(neu: Aussagen aus Gespräch mit Vorstandschef, Kurs und Analysten.)
BERLIN (dpa-AFX) - Der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1
Die Auto1-Aktie notierte am Mittwoch nach einem schon starken Vortag zuletzt 3,4 Prozent höher bei 51,98 Euro. Der Handel mit Privatkunden wachse noch schneller als bereits veranschlagt, konstatierte Analyst David Amira von der Bank of America. Die Umsatzprognose sei komfortabel und biete sowohl Puffer nach unten wegen Lockdown-Risiken als auch Luft nach oben bei einer Erholung.
Das Papier war Anfang Februar zu 38 Euro an die Börse gebracht worden und aus dem Stand auf das Niveau um die 50 Euro gestiegen - teils sogar noch spürbar höher. Derzeit ist das erst 2012 gegründete Unternehmen an der Börse rund 10,8 Milliarden Euro wert. Auch mit einem Streubesitzanteil von 44 Prozent ist Auto1 so ein Kandidat für den Mittelwerteindex MDax
Im Corona-Jahr 2020 schmolz der Umsatz um fast ein Fünftel auf 2,8 Milliarden Euro. Die Zahl der verkauften Autos ging insbesondere wegen eines schwachen zweiten Quartals im Gesamtjahr um ein Viertel auf gut 457 000 Wagen zurück. Das Schlussquartal gab jedoch Hoffnung. "Das vierte Quartal hat erneut gezeigt, dass wir sehr gut aufgestellt sind, es ist ein widerstandsfähiges Geschäft", sagte Auto1-Chef Bertermann der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.
2021 soll der Erlös nun auf 3,8 bis 4,2 Milliarden Euro anziehen. Bereits am Vortag hatten die Berliner angekündigt, dieses Jahr mit einem stärkeren Wachstum im Gebrauchtwagenverkauf direkt an Endkunden zu rechnen als bisher gedacht. In diesem Bereich will das Unternehmen dieses Jahr 32 000 bis 38 000 Autos verkaufen statt wie bisher in Aussicht gestellt nur mehr als 29 000.
"Die Pandemie gibt unserem Endkundengeschäft sicher noch zusätzlichen Schub, aber meiner Meinung nach ist es nur ein relativ kleiner Treiber", sagte Bertermann. Stationäre Autohändler in Europa hätten schließlich im Schnitt derzeit ja auch geöffnet.
Auto1 steht beim Verkauf an den Endkunden ohnehin noch fast am Anfang, zum Vergleich: Im Großhandel mit den Händlern erwartet das Unternehmen, dieses Jahr zwischen 560 000 und 600 000 Fahrzeugen zu verkaufen. Hier sieht sich Auto1 als Marktführer in Europa.
Das Management um Bertermann investiert aber viel Geld in Aufbau und Marketing seines Endkundenportals Autohero und will in den kommenden Jahren auch im Direktverkauf ein großer Player werden. Langfristig rechnet das Unternehmen mit 2 bis 2,5 Millionen verkauften Autos pro Jahr - davon rund 30 Prozent über Autohero.
Jährlich will Auto1 bis 2023 rund 110 Millionen Euro in das Geschäft stecken, um es anzukurbeln. "Wir fühlen uns wohl mit der Projektion, die wir gegeben haben, aber es ist ein junges und stark wachsendes Geschäft. Daher kann es auch sein, dass wir hier und da nochmal nachjustieren", sagte Bertermann zu den geplanten Investitionen.
Hinter den Wachstumsplänen steckt, dass sich Auto1 im Direktverkauf an die Kunden einen Bruttogewinn von über 1000 Euro pro Fahrzeug ausrechnet, im Großhandel aber derzeit nur rund 650 Euro einkalkuliert. Die Gebrauchtwagen ihrerseits kommen entweder von Händlern oder über die Online-Ankaufplattform wirkaufendeinauto, auf der Privatleute ihr Auto verkaufen können und die es auch in vielen anderen europäischen Ländern gibt.
"Im Händlergeschäft verkaufen wir 75 Prozent unserer Ware innerhalb von sieben Tagen wieder", sagte Bertermann. Bei Autohero will das Unternehmen künftig seine Größe als Online- und Softwareunternehmen ausspielen. "Im Endkundengeschäft haben wir vielleicht noch etwas längere Standzeiten als der Markt, sehen aber in Zukunft einen Technologievorteil aufgrund der Fülle unserer Daten", so der Mitgründer.
Wegen der hohen Investitionen ins Privatkundensegment wird im laufenden Geschäft auch weiter mit einem Verlust gerechnet. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen soll die um Sondereffekte bereinigte Gewinnmarge des Konzerns 2021 zwischen minus 2,5 und minus 2 Prozent liegen und damit schwächer ausfallen als im Vorjahr mit minus 0,5 Prozent.
Unter dem Strich vergrößerte sich im vergangenen Jahr der Verlust von 121,3 auf 143,6 Millionen Euro. Eckdaten zu Umsatz und operativem Geschäft hatte Auto1 bereits rund um den Börsengang mitgeteilt.
Ebenfalls bereits am Vortag teilte das Unternehmen mit, neue Aktien im Umfang von 2,2 Prozent des Grundkapitals auszugeben, um ein Beteiligungsprogramm für Bertermann und Aufsichtsratsmiglied Hakan Koç teilweise abwickeln zu können. Mit zusammen rund 26 Prozent halten die beiden Unternehmensgründer Bertermann und Koç nach wie vor den größten Anteil der Aktien.
Knapp 17 Prozent liegen bei dem japanischen Technologieinvestor Softbank
Quelle: dpa-AFX