(neu: Aussagen Antlitz, Aktienkurs, weitere Analystenstimme)
WOLFSBURG (dpa-AFX) - Der Volkswagen-Konzern
Der Umsatz stieg im zweiten Quartal auch dank der Einbeziehung des zugekauften US-Truckherstellers Navistar um gut 3 Prozent auf 69,5 Milliarden Euro - trotz der um über ein Fünftel gesunkenen Fahrzeugauslieferungen des Konzerns. Das um Sonderkosten für die Dieselaffäre bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern fiel zwar um 28 Prozent auf 4,74 Milliarden Euro. Dabei wogen allerdings Bewertungseffekte vor allem für die Rohstoffabsicherung schwer - solche Geschäfte gehen Unternehmen ein, um Preisausschläge oder Mengeneinbrüche bei wichtigen Ressourcen abzufedern. Sie schlugen bei VW allein von April bis Juni mit 2,4 Milliarden Euro zu Buche, nachdem sie das operative Ergebnis im ersten Quartal noch deutlich aufgehübscht hatten. Ohne diese Belastung wäre das operative Ergebnis im Vergleich mit dem starken Vorquartal noch einmal gestiegen, hieß es vom Konzern.
Die VW-Vorzugsaktie legte am Mittag in der Dax-Spitzengruppe
Das operative Ergebnis im Quartal sei insgesamt höher ausgefallen als am Markt erwartet, schrieb Tom Narayan von der kanadischen Bank RBC. Treiber seien die für den Massenmarkt gebauten Marken VW, Skoda und Seat gewesen sowie die Nutzfahrzeuge und Porsche, so Narayan.
Finanzvorstand Arno Antlitz sagte, VW habe ungeachtet "beispielloser globaler Herausforderungen beachtliche finanzielle Robustheit bewiesen". Für die zweite Jahreshälfte geht er von einer Entspannung der Lieferketten-Probleme aus. In China habe schon gegen Ende des zweiten Quartals eine "spürbare Erholung" eingesetzt. Die Finanzprognose insgesamt bestätigte Antlitz, allerdings rechnet er bei der bereinigten operativen Marge nun mit dem oberen Ende der Spanne von 7 bis 8,5 Prozent. Der Konzern wird im Pkw-Bereich zuversichtlicher, bei den Nutzfahrzeugen hingegen dampfte das Management die Erwartungen an die Marge ein. Für die Finanzdienstleistungen hob Antlitz die Gewinnaussichten an.
"Allerdings lassen sich die konkreten Auswirkungen der Entwicklungen des Kriegs in der Ukraine oder der Covid-19-Pandemie (...) weiterhin noch nicht abschließend beurteilen", schränkte Volkswagen in seinem Ausblick ein. Zum Jahresbeginn hatten vor allem die besonders profitablen Oberklasse-Marken den Konzern durch die angeschlagene globale Autokonjunktur getragen. Das Betriebsergebnis von Audi verbesserte sich in der gesamten ersten Jahreshälfte von rund 3,3 auf 5,0 Milliarden Euro, bei Porsche von 2,7 auf 3,3 Milliarden Euro. Für die Kernmarke VW
Im ersten Halbjahr hat der Konzern trotz der Lieferprobleme bei Mikrochips und Corona-Einschränkungen in China unter dem Strich einen Gewinnsprung hinlegen können. Das Ergebnis nach Steuern stieg um etwas mehr als ein Viertel auf 10,6 Milliarden Euro. Das zweite Quartal, in dem erneute Lockdowns Produktion und Verkäufe auf dem wichtigsten Markt in Asien ausgebremst hatten, drückte für sich genommen unter dem Strich mit einem Gewinnrückgang um 22 Prozent aufs Geschäft. Der Absatz von Elektroautos zog aber an. Auch in Hannover, in Emden und im US-Werk Chattanooga wird nun die ID-Reihe gefertigt.
Die Gewinne will der Konzern in den Umbau zu mehr E-Mobilität, eigener Software und Dienstleistungen stecken. Weitere elektrische Modelle sollen folgen, und nach dem Baustart der Batteriezellfabrik in Salzgitter Anfang Juli treibt VW die Planungen für die nächsten Zellwerke voran. Der Rückkauf von Europcar soll außerdem genutzt werden, um das Netz der Mobilitätsdienste von Shuttle-Services über Carsharing bis hin zu Abo- und Mietangeboten auszubauen.
In der Entwicklung selbstprogrammierter IT-Systeme für künftige Autos hakte es zuletzt jedoch erheblich. Abstimmungsprobleme kosten viel Geld, verzögerten bereits geplante Modellanläufe und sollen mit zur Ablösung von Konzernchef Herbert Diess zum 1. September geführt haben. Im zweiten Quartal habe die zuständige Konzernsparte Cariad beim Ausrollen von Software-Updates für die Fahrzeugflotte "deutliche Fortschritte" gemacht, hieß es. Der Verlust im laufenden Geschäft verdoppelte sich aber nahezu auf 978 Millionen Euro.
Die genaue Aufteilung der Aufgaben an der Konzernspitze nach dem geplanten Ausscheiden von Diess ist laut Antlitz nicht im Detail geklärt. "Wir haben die Spezifika noch nicht ausgearbeitet. Aber meine Arbeit wird sich wahrscheinlich nicht sehr von dem unterscheiden, was ich heute tue", sagte er. Diess soll zum 1. September die Leitung des Vorstands an Porsche-Chef Oliver Blume abgeben - dieser führt auch die Stuttgarter Sportwagenmarke parallel weiter. In Wolfsburg soll Antlitz dann Blume im Tagesgeschäft unterstützen.
Details zum Zuschnitt der Funktionen werde es in einigen Wochen geben, spätestens im September, deutete der Finanzchef an. Im Kern sei Blumes Vertrag "50 zu 50" zwischen beiden Unternehmen aufgeteilt. Bei einigen Branchenexperten waren Zweifel lautgeworden, ob die Doppelrolle sinnvoll ist - zumal sich Blume mit Porsche-Finanzchef Lutz Meschke um den bis Jahresende geplanten Mega-Börsengang der Tochter kümmern muss.
Angesichts der hohen Inflation und anstehenden Tarifgesprächen wollte Antlitz die Erwartungen an hohe Lohnzuwächse dämpfen. "Die Mitarbeiter profitieren bereits von unseren guten operativen Ergebnissen. Dies sollte mit berücksichtigt werden", sagte er. Nach Antlitz' Einschätzung ist ein größerer Teil der Teuerung zudem kein dauerhaftes, sondern eher ein vorübergehendes Phänomen. Die Tarifbeschäftigten erhalten jährlich einen Bonus, der sich im Kern am Betriebsgewinn bei der Hauptsparte orientiert. Aus Sicht der IG Metall soll sich diese Entwicklung aber nicht allein im Bonus, sondern ebenso im regulären Tariflohn widerspiegeln./men/jap/zb/jha/
Quelle: dpa-AFX