(neu: JPMorgan-Analyst in Absatz 5, Details zur Kursentwicklung in den Absätzen 4 und 7)
FRANKFURT (dpa-AFX) - Auch unter dem finanziellen Druck milliardenschwerer US-Rechtsstreitigkeiten streicht Bayer
Analyst Charlie Bentley vom Investmenthaus Jefferies hatte bereits im November angesichts der rechtlichen und operativen Schwierigkeiten darauf hingewiesen, dass die Dividende eigentlich gestrichen werden müsste, um die Bilanz in den Griff zu bekommen.
"Unsere Schulden zu senken und unsere Flexibilität zu steigern, gehört zu unseren Top-Prioritäten", sagte der Bayer-Vorstandsvorsitzende Bill Anderson laut Mitteilung. Dabei helfen solle die neue Ausschüttungspolitik, in die auch Anregungen von Investoren eingeflossen seien.
Der Bayer-Aktienkurs ging zwar noch mit einem Plus von gut einem Prozent aus dem Xetra-Hauptgeschäft, geriet im Späthandel aber unter Druck. Auf der Handelsplattform Tradegate kosteten die Papiere am Montagabend zuletzt 27,70 Euro und damit gut 4 Prozent weniger als zum Xetra-Schluss. Sollte sich die Entwicklung am Dienstag im Hauptgeschäft fortsetzen, droht ein Rutsch auf ein weiteres Tief seit 2005, unter 27,40 Euro wäre es soweit.
Auf Dividenden fokussierte Investoren dürften sich nun von Aktien trennen, ebenso Fonds, die in dividendenstarke Titel investieren. Insgesamt dürfte der Ausschüttungsschnitt angesichts der Verfassung des Unternehmens bei Investoren aber durchaus gut ankommen, schrieb Analyst Richard Vosser von der US-Bank JPMorgan in einer ersten Reaktion. Schließlich spare Bayer auf Sicht von drei Jahren rund 6 Milliarden Euro.
So ist Bayer aktuell in einer schwierigen Lage. Die Klagewelle in den USA wegen angeblicher Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter beschäftigt das Unternehmen seit Jahren und hat schon Milliarden verschlungen. Analysten sehen zudem große finanzielle Risiken durch PCB-Klagen in den USA, ein schon seit Jahrzehnten verbotenes Umweltgift.
Beides sind ein Erbe des 2018 für über 60 Milliarden US-Dollar übernommenen US-Agrarchemiekonzerns Monsanto, den der damalige Bayer-Chef Werner Baumann auch gegen den Widerstand nicht weniger Investoren durchgeboxt hatte. Der Konzern ist an der Börse nach dem jahrelangen Kursverfall per Montagsschluss aktuell nur noch 28,4 Milliarden Euro wert. So gingen die Papiere zu 28,90 Euro aus dem Montagshandel. Zum Vergleich: Vor der ersten Niederlage in einem US-Glyphosatprozess - diese hatte die Klagewelle erst so richtig in Gang gebracht - hatten die Aktien gut 93 Euro gekostet.
Erschwerend kommt hinzu, dass bisherige Medikamenten-Klassenschlager Bayer wegen nach und nach auslaufender Patente immer weniger Geld einbringen werden, ohne dass ähnlich lukrative Nachfolgepräparate in Sicht sind. Ende 2023 floppte dann eine wichtige Studie zu einem Mittel, das helfen sollte, die Lücke zu schließen.
Angesichts all dieser Probleme ist der Dividendeneinschnitt für den Jefferies Experten Bentley erst einmal nur eine kleine positive Nachricht. Der Barmittelabfluss werde dadurch deutlich reduziert, schrieb er in einer ersten Reaktion am Montag. Gleichwohl verdeutliche die Maßnahme auch das Ausmaß der finanziellen und operativen Probleme von Bayer. Es brauche weitere umfangreiche strategische Maßnahmen, um die Bilanz zu reparieren.
Eine solche - wohl auch im Konzern diskutierte Maßnahme - könnte der Verkauf eines Unternehmensteils sein, ganz oder anteilig. Laut Experten kommt dafür allerdings im aktuellen Umfeld wohl nur die Sparte Consumer Health rund um rezeptfreie Medikamente in Betracht.
Entsprechend gespannt blicken Analysten und Aktionäre daher auf Anfang März. Dann will der Bayer-Vorstandsvorsitzende Bill Anderson, der das Ruder erst im Juni 2023 übernommen hat, seine Pläne für die Zukunft der Leverkusener vorstellen./mis/bek/he/he
Quelle: dpa-AFX