FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Logistikkonzern Kion
WAS IST LOS BEI KION:
Mit dem Wechsel an der Führungsspitze ist bei Kion eine neue Zeit angebrochen. Nicht nur, weil der neue Chef Rob Smith scheinbar lieber Kaffee statt Tee im Vergleich zu seinem Vorgänger Gordon Riske trinkt, wenn man dem animierten Film auf der Kion-Webseite glaubt. Vielmehr soll Smith den einstigen Gabelstapler-Hersteller durch das Vorantreiben des Geschäfts mit Automatisierung und Digitalisierung von Logistiksystemen in die Zukunft führen.
Einer der entscheidenden Schritte dafür wurde bei Kion vermutlich schon 2016 mit der Übernahme von Dematic gemacht, einem Anbieter für Lieferketten-Optimierung und Lagersoftware. Damit wurde das bestehende Kion-Angebot von Flurförderzeugen um ein zweites Segment ergänzt. Ein Schritt, der dem Konzern mit Sitz in Frankfurt jetzt auch hilft, sich von der Corona-Krise zu erholen. Denn nach wie vor macht das Geschäft mit Flurförderzeugen, wie Gabelstaplern, fast zwei Drittel der Umsätze aus. Aber das war während der Pandemie erheblich belastet.
Und das konnten die zweistelligen Wachstumsraten mit den automatisierten Lagersystemen bislang auch nur zum Teil ausgleichen. Aber die Zeichen stehen weiter auf Erholung, denn die globalen Lieferketten-Probleme führten weltweit zu umfangreichen Investitionen in Lager- und Logistikflächen. In den ersten neun Monaten 2021 übertraf der Auftragseingang bei Kion mit 9 Milliarden Euro die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten. Unter dem Strich verdiente der Konzern fast 431 Millionen Euro nach knapp 133 Millionen ein Jahr zuvor.
Der Wachstumskurs werde "nahtlos fortgesetzt", hieß es von Aufsichtsratschef Michael Macht zur Bekanntgabe des Chefwechsels. Riske hatte den Chefposten 2007 übernommen, kurz nachdem die damalige Linde AG ihr Staplergeschäft mit den Marken Linde, Still und OM unter dem Dach der neuen Kion Group ausgegründet hatte. Unter Riske wurde 2012 mit dem chinesischen Unternehmen Weichai Power ein wichtiger Ankerinvestor gefunden, ein Jahr später ging es für Kion an die Börse.
Doch Smiths größere Aufgabe wird es wohl sein, nicht nur Riskes Werk fortzuführen. Sondern vor allem, dem Konzern seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Ob und wie dem in Deutschland eingebürgerten US-Amerikaner das gelingt, muss sich zeigen. In seiner letzten Station als Chef des börsennotierten finnischen Konzerns Konecranes war er nur knapp zwei Jahre.
WAS MACHT DIE AKTIE:
Kions Erholungskurs lässt sich auch an der Entwicklung der Aktie ablesen. Seit dem Einbruch wegen der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 klettert sie kräftig nach oben, hat sich im Wert ausgehend von einem Tief bei knapp 33 Euro fast verdreifacht.
Im vergangenen Sommer war die Rally zwar etwas ins Stocken geraten. Der Kurs stagnierte von Anfang Juni bis Anfang September rund um 90 Euro. Anfang Oktober sackte er auf unter 80 Euro ab. Aber die Zahlen zum dritten Quartal Mitte Oktober haben dem MDax-Wert dann nochmal einen kräftigen Schub gegeben, der in einem Hoch bei 103,70 Euro Mitte November seinen Höhepunkt fand.
Damit hat die Kion-Aktie zwar nicht ganz so gut abgeschnitten wie der Konkurrent Jungheinrich
Außerdem ist Jungheinrich mit einer Marktkapitalisierung von derzeit 4,3 Milliarden Euro deutlich weniger wert. Kion bringt rund 12 Milliarden Euro auf die Waage. Größter Anteilseigner ist laut Kion-Webseite Weichai Power mit 45,2 Prozent.
WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:
Den Optimismus der Anleger teilen auch die Analysten. Das durchschnittliche Kursziel der seit den Zahlen zum dritten Quartal von dpa-AFX erfassten 16 Experten liegt bei fast 109 Euro und damit 17 Prozent über dem aktuellen Kurs. Die meisten von ihnen empfehlen die Kion-Aktie zum Kauf: Nur vier sind neutral eingestellt, einer rät zum Verkaufen der Aktie, alle anderen haben sich positiv geäußert.
Für Debashis Chand von der französische Bank Societe Generale ist es an der Zeit, die Aktie neu zu betrachten. Das Unternehmen sei am Markt für Lagerautomatisierung attraktiv positioniert und die Aktien obendrein attraktiv bewertet, betonte der Analyst. Auf dem aktuellen Kursniveau sei zudem das Wachstumspotenzial der Sparte "Supply Chain Solutions" (SCS) rund um Lieferkettenlösungen nicht ausreichend eingepreist.
Und Jorge Gonzalez Sadornil von der Privatbank Hauck & Aufhäuser kürte gar Kion zum besten Branchentitel. Die Führungsposition in der Automation ermögliche dem Unternehmen mittel- bis langfristig gute Wachstumsaussichten. Kion profitiere von Megatrends wie dem Onlinehandel und demografischen Veränderungen.
Auf kurze Sicht gibt es aber auch kritische Stimmen: Akash Gupta von der US-Bank JPMorgan verwies dabei auf zuletzt pessimistischere Äußerungen des Managements zur Komponenten-Knappheit. Der bisherige Unternehmenschef Riske hatte wegen der gestiegenen Rohstoffpreise in den vergangenen Monaten mit höheren Materialkosten gerechnet. Der Materialmangel bringe "große Herausforderungen" mit sich.
Dennoch hält das Kion-Management an der im Juli erhöhten Prognose fest. Demnach soll der Umsatz bei 9,7 bis 10,3 Milliarden Euro liegen. Der bereinigte operative Gewinn soll 810 bis 890 Millionen Euro erreichen. JP-Morgan-Analyst Gupta kürzte hingegen seine Margen- und Gewinnschätzungen für die Jahre 2021 und 2022.
Sein Kollege Hans-Joachim Heimbürger von der Investmentbank Kepler Cheuvreux versuchte es zu relativieren: Er sei trotz aller Herausforderungen zuversichtlich, was das Jahr 2022 für den Gabelstapler-Hersteller angeht. Unter anderem verwies er auf die solide Preisfestlegungsmacht angesichts einer hohen Inflation./lew/jcf/jha/
Quelle: dpa-AFX