FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Rohstoffpreise kennen derzeit kein Halten. Ob Kupfer, Platin, Eisenerz oder Zinn - die Preise vieler Industriemetalle steigen rasant. Ähnlich verhält es sich mit Agrargütern wie Mais oder Soja. Was große Rohstoffanbieter wie die Megakonzerne BHP oder Rio Tinto
Besonders deutlich sind die Rohstoffpreise zuletzt bei Metallen gestiegen. Der Preis von Kupfer, das aufgrund seiner vielseitigen Verwendung als Konjunkturbarometer gilt, hat sich innerhalb eines Jahres in etwa verdoppelt und rangiert auf dem höchsten Niveau seit etwa neun Jahren. Das Edelmetall Platin, bekannt für seinen Einsatz in der Produktion von Autokatalysatoren, weist ähnlich starke Preiszuwächse auf. Auch der Preis von Eisenerz, aus dem Stahl gewonnen wird, ist in den vergangenen Monaten stark gestiegen.
Die Gründe für den Preisboom sind vielfältig. So ist das Angebot vieler Rohstoffe relativ knapp. Das hat nicht nur mit dem anhaltend großen Rohstoffhunger der zweitgrößten Volkswirtschaft China zu tun, die seit langem einen erheblichen Teil des Angebots auf sich zieht. Auch haben viele Minenbetreiber ihre Förderung in der Pandemie zurückgefahren. Das hat dazu geführt, dass die Lagerbestände knapp geworden sind - zumal das Angebot im Rohstoffsektor typischerweise unflexibel ist und nicht rasch ausgeweitet werden kann.
Mindestens ebenso wichtig für den Preisanstieg ist die Nachfrage. Auch hier kommt der Corona-Pandemie eine tragende Rolle zu. So wird allgemein erwartet, dass die vielerorts daniederliegende Konjunktur mit fortschreitenden Impfungen und weniger Beschränkungen anzieht. Hiervon dürfte auch die Nachfrage nach Rohstoffen profitieren, was sich bereits jetzt in steigenden Preisen spiegelt. "Hinzu kommt die immense Geldschwemme durch viele Staaten und Zentralbanken in der Corona-Krise", sagt Eugen Weinberg, Rohstoff-Chefanalyst der Commerzbank
Ähnlich wie bei den Industriemetallen stellt sich die Lage beim wohl wichtigsten Rohstoff der Erde dar: Rohöl. Während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 waren die Preise so heftig abgestürzt, dass Abnehmer von amerikanischem Erdöl zeitweise bezahlt wurden - anstatt wie üblich für den Rohstoff zu zahlen. Von diesem historischen Absturz hat sich das Rohöl mittlerweile erholt. Mit rund 60 US-Dollar kostet ein Barrel (159 Liter) wieder so viel wie kurz vor Ausbruch der Pandemie. "Auch am Ölmarkt sorgt die Hoffnung auf konjunkturelle Besserung und steigende Nachfrage für Auftrieb", sagt Chefanalyst Weinberg. Darüber hinaus werde das Angebot durch namhafte Produzenten wie Saudi-Arabien knapp gehalten.
So breit angelegt der Preisauftrieb auch erscheinen mag: Es gibt am Rohstoffmarkt Ausnahmen, die nicht von der Hoffnung auf eine "Nach-Corona-Zeit" profitieren. Dazu gehört das Edel- und Krisenmetall Gold, dessen Preisanstieg in den vergangenen Wochen erheblich ins Stocken geraten ist. Ein wichtiger Grund sind steigende Kapitalmarktzinsen in den USA, die dem zinslosen Gold ein Stück weit an Glanz nehmen. In dieselbe Richtung wirkt der zuletzt steigende US-Dollar, der das in der amerikanischen Währung gehandelte Edelmetall für viele Nachfrager rechnerisch verteuert.
Welche Konsequenzen könnte der neue Boom der Rohstoffpreise haben? Auf kürzere Sicht dürften steigende Rohstoffpreise den ohnehin erwarteten Inflationsanstieg zusätzlich befeuern. Die Analysten der Frankfurter Privatbank Metzler sprechen mit Verweis auf weitere preistreibende Faktoren von einem "Inflationscocktail". Denn höhere Rohstoffpreise lassen auf Unternehmensebene die Produktionskosten steigen. Dies wiederum könnten Verbraucher zu spüren bekommen, wenn die Unternehmen die Steigerungen an die Konsumenten weitergeben.
Fachleute können sich vorstellen, dass der Preisboom längere Zeit anhält. Analysten um den Rohstofffachmann Max Layton von der großen US-Bank Citigroup sprechen bereits von einem neuen "Superzyklus". Einen solchen hat es zuletzt Anfang des Jahrtausends gegeben - getragen vor allem durch den steilen wirtschaftlichen Aufstieg Chinas. Auch jetzt gibt es Gründe, die für weiter steigende Rohstoffpreise sprechen. Dazu gehören die immense Nachfrage aus aufstrebenden Ländern wie Indien oder die durch viele Industrieländer angestrebte Umstellung der Wirtschaft auf grüne Technologien, was ebenfalls viele Rohstoffe benötigt.
Die Superzyklus-Hypothese ist umstritten. "Ich bezweifle, dass es einen neuen Superzyklus geben wird", sagt Weinberg. Allenfalls von einem zeitweisen, wenn auch kräftigen Preisanstieg will er sprechen. Über den Fortgang der Corona-Krise bestehe ebenfalls große Unsicherheit, gibt Weinberg zu bedenken. Die Frage, wie rasch und stark sich die globale Wirtschaft erholen wird, sei damit ebenso ungewiss wie die künftige Stärke der Rohstoffnachfrage. In dem für die Weltwirtschaft wichtigen Ölsektor kommt hinzu, dass die vielerorts angestrebte Elektrifizierung der Wirtschaft, etwa durch Elektroautos, eher zur Schwächung der Nachfrage führen wird./bgf/DP/eas
--- Von Bernhard Funck, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-AFX