(Neu: Aussagen aus der Analysten- und Pressekonferenz, Aktienkurs)
LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - Der weltgrößte Chemiekonzern BASF
Sorgen um das Stammwerk versuchte Vorstandschef Martin Brudermüller am Freitag auszuräumen: "Wir bleiben dem Standort treu, allem Abwanderungsgerede zum Trotz", sagte er in Ludwigshafen bei der Vorlage der Jahreszahlen. Der Hauptsitz in der Pfalz, wo BASF zuletzt rund 39 000 seiner mehr als 111 000 Mitarbeiter beschäftigte, bleibe der größte integrierte Standort im Konzern.
Brutto fällt der geplante Jobabbau mit 4200 zu streichenden Stellen noch größer aus. Doch andernorts will BASF auch Stellen aufbauen, etwa in Service-Zentren in Berlin und Madrid. Einen Teil des Jobbobbaus soll daher über natürliche Fluktuation abgefedert werden: So rechnet BASF ab 2024 mit altersbedingten Abgängen von 1000 Mitarbeitern jährlich in den kommenden 10 Jahren. Für das Sparprogramm fallen etwa 400 Millionen Euro Kosten an.
Der Chemiekonzern hatte schon im Herbst wegen der hohen Energiekosten in Europa und der schwachen Konjunktur ein Sparprogramm angekündigt. Damit will das Unternehmen ab 2024 jährlich 500 Millionen Euro außerhalb der Produktion sparen, davon soll die Hälfte im Stammwerk Ludwigshafen realisiert werden. Schwerpunkte sind Service-, Unternehmens- und Forschungsbereiche sowie die Konzernzentrale.
BASF als größtem industriellen Gasverbraucher Deutschlands macht die teure Energie besonders zu schaffen. Brudermüller hatte wiederholt vor drastischen Folgen für die deutsche Wirtschaft im Fall eines Gasboykotts gegen Russland gewarnt. Die Unsicherheiten wegen des Kriegs in der Ukraine, hoher Rohstoff- und Energiekosten in Europa, steigender Preise und Zinsen würden auch 2023 fortbestehen, hieß es nun. Die Nachfrage habe sich bis Mitte Februar noch nicht richtig belebt, sagte Finanzchef Hans-Ulrich Engel in einer Telefonkonferenz mit Analysten.
"Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung", kritisierte Brudermüller. Dazu kämen langsame und bürokratische Genehmigungsverfahren und vor allem hohe Kosten für die meisten Produktionsfaktoren. All dies habe bereits über viele Jahre das Marktwachstum in Europa im Vergleich zu anderen Regionen gebremst. "Zusätzlich belasten jetzt die hohen Energiepreise die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa."
Im vergangenen Jahr hat BASF 3,2 Milliarden Euro mehr für Energiekosten ausgegeben als im Vorjahr, erläuterte Finanzchef Engel am Freitag. Alleine für Erdgas habe man 2,2 Milliarden Euro mehr bezahlt. Von den Mehrkosten für Erdgas entfielen 1,4 Milliarden Euro auf Ludwigshafen, obwohl BASF gut ein Drittel weniger Gas verbraucht habe.
"Unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa - und vor allem in Deutschland - hat sich verschlechtert", erläuterte Engel. 2015 hätten Deutschland, Europa ohne Deutschland und die übrigen Regionen jeweils rund ein Drittel zum operativen Ergebnis beigesteuert. Im starken Geschäftsjahr 2021 hingegen habe Europa einschließlich Deutschland nur noch ein Drittel zum Ergebnis beigetragen. Im vergangenen Jahr habe das Deutschland-Geschäft wegen des schwachen zweiten Halbjahres einen operativen Verlust geschrieben.
Neben dem Stellenabbau will BASF das Stammwerk Ludwigshafen mit Umbauten besser für den immer schärferen Wettbewerb rüsten. So schließt der Konzern eine der beiden Ammoniak-Anlagen, die Anlage für das Kunststoffvorprodukt TDI sowie weitere Anlagen für chemische Vorprodukte. Mit den Sparmaßnahmen in Ludwigshafen sollen ab Ende 2026 die Fixkosten voraussichtlich um über 200 Millionen Euro pro Jahr sinken. Die Produktion von Ammoniak, das etwa für Dünger gebraucht wird, war schon 2022 wegen hoher Gaspreise gedrosselt worden. Der Ersatz für Stoffe aus den geschlossenen Anlagen soll nun von Standorten aus dem Ausland kommen.
