BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat die AfD als "Partei Russlands" bezeichnet. Er reagierte damit am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag auf eine Frage des AfD-Abgeordneten Steffen Kotré, der die Sanktionen gegen Russland als "nutzlos" bezeichnet und eine Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland gefordert hatte.
Scholz kommentierte das mit den Worten: "Ich halte fest: Die AfD ist nicht nur eine rechtspopulistische Partei, sondern auch die Partei Russlands." Scholz bekräftigte, dass Deutschland sich auf den Verzicht auf russisches Öl und Gas vorbereite und dafür auch die notwendige Infrastruktur errichte. "Das ist wirkliche Energiesicherheit für Deutschland im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger."
Seit Wochen wird darüber diskutiert, dass Russland schon im Juli die Gaslieferungen an Deutschland einstellen könnte. Am 11. Juli wird die Pipeline Nord Stream 1 für Wartungsarbeiten routinemäßig abgeschaltet. Es gibt Befürchtungen, dass sie anschließend nicht wieder hochgefahren wird.
Die Forderung, mit einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 gegenzusteuern, kam am Mittwoch nicht nur von der AfD. Der Linken-Energieexperte Klaus Ernst forderte Gespräche mit Russland darüber - und erntete damit Widerspruch in der eigenen Partei. Ernst sagte der "Rheinischen Post" (Mittwoch), es sei angesichts der in Deutschland stark steigenden Preise unmoralisch, die Sanktionen gegen Russland wie gehabt aufrechtzuerhalten.
"Die Bundesregierung muss jetzt alles dafür, tun die Energieversorgung sicherzustellen", sagte der Bundestagsabgeordnete, der Vorsitzender des Energie- und Klimaausschusses ist. "Dazu muss man, trotz des völkerrechtswidrigen Krieges, mit Russland reden. Gegebenenfalls auch darüber, Nord Stream 2 befristet in Betrieb zu nehmen, wenn die Gasversorgung nicht anders zu gewährleisten ist."
Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, stellte jedoch auf Twitter klar: "Die Linke und die Linksfraktion fordern NICHT die Aufnahme von Gesprächen über Nord Stream 2". Die beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan hielten ebenfalls dagegen. "Der Parteitag von die Linke hat klare Entscheidungen getroffen. Wir fordern einen Preisdeckel für Gasimporte, gezielte Sanktionen gegen Oligarchen, die Nichtinbetriebnahme von Nord Stream 2 und die Beschleunigung der Energiewende", twitterten sie wortgleich.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist fertiggestellt. Das Genehmigungsverfahren hat Deutschland jedoch kurz vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine auf Eis gelegt. Die Gaslieferung über die parallel verlaufende Leitung Nord Stream 1 hat Russland bereits gedrosselt.
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur konterte Ernst die Kritik. Bei der Nutzung von Nord Stream 2 ginge es nur um zwei oder drei Monate, falls Nord Stream 1 nicht genutzt werden könne. Das widerspräche nicht dem Parteitagsbeschluss, weil man Nord Stream 2 danach wieder stillegen könnte. Deutschland sei nun einmal auf russisches Gas angewiesen, kein anderes Land könne die Menge kurzfristig ersetzen: "Wir sind komplett in der Hand von Russland", sagte Ernst und kritisierte Politiker, "die meinen, wir könnten auftreten mit dicken Backen".
Ernst ist als Energie- und Klimapolitiker in den eigenen Reihen umstritten. Er steht aber in der Linken nicht alleine. Auch die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht twitterte: "Wirtschaftskrieg ruiniert uns, nicht Russland! Sanktionen aufheben, zur Not Gas über Nord Stream II beziehen!"/mfi/DP/jha
Quelle: dpa-AFX