(neu: Aussagen aus Analystenkonferenz, Aktienkurs aktualisiert)
WALLDORF (dpa-AFX) - Europas größter Softwarehersteller SAP
Am Markt kam das schlecht an, die Aktie verlor am Nachmittag 4,9 Prozent auf 86,25 Euro. Da half auch ein neuerliches Aktienrückkaufprogramm über bis zu 500 Millionen Euro kaum, mit dem SAP Papiere für die anteilsbasierte Vergütung erwerben will. Mit dem Abschwung vor allem von Tech-Werten in diesem Jahr war auch der SAP-Kurs unter Druck geraten, Anfang Januar war das Papier noch fast 125 Euro wert gewesen.
Dem unerwartet schwachen Lizenzgeschäft stehe ein starkes Abschneiden in der Cloud gegenüber, urteilte Goldman-Sachs-Analyst Mohammed Moawalla. Der stark wachsende Auftragsbestand für die Kernsoftware S4 Hana deute einen schnelleren Umstieg der Kunden in diesem Bereich an. Er blieb jedoch skeptisch, ob der Ausblick auf das operative Ergebnis nun völlig risikofrei ist.
Währungsbereinigt dürfte das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern dieses Jahr nun gegenüber dem Vorjahr um vier bis acht Prozent fallen, hieß es vom Konzern. Firmenlenker Christian Klein und Finanzchef Luka Mucic hatten zuvor noch ein stagnierendes oder um bis zu fünf Prozent fallendes Betriebsergebnis angepeilt. Grund für die schwächeren Aussichten seien einerseits Kosten für die Einstellung der Geschäfte in Russland und Belarus, aber auch ein womöglich weiterhin deutlicher Rückgang bei den Softwarelizenzverkäufen. Auch die Steuerquote dürfte dieses Jahr höher liegen als zuvor gedacht.
Beim Umsatz und dem freien Barmittelzufluss bleibt SAP bei den bisherigen Annahmen für 2022. Im Tagesgeschäft läuft es nach Angaben des Managements rund, die Cloudsoftware zur Nutzung über das Netz wuchs deutlich. Der Umsatz insgesamt legte auch dank der Euroschwäche um 13 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro zu. Die Clouderlöse zogen dabei um ein gutes Drittel an.
Klein und Mucic führten das in einer Telefonkonferenz auf den Erfolg des Produktbündels "Rise" zum schnelleren Umstieg der Kunden in die Cloud zurück. Für die Mittelfristambitionen 2025, die ein Wachstum des jährlichen Cloudumsatzes auf über 22 Milliarden Euro vorsehen (2021: 9,4 Mrd), stellte Mucic in den kommenden Quartalen ein "positives Update" in Aussicht. Dabei dürfte laut dem Finanzchef auch die vorteilhafte Wechselkursentwicklung eine Rolle spielen - den Mittelfristausblick gibt SAP inklusive Währungseinflüssen an. Laut Klein liegt der Konzern bei der Umstellung der Kunden auf die Cloud auch über den eigenen Plänen. Der Vorstandschef kündigte an, auch beim Ergebnisziel für 2025 sei mit einer Erhöhung zu rechnen.
Klein hat im Herbst 2020 in einem für Anleger sehr schmerzhaften Ruck die Anstrengungen von SAP in Richtung Cloud deutlich forciert. Dafür opfert das Unternehmen Rendite, denn die herkömmliche Lizenzsoftware ist zu Anfang dank ihrer hohen Einmalverkaufspreise profitabler - Cloudverträge rechnen sich erst nach längerer Laufzeit über die Abo-Beträge. Weil für den Strategieschwenk auch die Technik umgebaut wird und der Vertrieb für den Verkauf von Cloudprodukten gestärkt wurde, kostet das Geld. Über die vergangenen zwölf Monate habe SAP allein in Vertrieb und Marketing rund 3800 Stellen aufgebaut, sagte Mucic. Nun will der Konzern bei Einstellungen deutlich zurückhaltender agieren.
Die Investitionen in die Cloud-Technik betrugen im zweiten Quartal rund 100 Millionen Euro, wie Mucic erläuterte. Und sie werden noch bis Mitte 2023 hoch bleiben. Im Gesamtjahr 2023 soll das bereinigte operative Ergebnis dann bereits im zweistelligen Prozentbereich wachsen, wie Mucic bestätigte. Im dritten Quartal dieses Jahres sei noch mit einem Rückgang zu rechnen, danach gehe es wieder aufwärts.
Bis dato steckt das Unternehmen also noch in der Talsohle. Das bereinigte operative Ergebnis ging im zweiten Quartal um 13 Prozent auf 1,68 Milliarden Euro zurück und fiel damit schwächer aus als von Experten im Schnitt gedacht. Die Aufgabe von Geschäften in Russland und Belarus fiel dabei mit 160 Millionen Euro ins Gewicht, nicht zuletzt wegen der Aufwertung des russischen Rubels. Aufs Jahr gesehen dürften wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine rund 350 Millionen Euro Kosten anfallen und damit im zweiten Halbjahr noch einmal zusätzliche 120 Millionen Euro.
In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage griffen die Kunden vorwiegend auf Cloudsoftware zurück, was zwar der Marschrichtung von Klein zugutekommt, aber eben auch die Margen belastet.
Auch unter dem Strich macht sich die wirtschaftliche Lage bemerkbar, der Nettogewinn sackte um 86 Prozent auf 203 Millionen Euro ab. Nicht nur der Aktienkurs von SAP, insbesondere auch die Marktbewertung von kleineren Tech-Start-ups hat in den ersten Jahresmonaten deutlich gelitten. SAP investiert mit seiner Beteiligung am Risikokapitalgeber Sapphire Ventures in solche Unternehmen. Vor einem Jahr hatte das noch durch Wertsteigerungen der Hoffnungsfirmen kräftig Gewinn gebracht, diesmal war der Saldo negativ.
Immerhin spielt derzeit der schwache Euro den Walldorfern in die Karten. Während SAP zwar den Jahresausblick ohne Wechselkurseffekte angibt, rechnet das Unternehmen durch die nun vorteilhaftere Umrechnung von Fremdwährungen in Euro mit Rückenwind bei den berichteten Zahlen. Das Wachstum der Clouderlöse dürfte 2022 dadurch noch einmal sieben bis neun Prozentpunkte höher ausfallen, die Veränderung des bereinigten Betriebsergebnisses wird um 2,5 bis 4,5 Prozentpunkte aufgebessert./men/tav/he
Quelle: dpa-AFX