FREISING (dpa-AFX) - Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas könnte nach Einschätzung der Ökostrombranche durch einen schnellen Ausbau von Biogasanlagen stark verringert werden. Bis 2030 könnten in Europa 35 Milliarden Kubikmeter "grünes Gas" zusätzlich produziert werden, sagte am Montag Harmen Dekker, der Vorsitzende des europäischen Biogasverbands - ein Ziel, das sich die EU-Kommission bereits zu eigen gemacht hat.
"Das sind bereits zwei Drittel (der Kapazität) der Nordstream II", sagte Dekker bei einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz des im bayerischen Freising ansässigen Fachverbands Biogas mit dem Bundesverband Erneuerbare Energien. Bis 2050 könnte Biogas 30 bis 50 Prozent des Gasbedarfs in der EU decken, betonte Dekker.
Die meisten deutschen Biogas-Anlagen stehen in Bayern und Niedersachsen, der Ausbau stagniert aber seit Jahren. Ein Grund sind die hohen Kosten der Stromerzeugung aus Pflanzenresten oder Gülle. Außerdem hat die Biogasbranche mit Kritik zu kämpfen, dass die Anbauflächen für Mais und andere Energiepflanzen der Lebensmittelproduktion fehlen.
Auch der Bundesverband erneuerbare Energien (BEE), in dem alle Sparten der Ökostromerzeugung vertreten sind, fordert jedoch einen kräftigen Ausbau: "Für den Erfolg der Energiewende ist die Bioenergie unverzichtbar", sagte die BEE-Vorsitzende Simone Peter, ehemalige Parteichefin der Grünen.
Unter dem Oberbegriff "Biogas" werden verschiedene Arten von Anlagen zur Erzeugung von Strom, Wärme, Gas oder Treibstoff zusammengefasst. Die Ökostrombranche hebt als einen großen Vorteil hervor, dass Biogasanlagen anders als Windräder und Solaranlagen unabhängig vom Wetter sind.
Im Erneuerbare-Energien-Gesetz sind die staatlichen Subventionen für Biogasanlagen seit einigen Jahren gedeckelt. "Das ist nicht zeitgemäß", sagte Horst Seide, der Präsident des Fachverbands Biogas. Mit einem Ende der Deckelung könnten nach den Worten des Verbandschefs sofort fünf Prozent der russischen Gasimporte ersetzt werden./cho/DP/stw
Quelle: dpa-AFX