FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Spekulationen über die künftige Zusammensetzung des Dax
Bis zum 4. November können Marktteilnehmer über die einzelnen Punkte der anstehenden Index-Reform abstimmen. Das Ergebnis soll am 23. November veröffentlicht werden. Frühestens zur Überprüfung der Indizes im März 2021 könnten die Neuerungen dann in Kraft treten.
Für mehr Qualität in der ersten Börsenliga soll unter anderem sorgen, dass Dax-Kandidaten im operativen Geschäft über mindestens zwei Jahre hinweg schwarze Zahlen geschrieben haben müssen. Gemessen werden soll dies am Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Von den 60 MDax-Konzernen
Der Kochboxenlieferant Hellofresh, ein Gewinner der Corona-Krise, könnte die Hürde aber schon 2020 nehmen. Denn: Nachdem er 2019 erstmals einen operativen Gewinn von knapp 16 Millionen Euro erzielt hatte, soll es in diesem Jahr ein Vielfaches davon werden.
Delivery Hero
Auch ein ethisches Thema soll in Zukunft für eine Dax-Aufnahme eine Rolle spielen: Geschäfte mit "umstrittenen Waffen". Außerdem will die Börse die Aufnahmekriterien an internationale Standards anpassen und den Dax künftig regulär alle sechs Monate überprüfen.
Index-Experten begrüßen einhellig die geplante Vergrößerung des Dax. Damit lasse sich der Wandel in der Wirtschaft besser darstellen, sagt Tobias Adler von Oddo Seydler. Zudem würden mehr Branchen berücksichtigt. Auch JPMorgan-Analyst Pankaj Gupta glaubt: "Investoren dürften den Vorschlag einer Aufstockung auf 40 Werte gutheißen." Denn die aktuelle Eintrittsschwelle für eine Dax-Aufnahme sei zu hoch. In anderen Indizes Europas sei sie deutlich niedriger.
Uwe Streich von der LBBW geht die geplante Aufstockung indes nicht weit genug. Ein großer Wurf sei das nicht. 50 Dax-Werte, 50 MDax-Werte und 50 SDax-Werte hält er für die beste Mischung. Fondsmanager hätten so mehr Handlungsspielraum bei der Zusammenstellung ihres Portfolios.
Dass das Kriterium Börsenumsatz wegfallen soll, bedauert der LBBW-Experte indes nicht. "Viel Börsenumsatz kann bedeuten, dass etwas im Busch ist, die Nachrichtenlage erratisch ist, oder, oder." Ein mit ruhiger Hand und zugleich unspektakulär geführtes Unternehmen habe tendenziell wenig Börsenumsatz, was bisher aber "bestraft" wird.
Oddo-Seydler-Experte Adler wünscht sich über die vorgeschlagenen Änderungen hinaus auch eine Anpassung beim Mindeststreubesitz. Dieser wird vor allem im Zuge von Übernahmen relevant und liegt ihm zufolge im internationalen Umfeld bei 25 Prozent.
Hierzulande wird ein Unternehmen jedoch erst aus der Dax-Familie entfernt, wenn der Streubesitz unter 10 Prozent gefallen ist. Damit halten sich solche Werte - zuletzt etwa Rhön-Klinikum
Michael Bissinger von der DZ Bank merkt an, dass die Auswirkung für den MDax, der im Zuge der Dax-Aufstockung von 60 auf 50 Werte gekürzt werden soll, stärker sind als die für den Leitindex selbst: "Effektiv würde sich aufgrund des hohen Gewichts von wenigen Großkonzernen im Dax, vor allem von SAP
Dafür sei der Anteil von Chemie-, Auto- und Industriekonzernen unter den großen Aktiengesellschaften hierzulande zu hoch. Der MDax dagegen verlöre im selben Atemzug zwar nur 10 seiner bislang 60 Mitglieder, dafür aber die wichtigsten Dickschiffe.
Für Kritik sorgen auch andere Ideen. So der geplante Ausschluss eines Dax-Aufstiegs, wenn ein potenzieller Kandidat wie Airbus
Auch der Vorschlag, dass der Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat künftig existieren und personell besetzt sein soll, schreckt auf. Denn die Merck KGaA
Und wer käme nun wahrscheinlich neu in den Dax? Schlicht auf den aktuellen Börsenwert der MDax-Werte geschaut, gehören Symrise
Entsprechend ihres Börsenwertes sollten dem Experten Tobias Adler zufolge auch Brenntag
Stand Montag (19. Oktober) wäre laut DZ-Bank-Experte Bissinger auch Hellofresh im Dax, sofern das Unternehmen 2020 tatsächlich einen operativen Gewinn erzielt. Hannover Rück
Denn: "Bis März 2021 ist es noch eine Weile hin", betont er, "und die Unternehmen auf den hinteren Rängen liegen im Börsenwert nach Streubesitz sehr dicht beieinander". Dort befindet sich auch das aktuelle Dax-Mitglied Covestro. Nach Bissingers aktueller Liste auf dem 40. Platz, muss der Kunststoffhersteller daher wohl erneut um den Verbleib im der ersten deutschen Börsenliga bangen./ck/mis/stw/men/zb
--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-AFX