(Neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Aktienkurs, Analysten)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Chemikalienhändler Brenntag
Nach anfänglich leichten Kursgewinnen drehte die Aktie ins Minus und verlor zuletzt rund 1,3 Prozent auf 63 Euro. Seit dem Jahreswechsel hat das Unternehmen fast ein Viertel an Börsenwert eingebüßt. Analyst Christian Cohrs vom Analysehaus Warburg Research zufolge verbessere der Chemikalienhändler die Ergebnisse kontinuierlich. Der Anpassungsbedarf bei den Konsensschätzungen sei angesichts des gesenkten Ausblicks zudem überschaubar. Nach Einschätzung von Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan wurde die Kappung des Gewinnziels weitgehend erwartet.
2024 dürfte der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen (operatives Ebita) auf 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro fallen, wie das Dax
Brenntag leidet unter einer schwächeren Nachfrage. Das sorgte schon 2023 für einen deutlichen Umsatz- und Ergebnisrückgang. Im zweiten Quartal 2024 schrumpfte der Umsatz im Jahresvergleich um 1,9 Prozent auf knapp 4,2 Milliarden Euro, wie der Dax-Konzern am Dienstag in Essen mitteilte. Das operative Ergebnis (bereinigtes Ebita) rutschte um gut ein Zehntel auf 297 Millionen Euro ab.
Dabei habe das operative Ergebnis sowohl seine als auch die Konsensschätzung leicht übertroffen, schrieb Analyst Chris Counihan vom Analysehaus Jefferies. Auf Ebene der einzelnen Sparten habe zwar der Bereich Essentials die Erwartungen übertroffen, doch Specialties habe enttäuscht.
Unter dem Strich blieb im zweiten Quartal ein auf die Aktionäre entfallender Gewinn von 149,1 Millionen Euro nach 186,9 Millionen Euro vor einem Jahr.
Nun will das Unternehmen noch einmal seinen Sparkurs verschärfen. Finanzchefin Kristin Neumann will dafür Ausgaben verschieben sowie Investitionen in IT und digitale Transformation über einen längeren Zeitraum strecken. Dazu zähle auch, das globale Standortnetzwerk zu optimieren. "Wir sehen aber auch, dass wir kurzfristig mehr machen müssen", sagte sie in einer Telefonkonferenz. Die Geschäfte entwickelten sich momentan nicht so, wie es sich das Management eigentlich vorgestellt hatte.
Um die Kosten zu senken, hatte der Vorstand im vergangenen Sommer bereits Maßnahmen eingeleitet. Dazu zählten 23 Standortschließungen und der Abbau von Arbeitsplätzen. Brenntag habe im laufenden Jahr außerdem weitere 10 Standorte geschlossen, erläuterte Kohlpaintner in einer Telefonkonferenz. Weitere Schließungen seien im Gang oder in der Vorbereitungsphase. Deutschland sei davon nicht betroffen.
Weltweit hat Brenntag laut dem Unternehmenschef momentan mehr als 600 Standorte. Insgesamt will der Konzern bis 2027 auf Jahressicht 300 Millionen Euro einsparen. Die Einmalkosten hatte das Unternehmen auf 250 Millionen Euro beziffert.
Derweil treibt der Konzern die Entflechtung seiner beiden Sparten voran. Die Geschäfte mit Prozesschemikalien (Essentials) sowie mit Spezialchemikalien für bestimmte Branchen (Specialties) sollen bis 2026 eigenständig aufgestellt werden. Brenntag erwartet so deutliche Effizienzsteigerungen und Einsparungen bei den Verwaltungskosten, den Ausgaben sowie in der Lieferkette.
Insbesondere das Spezialchemie-Geschäft soll sich so besser entwickeln. Der Bereich liegt Kohlpaintner zufolge hinter den Wettbewerbern zurück, diese Lücke soll geschlossen werden. Danach will das Management verschiedene strategische Optionen prüfen. Ob es zu einer Aufspaltung kommt, ist offen.
Aktivistische Investoren, in deren Visier der Chemikalienhändler geraten ist, hatten auf eine Aufspaltung in die beiden Bereiche für Spezial- und Basischemikalien gedrängt. Dabei machte vor allem der britische Finanzinvestor Primestone auf sich aufmerksam. Primestone sowie der US-Hedgefonds Engine Capital erhoffen sich dadurch eine schnelle Wertsteigerung.
Brenntag handelt international mit Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen. Das Unternehmen kauft die Stoffe bei Chemiekonzernen in größeren Mengen ein und verkauft sie in kleineren Mengen. In den vergangenen Jahren ist Brenntag durch zahlreiche kleinere Übernahmen gewachsen.
Konjunkturabschwünge treffen das Unternehmen in der Regel weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann weniger Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen. Zuletzt beschäftigte Brenntag knapp 18.000 Mitarbeiter./mne/lew/mis
Quelle: dpa-AFX