MONTE CARLO (dpa-AFX) - Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re
Beim traditionellen "Rendez-Vous de Septembre" loten Rückversicherer wie Munich Re, Swiss Re
In den vorangegangenen Erneuerungsrunden hatten die Rückversicherer bei ihren Kunden schon deutlich an der Preisschraube gedreht. Sprich: Will ein Erstversicherer Risiken auf einen Rückversicherer übertragen, muss er dafür deutlich mehr bezahlen als noch vor wenigen Jahren. Die Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch haben auch deshalb ihre Ausblicke für die Rückversicherungsbranche angehoben. Die Margen in deren Geschäft hätten sich verbessert, und die Unternehmen könnten zudem von den gestiegenen Zinsen am Markt profitieren.
Ob die Rückversicherer den Bogen bei ihrer Preispolitik überspannt haben, darüber gehen die Ansichten auseinander. So hat die Ratingagentur Moody's auf Basis einer Umfrage berichtet, dass neun von zehn Erstversicherern 2024 keine zusätzlichen Risiken mehr bei Rückversicherern abladen wollten. Die meisten von ihnen hätten als Grund die gestiegenen Preise genannt.
Weil die Versicherungsschäden allein schon wegen der Inflation teurer werden, dürften Erstversicherer einen größeren Teil der künftigen Schäden auf die eigene Kappe nehmen, schlussfolgert Moody's-Analystin Helena Kingsley-Tomkins. Zwar berichten einige Erstversicherer davon, dass sie ihre Risiken nicht bei Rückversicherern hätten unterbringen können. Die Experten der Ratingagentur Fitch halten diese Knappheit aber inzwischen für behoben: "Man kann seine Risiken rückversichern, wenn man bereit ist, den entsprechenden Preis zu bezahlen", sagte Fitch-Analyst Robert Mazzuoli in Monte Carlo.
So rechnet Munich Re in den Jahren 2023 bis 2025 erneut mit einem leichten Wachstum des Rückversicherungsmarkts - auch nach Abzug der Inflation. Allerdings dürften die Zuwächse nach ihrer Einschätzung geringer ausfallen als in den drei Jahren zuvor.
Auch die Ratingagentur Standard & Poor's geht davon aus, dass die wachsenden Risiken den Bedarf an Rückversicherungsdeckungen weiter steigen lassen. Nach Einschätzung von Fitch dürfte sich der Preisanstieg 2024 jedoch abschwächen - und dann ein Ende finden. Fitch-Analyst Brian Schneider geht für 2025 sogar von leichten Preisrückgängen aus. Obwohl Munich Re weitere Preiserhöhungen nicht in den Fokus stellt, verweist sie auf die zunehmenden Schäden durch Naturkatastrophen und andere Wetterereignisse.
Im ersten Halbjahr hinterließen Naturkatastrophen laut dem Unternehmen wirtschaftliche Schäden von rund 110 Milliarden Dollar - davon seien 43 Milliarden versichert gewesen. Im Gesamtjahr dürften die versicherten Naturkatastrophen-Schäden daher wie im Vorjahr die Marke von 100 Milliarden überschreiten, schätzt Vorstandsmitglied Golling. Damit lägen sie erneut über dem Mittel der Jahre 2017 bis 2021. Im Jahr 2022 waren sie mit 120 Milliarden Dollar noch höher ausgefallen. Die Hälfte davon entfiel allein auf die Zerstörungen durch Hurrikan "Ian".
In laufenden Jahr kommen im dritten Quartal noch die Waldbrände in Hawaii und Südeuropa sowie die Überschwemmungen in Slowenien und Österreich dazu. Und die Hurrikan-Saison in der Karibik ist noch nicht vorüber: Derzeit bedroht Hurrikan "Lee" die Inseln in der Karibik.
Unterdessen machen Versicherern und Rückversicherern verstärkt kleinere Naturereignisse zu schaffen, die es einzeln nicht auf die Liste großer Naturkatastrophen schaffen würden. Allein im ersten Halbjahr hätten schwere Gewitter mit Tornados und Hagel in den USA Schäden von 35 Milliarden US-Dollar angerichtet, sagte Munich-Re-Vorstand Blunck. Davon seien 25 Milliarden versichert gewesen - eine Summe wie bei einem starken Hurrikan.
Unterdessen warnen Munich-Re-Führung und Experten davor, die Auswirkungen der Inflation auf die Höhe der Versicherungsschäden zu unterschätzen. S&P-Analyst Johannes Bender erwartet zwar, dass die Rückversicherer für 2024 erneut höhere Prämien durchsetzen können. "Aber wir sind uns nicht sicher, ob die Preiserhöhungen ausreichen, um die Inflation auszugleichen", sagte er in Monte Carlo.
Den großen Wachstumsmarkt sehen Munich Re wie auch die Ratingagenturen in der Cyberversicherung gegen Schäden rund um Computersysteme, Daten und Internet. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich die volkswirtschaftlichen Schäden durch Cyber-Attacken im Vergleich zum vergangenen Jahr bis 2027 auf etwa 24 Billionen US-Dollar verdreifachen werden. Die Prämien in der Cyber-Versicherung dürften sich branchenweit bis dahin auf 33 Milliarden Dollar verzweieinhalbfachen, schätzt der Vorstand.
Laut Standard & Poor's verdienen bisher jedoch nur Erstversicherer im Cybergeschäft Geld. Die Rückversicherer müssten daher die Prämien erhöhen und damit einen Teil der Gewinne der Erstversicherer abschöpfen, schrieben die Analysten./stw/he
Quelle: dpa-AFX