Die von BASF angekündigten Produktionsschließungen könnten derweil zwei anderen deutschen Chemiekonzerne zugutekommen. Analystin Georgina Fraser von der Investmentbank Goldman Sachs identifizierte Covestro
Ludwigshafen solle sich künftig auf die Versorgung des europäischen Marktes konzentrieren, sagte Brudermüller. Er will Ludwigshafen zum europaweit führenden emissionsarmen Chemiestandort entwickeln, darunter mit Wärmepumpen und CO2-ärmeren Wegen der Dampferzeugung.
Auch dieses Jahr bleibt das Umfeld für den Konzern schwierig. BASF erwartet Umsätze von 84 Milliarden bis 87 Milliarden Euro nach 87 Milliarden im Vorjahr. Beim operativen Ergebnis (bereinigtes Ebit) rechnet der Konzern mit 4,8 Milliarden bis 5,4 Milliarden Euro - das wäre ein Rückgang von bis zu 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei rechnet BASF mit einem schwachen ersten Halbjahr. Die Lage dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte mit Aufholeffekten insbesondere in China verbessern.
Mit dem für 2023 angepeilten operativen Ergebnis (Ebit) auf bereinigter Basis liege der Chemiekonzern im Rahmen der Markterwartungen, was mit Erleichterung aufgenommen werden dürfte, schrieb Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan. Angesichts dessen und mit Blick auf die günstige Bewertung sowie die robuste Bilanz von BASF könnte allerdings die Beendigung des Aktienrückkaufprogramms wegen der trüberen Konjunktur etwas enttäuschen.
Das Geschäft in der Volksrepublik baut Brudermüller aus - trotz aller Kritik auch im Vorstand, sich nicht noch weiter abhängig von autokratischen Regimen zu machen. So befürchten einige Beobachter einen Angriff Chinas auf Taiwan. Eine Eskalation in Fernost käme einem "Totalverlust des Engagements" in China gleich, sagte Brudermüller. In diesem Fall habe die Welt aber noch ganz andere Probleme.
In Russland hat BASF bereits schmerzhafte Erfahrungen gemacht: Im vergangenen Jahr fiel wegen Milliarden-Abschreibungen auf die Öl- und Gastochter Wintershall Dea ein Konzernverlust von 627 Millionen Euro an. Das war weit weniger als von BASF jüngst angekündigt. Da war das Unternehmen noch von einem Verlust von knapp 1,4 Milliarden Euro ausgegangen. Grund dafür seien geringere Abschreibungen auf Wintershall Dea. Die BASF-Tochter beklagt eine faktische Enteignung ihrer Beteiligungen in Russland und plant einen vollständigen Rückzug aus dem Land. 2021 hatte BASF noch rund 5,5 Milliarden Euro verdient.
Trotz eines Verlusts im vergangenen Jahr will BASF genauso viel Geld an die Aktionäre ausschütten wie für 2021. Geplant ist eine Dividende von 3,40 Euro je Aktie. Ein laufendes Aktienrückkaufprogramm hat BASF derweil vorzeitig gestoppt. Anstatt bis zu drei Milliarden Euro habe man 1,4 Milliarden Euro ausgegeben. Damit behält das Unternehmen mehr Geld in der Kasse für schwierige Zeiten.
Derweil hält BASF an dem Börsengang von Wintershall Dea fest. Einen neuen Zeitplan für diesen werde es aber nicht geben, sagte der Finanzchef. Die Trennung vom russischen Geschäft werde dauern. Wintershall Dea war 2019 aus der Fusion von Wintershall Holding und Dea hervorgegangen. BASF hält gut 70 Prozent an Wintershall Dea. Der Rest gehört der Beteiligungsgesellschaft LetterOne. Ursprünglich hatte BASF den Börsengang für das zweite Halbjahr 2020 geplant, ihn aber inzwischen mehrfach verschoben./mne/nas/ngu
Quelle: dpa-AFX