber auch, dass die US-Regierung im Umkehrschluss auch Erwartungen an Europa hat. Biden forderte die Europäer etwa auf, sich der von seiner Regierung vertretenen härteren Linie gegenüber dem kommunistischen China anzuschließen.
Von Berlin fordert Biden zudem nachdrücklich die Einhaltung einer deutsch-amerikanischen Vereinbarung zur umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die den Amerikanern schon lange ein Dorn im Auge ist. An der Umsetzung der Vereinbarung zu Gunsten der Ukraine müsse kontinuierlich gearbeitet werden, wie das Weiße Haus nach einem Gespräch Bidens mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem voraussichtlichen Nachfolger, Finanzminister Olaf Scholz (SPD), am Rande des G20-Gipfels mitteilte. Russland dürfe die Gasversorgung nicht als geopolitische Waffe einsetzen, hieß es./jbz/aha/DP/he
Quelle: dpa-AFX