FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Sommer ist da. Doch die Erholung der pandemiegeplagten Luftfahrtbranche kommt bisher nur langsam voran. Beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport hat das Passagiergeschäft in den vergangenen Wochen zumindest ein Stück weit angezogen. Vom Vorkrisen-Niveau bleibt der Konzern genau wie die Airlines jedoch weit entfernt. Was bei Fraport los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.
DAS IST LOS BEI FRAPORT:
In der historischen Branchenkrise halten Luftfahrtmanager an einer Überzeugung fest: Die Menschen wollen auch in Zukunft in die Ferne fliegen. "Die Lust auf Reisen ist ungebrochen", zeigte sich Fraport-Chef Stefan Schulte im Mai optimistisch. "Insofern gehen wir davon aus, dass wir im Sommer wieder deutlich steigende Passagierzahlen sehen werden." Doch von niedrigem Niveau sind Steigerungen nicht so schwer. Schon jetzt hat die Branche viele Arbeitsplätze gestrichen - allein bei Fraport in Frankfurt sind rund 4000 Jobs weggefallen.
Und wenn es schlecht läuft, werden am Frankfurter Flughafen in diesem Jahr ähnlich wenig Passagiere abfliegen und ankommen wie im Corona-Jahr 2020. So rechnet Schulte in Frankfurt mit höchstens 25 Millionen Fluggästen - hält aber auch weniger als 20 Millionen für denkbar. Das wäre nicht weit von den knapp 19 Millionen aus dem Vorjahr entfernt. Der Rekord von über 70 Millionen Passagieren aus dem Jahr 2019 bleibt auf jeden Fall außer Reichweite.
Immerhin: Im Mai und Juni zählte Fraport an Deutschlands größtem Flughafen erstmals wieder je über eine Million Fluggäste. Fast 1,8 Millionen waren es im Juni. Das sind zwar fast dreimal so viele wie im Lockdown-Juni 2020, aber nur gut ein Viertel der rund 6,6 Millionen, die Fraport hier zwei Jahre zuvor abfertigte.
Zwar ist die wichtige Hauptreisezeit erst angelaufen, und mit der Öffnung vieler Reiseziele für Urlauber kann das Fluggeschäft im Juli, August und September noch deutlich zulegen. Doch die hochinfektiöse Delta-Variante des Virus lässt die Infektionszahlen in wichtigen Urlaubsländern wieder steigen. Gerade hat die Bundesregierung ganz Spanien samt Mallorca und den Kanarischen Inseln wieder zum Risikogebiet erklärt. Die Türkei als weiteres wichtiges Urlaubsland der Deutschen steht schon seit Anfang Juni auf dieser Liste.
Praktisch hat die Einstufung für Urlauber keine weiteren Folgen. Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz auf den Balearen jedoch auf über 200 steigen und Deutschland die Inseln dann zum Hochinzidenzgebiet erklären, müssten Rückkehrer, die nicht vollständig geimpft sind, für mindestens fünf Tage in eine Zwangsquarantäne.
Diese Unsicherheiten könnten viele Menschen vom Buchen abhalten. Das Infektionsgeschehen und die Einschätzung der pandemischen Situation in den Reiseländern seien schwerer vorhersehbar geworden, sagte Ingo Burmester, Zentraleuropa-Chef beim Reiseveranstalter DER Touristik, am Mittwoch. "Das erhöht die Verunsicherung beim Gast."
Der Fraport-Vorstand rechnet nach tiefroten Zahlen im vergangenen Jahr auch für 2021 mit einem Nettoverlust. Der Konzern hat sich zumindest finanziell für eine noch längere Durststrecke gerüstet. Der Konzern hat sich im ersten Quartal rund 1,9 Milliarden Euro an frischem Geld besorgt, Ende März verfügte der Konzern über rund 4,4 Milliarden Euro an flüssigen Mitteln und zugesicherten Kreditlinien. Eine Dividende für die Aktionäre soll es auch für 2021 nicht geben.
Außerdem haben die Anteilseigner - allen voran das Land Hessen und die Stadt Frankfurt - vorsorglich einer Kapitalerhöhung zugestimmt. Fraport-Chef Schulte versicherte im Mai, es gebe derzeit keine Pläne, diese Optionen tatsächlich zu nutzen.
Und vor wenigen Tagen erhielt der Konzern vom Staat 160 Millionen Euro dafür, dass er den Airport im ersten Lockdown im vergangenen Jahr trotz des nahezu komplett gestoppten Flugverkehrs in Betrieb gehalten hatte.
