NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE (dpa-AFX) - Tech-Hype an der Börse? Apple und Tesla auf immer neuen Rekordhochs? Na und? Nebenwerte-Anleger machen oft ihr eigenes Ding, egal was die anderen sagen. Ein Beispiel: Hornbach. Seit gut 130 Jahren ist das Familienunternehmen aus der Südpfalz ein Anlaufpunkt für Generationen von Hand- und Heimwerkern, auch wenn es anderswo auf alles (außer Tiernahrung) 20 Prozent Rabatt gegeben haben mag. Ein Geschäftsmodell, das sich auch für Investoren auszahlt, und zwar offenbar gerade in der Corona-Krise: Die Aktien der Baumarkt-Dachgesellschaft, der Hornbach Holding
DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:
1877 gründete Schieferdeckermeister Michael Hornbach im pfälzischen Landau einen Handwerksbetrieb, den sein Sohn Wilhelm durch eine "Baumaterialien-Handlung" erweiterte. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ein Umzug nach Bornheim bei Landau, wo der Urenkel des Firmengründers 1968 den europaweit ersten kombinierten Bau- und Gartenmarkt eröffnete. 1987 ging die Hornbach AG an die Börse, aus der dann 6 Jahre später die Hornbach Holding und die Hornbach Baumarkt AG hervorgingen.
Aktuell lässt die rege Nachfrage nach Baumaterial sowie Haushalts- und Gartenbedarf in Zeiten der Corona-Krise die Muttergesellschaft der Baumarktkette weiter auf einer Erfolgswelle schwimmen. Deshalb versprach die Hornbach Holding ihren Investoren mehr Umsatz und Gewinn für das laufende Geschäftsjahr.
Wegen der großen Nachfrage in den 160 Bau- und Gartenmärkten während der Corona-Pandemie war die Baumarkt-Gruppe bereits stark in das erste Quartal ihres Geschäftsjahres gestartet (ab 1. März). Der Gewinn nach Steuern verdoppelte sich im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum nahezu. Die Mehrzahl der Märkte war während der Corona-Krise für private und gewerbliche Kunden geöffnet geblieben.
Und die griffen reichlich zu. Denn: Angesichts von Home-Office und Ausgangsbeschränkungen verbrachten viele Menschen mehr Zeit zu Hause. Hinzu kommt das generell ungebrochene Interesse am Heimwerken. Die Nachfrage in Märkten und im Online-Geschäft war entsprechend groß.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Aktien-Analysten sind unter dem Strich positiv gestimmt. Von den fünf von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Experten raten vier zum Kauf und nur einer zum Halten der Hornbach-Holding-Papiere. Die Sonderkonjunktur bei den Bau- und Gartenmärkten habe sich im bisherigen Verlauf des zweiten Geschäftsquartals fortgesetzt, schrieb etwa der Fachmann Thomas Maul von der DZ Bank. Analyst Mark Josefson von Pareto Securities stellte fest, die starke Entwicklung im Heimwerkersegment halte an.
Derweil kommen auch Tech-Fans bei Hornbach auf ihre Kosten. Denn wer es lieber online mag, kann sich bereits seit 2010 auf der Homepage des Unternehmens seine Heimwerkerträume erfüllen. Die Baumarkt-Holding profitiere auch von der führenden Stellung im elektronischen Handel, schrieb der Experte Thilo Kleibauer vom Analysehaus Warburg Research.
Aus Sicht der Anleiheinvestoren verwies Analyst Gerold Deppisch von der Landesbank Baden-Württemberg darauf, dass bei der Hornbach Baumarkt AG die Nettofinanzverschuldung im ersten Geschäftsquartal zurückgegangen sei. Im Oktober 2019 konnte das Unternehmen bei Profi-Anlegern eine Anleihe mit einem Volumen von 250 Millionen Euro und einer Laufzeit von 7 Jahren unterbringen - mit einem in diesen Niedrigzinszeiten üppigen Zinscoupon von 3,25 Prozent pro Jahr. Die Ratingagenturen S&P und Moodys werten das Wertpapier entsprechend jeweils als spekulative Anlage. Bei einer Verschlechterung der Lage sei mit Ausfällen zu rechnen.
Deppisch nannte als Stärken der Hornbach Baumarkt AG das etablierte Geschäftsmodell, den starken sowie stabilen Familienhintergrund und die solide sowie umsichtige Finanzstruktur. Als Schwächen machte er das schwierige Wettbewerbsumfeld in Deutschland und das begrenzte Wachstumspotenzial aus eigener Kraft hierzulande aus. Zudem sei das Unternehmen anfällig für schlechtes Wetter - sprich: Wenn sich der Frühling mal nass und kalt präsentiert, lassen die Kunden Gartenmöbel, Blumen und Co. gern links liegen.
DAS MACHEN DIE AKTIEN:
Das neue Jahrtausend hatten die Anleger ruhig angehen lassen. Der Aktienkurs der Holding pendelte in einer groben Spanne zwischen 20 und 30 Euro. Einen Zahn zu bis auf mehr als 50 Euro legten die Papiere dann von 2005 bis Mitte 2007, bevor die Finanzkrise die Anteilsscheine bis Anfang 2009 wieder auf 18 Euro zurückwarf.
Das Zwischentief von 2009 dann aber nur der Startpunkt einer Rally, welche die Aktien bis 2011 auf ein Rekordhoch führen sollte. Nach einer zweijährigen Verschnaufpause erklommen die Anteilsscheine dann bis 2015 einen neuen historischen Höchststand bei deutlich über 80 Euro, bevor diesmal die Euro-Schuldenkrise für einen Rückschlag sorgte; doch auch diese Kursscharte war nach zweieinhalb Jahre wieder nahezu ausgewetzt.
2018 dann war es das allgemein schwache, von Inflationssorgen geprägte Börsenjahr, das die Aktien in die Knie zwang. Die Anfang 2019 begonnene Erholung wiederum wurde 2020 durch den Corona-Börsencrash zunächst jäh ausgebremst und die Anteilsscheine sackten im März dieses Jahres bis auf knapp 33 Euro ab. Aber genau so schnell wie die Papiere gefallen waren schnellten sie auch wieder nach oben und behielten das Tempo bis zuletzt bei. Am Donnerstag (27. August) knackten die Hornbach-Holding-Anteile erstmals die Marke von 96 Euro.
Die Papiere von Hornbach Holding und Hornbach Baumarkt verlaufen derweil nahezu parallel. Letztere sind seit diesem August im Nebenwerteindex SDax
Quelle: dpa-AFX