(neu: Analysten-Stimmen, Details zu Deutschlandgeschäft, Kurse)
AMSTERDAM/FRANKFURT (dpa-AFX) - Die niederländische Großbank ING
Im laufenden Jahr werden die Kosten leicht steigen, teilte der Mutterkonzern der gleichnamigen deutschen Direktbank am Donnerstag in Amsterdam mit. Zudem werde der Nettozinsertrag - also die Differenz zwischen dem, was die Bank für Kredite erhält und für Einlagen zahlt - in diesem Jahr lediglich 15 bis 15,5 Milliarden Euro erreichen und damit bis zu einer Milliarde Euro geringer ausfallen als 2023. Durch höhere Gebühren will die ING zwar versuchen, einen Teil des Rückgangs auszugleichen. Insgesamt rechnet Konzernchef Steven van Rijswijk aber mit schwächeren Gesamteinnahmen als 2023. RBC-Expertin Anke Reingen geht deshalb davon aus, dass auch Analysten ihre Schätzungen senken werden.
Und auch an der Börse war die Reaktion eindeutig: Die im EuroStoxx 50
Damit festigt sich die schwache Performance der ING-Aktie im Branchenvergleich. Zwar gehört die Großbank mit einer Marktkapitalisierung von über 40 Milliarden Euro immer noch zu den Schwergewichten im europäischen Bankensektor, aber Anleger wären in den vergangenen 12 Monaten bei anderen Instituten sehr viel besser gefahren.
Im vergangenen Jahr fiel der Überschuss der ING mit knapp 7,3 Milliarden Euro fast doppelt so hoch aus wie ein Jahr zuvor. Der Zinsüberschuss kletterte um gut 15 Prozent auf knapp 16 Milliarden Euro. Die Bank profitierte auch von niedrigeren regulatorischen Kosten und einer gesunkenen Vorsorge für Kreditausfälle.
Seitdem die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli 2022 die Ära der Null- und Negativzinsen beendet und die Leitzinsen zehnmal in Folge erhöht hat, müssen Banken und Sparkassen keine Zinsen mehr zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, sondern verdienen daran. Daher locken Geldhäuser Neukunden, denn mit neuen Einlagen lässt sich Geld verdienen.
Doch der Zenit der hohen Zinseinnahmen bei den Instituten scheint überschritten. Die Inflation lässt schließlich nach und die europäische Wirtschaft kämpft mit Unsicherheiten, was Auswirkungen auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank haben könnte. Bei der ING zeigte sich das bereits in den vergangenen Monaten: Der Zinsüberschuss stagnierte im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und verglichen mit dem Vorquartal ging er sogar zurück.
Bei der Direktbank ING sorgten die hohen Zinseinnahmen 2023 indes für einen Rekordgewinn: Der Vorsteuergewinn habe sich binnen Jahresfrist auf rund 2,47 Milliarden Euro mehr als verdoppelt, teilte das Institut am Donnerstag in Frankfurt mit. Auch der Überschuss legte trotz einer deutlich höheren Steuerlast um mehr als 130 Prozent auf knapp 1,66 Milliarden Euro zu. Das Zinsergebnis trug mit einer Steigerung um 65 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro maßgeblich zum Gewinnsprung bei.
Die deutsche Direktbank, die zu 100 Prozent zum niederländischen Finanzkonzern gehört, hatte im April 2023 als erste Großbank hierzulande die Tagesgeldzinsen auch für Bestandskunden deutlich nach oben gesetzt. So konnte die ING Deutschland ihre Kundenzahl bis zum Jahresende unter dem Strich um gut 250 000 auf knapp 9,4 Millionen steigern. Das zwischenzeitlich kassierte Ziel von zehn Millionen Privatkunden will Chef Nick Jue nach jüngster Planung 2025 erreichen, "es bleibt aber auch sehr sportlich", sagte er in einer Videoschalte mit Journalisten.
Wichtig aus Sicht des Vorstands: Auch bei Hausbankkunden, die neben dem Girokonto mit monatlichem Geldeingang mindestens ein weiteres Produkt der Bank nutzen, ging es ebenfalls um mehr als 250 000 auf knapp 2,7 Millionen weiter nach oben.
Insgesamt erhöhten sich bei der ING Deutschland die Kundeneinlagen auf Sparprodukten und Girokonten binnen Jahresfrist um sechs Prozent auf knapp 143,6 Milliarden Euro. In der Baufinanzierung verzeichnete die Bank wie andere Anbieter auch wegen der gestiegenen Kreditzinsen allerdings einen Rückgang: Das Neugeschäft lag 2023 mit knapp sieben Milliarden Euro deutlich unter Vorjahr (13,1 Mrd Euro). Inzwischen zeige der Trend im Baufinanzierungsgeschäft aber wieder nach oben, sagte Jue.
Schon 2022 hatte die Direktbank von den gestiegenen Zinsen profitiert. Dennoch lagen in dem Jahr sowohl das Vorsteuerergebnis als auch der Überschuss unter den Vorjahreswerten - unter anderem wegen höherer Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle. Nun konnte die Bank die 2022 gebildete Risikovorsorge für Engagements mit Russlandbezug zum Großteil auflösen. Dadurch fiel die Risikovorsorge mit insgesamt 36 Millionen Euro 2023 deutlich geringer aus als die 460 Millionen Euro ein Jahr zuvor./lew/ben/zb/niw/jha/
Quelle: dpa-AFX