Was die Passagierzahlen angeht, hat Fraport die Entwicklung auch jetzt nicht in der Hand. Denn ob ein Flieger abhebt oder nicht, entscheiden immer noch die Fluggesellschaften selbst. So hat die Lufthansa als größte Fraport-Kundin ihre Pläne für 2021 bereits vor dem Sommer zusammengestrichen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr rechnet im Gesamtjahr nur noch mit einem Flugangebot von etwa 40 Prozent des Vorkrisenjahres 2019.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Der Geschäftseinbruch durch die Corona-Krise hat die Fraport-Aktie wie die Papiere anderer Luftfahrtunternehmen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Von Anfang 2020 rauschte ihr Kurs im Corona-Crash um fast zwei Drittel auf 27,59 Euro nach unten. Seit November ging es in teils steilen Schritten wieder nach oben - bis auf fast 65 Euro Mitte Juni. Seither ging es wieder ein gutes Stück abwärts. Zuletzt wurde das Papier noch um die 55 Euro gehandelt.
Wer zwischen März 2017 und Ende Februar 2020 bei Fraport investiert hat, dürfte bei einem Verkauf seiner Aktien derzeit dumm aus der Wäsche schauen. Denn in diesem Zeitraum hatte die Aktie einen Höhenflug erlebt - und Anfang 2018 sogar ein Rekordhoch von 97,26 Euro erreicht. Zudem war der Kurs in dieser Zeit nie unter die Marke von 60 Euro gefallen, die er nach dem Corona-Schock von 2020 erst jüngst vorübergehend wieder überschritten hat. Um das Rekordhoch wieder zu erreichen, müsste der Kurs aus jetziger Sicht sogar um rund 75 Prozent zulegen.
Ob er dies tut und wie lange dies dauert, dürfte neben der Erholung des Flugverkehrs von der Krise auch davon abhängen, ob der Konzern zur Refinanzierung der Corona-Lasten eine größere Kapitalerhöhung durchführt. Falls ja, würde ein solcher Schritt die künftigen Gewinne je Aktie verwässern.
Das seit 2001 an der Börse notierte Unternehmen kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als fünf Milliarden Euro. Größter Aktionär ist das Land Hessen mit 31 Prozent. Die Stadtwerke Frankfurt halten rund ein Fünftel der Anteile und etwas mehr als acht Prozent der Fraport-Aktien gehören der Lufthansa
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Branchenexperten sind sich mit Blick auf die Fraport-Aktie alles andere als einig. Von den 18 von dpa-AFX erfassten Analysten, die ihre Einschätzungen seit der Vorlage der Quartalszahlen im Mai erneuert haben, empfehlen fünf die Aktie zum Kauf, sieben raten zum Halten und sechs votieren für einen Verkauf.
Im Schnitt schreiben die Experten der Aktie ein Kursziel von rund 57,50 Euro zu - was in etwa dem derzeitigen Börsenkurs entspricht. Doch die Spanne ist groß: Während Analyst Ruairi Cullinane von der kanadischen Bank RBC den Fraport-Kurs auf dem Weg nach unten bis auf 29 Euro sieht, setzte sein Kollege Johannes Braun vom Analysehaus Stifel sein Kursziel vor wenigen Tagen von 50 auf 75 Euro nach oben.
Bis zum Jahr 2023 dürfte der Fraport-Konzern seine Kostenbasis um bis zu 400 Millionen Euro gesenkt und die Flughafenentgelte am Heimatstandort um mindestens sieben Prozent gesteigert haben, begründete Braun seinen Optimismus. Auch Deutsche-Bank-Analyst Andy Chu sieht das Management des Flughafenbetreibers auf dem richtigen Weg und ist mit einem Kursziel von 74 Euro ähnlich optimistisch.
Dem Analysten Adrian Pehl von der Commerzbank geben hingegen steigende Umweltauflagen für die Branche zu denken. Es stelle sich die Frage, ob Flugreisen mittelfristig wieder zu einem Luxus würden, schrieb er im Mai - und begründete damit sein vorsichtigeres Kurzziel von 49 Euro.
RBC-Analyst Cullinane, der das mit Abstand niedrigste Kursziel auf dem Zettel hat, moniert bei Fraport die großen und unaufschiebbaren Investitionen in Frankfurt sowie an den Auslandsflughäfen des Konzerns. Zudem sei Fraport besonders stark von Geschäftsreisen und dem internationalen Reiseverkehr abhängig, der stärker von der Pandemie getroffen wurde als Inlandsflüge./stw/ngu/zb
Quelle: dpa-AFX