(Neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Analysten, Aktienkurs)
ESSEN (dpa-AFX) - Eine hohe Nachfrage und der Sparkurs treiben den Chemikalienhändler Brenntag
Die Aktien legten am Mittag in einem insgesamt erholten Gesamtmarkt um 4,9 Prozent zu. Wenngleich das vierte Quartal auf bereinigter Basis besser als gedacht ausgefallen sei, nähmen die hohen Rückstellungen der Sache doch etwas von ihrem Glanz, kommentierte Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan. Das Geschäftsumfeld scheine im ersten Quartal weiterhin gut zu sein, wenngleich sich die günstigen Preisbedingungen im Laufe des Jahres etwas normalisieren dürften.
Analyst Markus Mayer von der Baader Bank attestierte Brenntag unter dem Strich einen geringer als erwarteten Gewinn. Am Markt sollte jedoch die unverhofft starke Prognose gut ankommen, auch sei das Umbauprogramm des Chemikalienhändlers dem Zeitplan voraus, glaubt Mayer.
Für 2022 peilt das Management einen Anstieg des um Sondereffekte bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) auf 1,45 bis 1,55 Milliarden Euro an, was mehr ist als von Analysten im Durchschnitt erwartet. Dazu sollen neben dem Konzernumbau und Sparprogramm auch Zukäufe beitragen. Allerdings sind mögliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft durch außergewöhnliche Faktoren wie die Corona-Pandemie, aktuelle geopolitische Entwicklungen, Druck auf die globalen Lieferketten, inflationäre Tendenzen und Preisvolatilität dabei ausgeklammert.
Unter dessen will sich Brenntag wegen des Konflikts mit der Ukraine aus Russland und Belarus zurückziehen. "Der Vorstand der Brenntag SE verurteilt den Einmarsch Russlands in die Ukraine und den anhaltenden Krieg in der Ukraine aufs Schärfste", sagte Unternehmenschef Kohlpaintner in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Der Vorstand habe beschlossen, alle Importe nach und Exporte aus Russland und Belarus auszusetzen. Zudem habe das Management entschieden, die Geschäfte aller Brenntag-Gesellschaften in Russland und Belarus ebenfalls einzustellen.
Die Beschlüsse seien ab sofort und bis auf Weiteres gültig und würden koordiniert umgesetzt. "Wir werden die Situation und die Entwicklungen in der Region sowie die internationalen Maßnahmen weiterhin sehr genau beobachten", sagte der Manager. Auf dieser Grundlage werde regelmäßig eine Risikobewertung durchgeführt, um bei Bedarf weitere Maßnahmen ergreifen zu können. Das Geschäft in der Ukraine ruhe seit Kriegsbeginn. Russland, Belarus und Ukraine zusammen tragen laut Kohlpaintner weniger als ein Prozent zum Konzernumsatz bei. Insgesamt seien in den drei Ländern etwas mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt, davon etwa 30 in der Ukraine.
2021 profitierte Brenntag von einer guten Nachfrage. Der Umsatz kletterte im Jahresvergleich um mehr als ein Fünftel auf knapp 14,4 Milliarden Euro, wie das im Dax
Um profitabler zu werden, hatte der seit Anfang 2020 amtierende Unternehmenschef Kohlpaintner dem Unternehmen eine Restrukturierung verordnet. Prozesse, Abläufe und Strukturen sollten verbessert werden. Auch ungefähr 1300 Stellen will das Unternehmen bis Ende 2022 streichen. Davon seien 925 schon abgebaut, teilte Brenntag mit.
Auch wurden von den rund 100 geplanten Standortschließungen schon 72 vollzogen. Seit dem Start hätten die Maßnahmen rund 120 Millionen Euro zusätzliches operatives Ebitda generiert, das bis Ende 2023 auf 220 Millionen Euro jährlich ansteigen soll, hieß es weiter. Brenntag beschäftigt mehr als 17 000 Mitarbeiter und betreibt ein Netzwerk aus rund 700 Standorten in 78 Ländern. Größter Konkurrent ist die US-Firma Univar.
Unter dem Strich blieb 2021 ein auf die Aktionäre entfallender Gewinn von 448,3 Millionen Euro nach 466,5 Millionen Euro im Vorjahr. Den Rückgang begründete Brenntag mit Steuerzahlungen und Rückstellungen. Die Dividende soll um 10 Cent auf 1,45 Euro je Aktie steigen.
Brenntag ist ein international tätiger Händler von Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen, der seine mehr als 10 000 Produkte bei den Chemiekonzernen in größeren Mengen einkauft, diese lagert und sie dann in kleineren Mengen verkauft. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen über kleinere Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen Brenntag in der Regel weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann geringere Mengen an Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen./mne/lew/mis
Quelle: dpa-AFX