(Neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Hintergrund, Analystin, Aktienkurs)
DÜSSELDORF (dpa-AFX) - In der Corona-Pandemie rechnet der Verpackungshersteller Gerresheimer
Die Papiere fielen im frühen Handel um bis zu 6,68 Prozent, berappelten sich dann aber und notierten zuletzt noch 2,64 Prozent im Minus. Händler sprachen in erster Linie von Gewinnmitnahmen durch Anleger, da der Kurs in den vergangenen Monaten stark gestiegen war. Allein seit dem Tief im März hatte sich der Wert der Papiere verdoppelt.
Gerresheimer ist ein Zulieferer für Pharmafirmen, die ihre Wirkstoffe in die sterilen Behältnisse füllen - ob in Asthmasprays, Insulin-Pens oder Impfstoff-Fläschchen. Die Pharmabranche arbeitet derzeit mit Hochdruck an der Entwicklung von Corona-Impfstoffen. Marktreif ist in Europa noch keiner, im Winter oder vielleicht erst im Frühjahr könnte sich das ändern. Wenn grünes Licht kommt für den Verkauf der Impfstoffe, wollen die Pharmafirmen vorbereitet sein - daher haben sie bereits beim Gerresheimer Injektionsfläschchen geordert.
Siemssen nannte einen Preis von vier bis fünf Cent pro Behältnis. Sollte Gerresheimer wie erwartet zwischen 700 und 1000 Millionen Injektionsfläschchen verkaufen, bekäme die Firma damit bis zu 50 Millionen Euro.
Die Gläschen sind unterschiedlich groß, sie können bis zu 18 Impfstoff-Dosen enthalten. "Wir sind im Gespräch mit allen namenhaften potenziellen Anbietern, die ersten Auslieferungen laufen jetzt an", sagte Siemssen. Noch in diesem Quartal wird zunächst ein Kunde in Europa und einer in den USA beliefert, später auch weitere Unternehmen. 2021 sollen die Auslieferungen Fahrt aufnehmen.
Selbst wenn eine Pharmafirma mit ihrer Impfstoffentwicklung scheitert und doch keine Behältnisse braucht, hätte das nach Darstellung von Siemssen keine Folgen für Gerresheimer: Da man alle großen Branchenvertreter im Kundenkreis habe, würden die freiwerdenden Fläschchen dann halt an ein anderes Unternehmen geschickt. "Der Bedarf ist da." Gefertigt werden die Injektionsfläschchen im Gerresheimer-Werk in Bünde in Ostwestfalen, das 2019 erweitert worden war - im Rückblick eine sehr gute Entscheidung, so Siemssen.
Derzeit beeinflusst die Coronakrise das börsennotierte Unternehmen mit fast 10 000 Mitarbeitern wirtschaftlich gesehen noch negativ. Denn die Nachfrage nach Parfumflakons, die das Düsseldorfer Unternehmen ebenfalls fertigt, sackte ab - viele Menschen gehen weniger aus und benutzen daheim keine Duftwässerchen. Zudem brach das wichtige Geschäft auf den Flughäfen für viele Kosmetikkonzerne zwischenzeitlich weg. Immerhin: Laut dem Finanzchef Bernd Metzner zieht die Flakonnachfrage wieder an. Der Umsatz soll hier im letzten Geschäftsquartal wieder das Vorjahresniveau erreichen.
Der Konzernumsatz sank im dritten Quartal allerdings erst einmal um rund 3 Prozent auf 349 Millionen Euro. Dabei spielten aber auch negative Währungseffekte eine Rolle. Alles in allem aber sei das Zahlenwerk weitgehend wie erwartet ausgefallen, schrieb Analystin Veronika Dubajova von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Dubajova verwies zudem auf die bekräftigten Geschäftsjahresprognosen.
Aber der Gewinn stieg von Juni bis August um rund ein Drittel auf 25 Millionen Euro, weil Produkte mit einer höheren Rendite gut liefen. Für das vierte Quartal ist Gerresheimer sehr zuversichtlich, auch weil die Nachfrage in der Kosmetikbranche wieder anzieht.
Der Vorstand erwartet weiterhin für das Geschäftsjahr 2020 (bis Ende November) ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich bei einer bereinigten Gewinnmarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda-Marge) von rund 21 Prozent. Auch in den Folgejahren sieht das Management nach wie vor ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich, wenn Wechselkursveränderungen sowie Zu- und Verkäufe ausgeklammert werden. Der Anteil des bereinigten operativen Ergebnisses, der vom Umsatz übrig bleibt, soll sich mittelfristig auf 23 Prozent erhöhen. Die Investitionen plant Gerresheimer weiter bei 8 bis 10 Prozent vom Umsatz ein.
Bei Anlegern gilt Gerresheimer als Gewinner der Virus-Krise. In diesem Jahr haben die Papiere rund 40 Prozent zugelegt, während der MDax seit Jahresbeginn mehr als 1 Prozent im Minus liegt. Zwischenzeitlich aber waren auch die Aktien der Düsseldorfer kräftig eingeknickt und bis auf fast 50 Euro gefallen. Dies war der tiefste Stand seit 2015. Seit Mitte März aber kennt der Kurs fast nur noch eine Richtung und hat sich seitdem in etwa verdoppelt. Das erst Anfang September erreichte Rekordhoch von gut 101 Euro ist damit nicht mehr allzu weit entfernt./wdw/mne/mis
Quelle: dpa-AFX