mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG: Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand
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mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG: Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai
Jordan, Vorstand
12.07.2023 / 09:00 CET/CEST
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Bärendienst!
Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb
Wertpapierhandelsbank AG
"Die Rente ist sicher, ihre Finanzierung schon lange nicht mehr. Helfen soll
künftig eine weitere Finanzierungsquelle: der Kapitalmarkt. Doch es fehlt an
Entschlossenheit", schreibt Frank Bethmann auf der Webseite des ZDF im
Januar. Und weiter:
"Jahr für Jahr müssen Mittel aus dem Bundeshaushalt locker gemacht werden,
um die Defizite in der Rentenkasse auszugleichen. Derzeit schießt der Bund
110 Milliarden Euro dazu, das ist ein Viertel des Haushalts. In den
kommenden Jahren dürfte die Quersubventionierung der Rente mit Steuergeldern
noch deutlich zunehmen." Jüngere müssen die Zeche zahlen, denn bereits 2035
müssen rechnerisch hundert Beschäftigte die Ansprüche von 45 Rentnern
finanzieren.
In der Börsenzeitung vom 08.07. nennt Claus Döring das Rentensystem in
seinem Kommentar sogar ein Schneeballsystem. Unbedingt lesenswert!
Dass wir in Deutschland eine eigenverantwortlichere Alterssicherung
brauchen, das wissen alle Auguren schon lange: Bei der demografischen
Entwicklung quietschen die Durchlauferhitzer der sozialen Sicherung. Selbst
die glorreiche Ampel hat in ihrem ambitionierten Koalitionsvertrag den
Kapitalmarkt unter dem Stichwort "Aktienrente" entdeckt.
Auch die unermüdlichen (Vor)-Kämpfer*innen vom Deutschen Aktien Institut DAI
schreiben:
"Um den Lebensstandard im Alter zu sichern, brauchen Aktien einen festen
Platz in der deutschen Altersvorsorge. Die Menschen werden so am Erfolg der
Wirtschaft beteiligt und das Rentensystem stabilisiert. Wir setzen uns für
ein Ansparverfahren nach internationalem Vorbild ein. Dieses hilft uns, die
Herausforderungen des demografischen Wandels in Deutschland zu meistern."
In der Tat ist der Kapitalmarkt durch intelligente Politik in anderen
Ländern wie z.B. Schweden schon viel weiter.
Trotz dieser Erkenntnisse verharrte die Aktienquote in Deutschland lange bei
12 %. Bis dann zwei Faktoren diesen Wert auf 18 % katapultiert haben. Das
war der Ausbruch der Corona-Pandemie mit historisch niedrigen Zinsen bei der
die Bürger im Lockdown von zu Hause aus den Kapitalmarkt entdeckt haben. Und
das ganze vor allem in Verbindung mit den gerade entstandenen Neobrokern,
die neue und jüngere Anlegerkreise an den Kapitalmarkt durch moderne und
einfach zu bedienende Marktzugänge - wie funktionierende Apps - an die Börse
gelockt haben. Hier sind die Umsätze explodiert während die tradierten
Institute mit zumeist Nullwachstum dem Boom hinterhergeschaut haben.
Und diese neuen Investoren haben eben nicht nur in fragwürdigen
Gamestop-Kurskapriolen und anderen Meme-Stocks herumgezockt. Ein großer Teil
des Anstiegs ist nämlich auch auf Anlagen in ETFs zurückzuführen.
Nun ist es bekannt, dass diese neu entstandenen Neobroker sich zu großen
Teilen über sogenannten "Payment for Orderflow" (PFOF) finanzieren. Hier
bezahlen die Market-Maker an den Börsen- und Handelsplattformen, die sich
nicht wie die tradierten Börsen durch Handelsgebühren finanzieren, eine
Vergütung an die Bank, welche den Auftrag des Kunden weiterleitet. Eine Art
"Kick-Back", welches dem Anleger allerdings im Rahmen der Ordererteilung
durch die Bank transparent gemacht wird.
Nun, das klingt nach "finsterem Treiben" zu Lasten der geschröpften
Privatanleger. Nur ist es das nicht. So versicherte uns selbst die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin), dass man das seit Jahren
im Rahmen von Prüfungen beobachte und in Deutschland kein Problem sähe. Im
Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2022
https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2022/meldung_2022_05_16_PFOF_Studie.htm
sprach sich die Behörde auch gegen ein Verbot aus und kam zu folgendem
differenzierten Ergebnis:
* Für Kundenaufträge mit kleineren Volumina ist die Ausführung über
PFOF-gewährende Handelsplätze überwiegend vorteilhaft. Denn sofern
Transaktionskosten berücksichtigt wurden, waren die Ergebnisse für
Kunden mehrheitlich besser als an den Referenzmärkten.
* Bei höheren Transaktionsvolumen und niedrigerer Liquidität an den
Referenzmärkten zum Zeitpunkt der Auftragsausführung gingen diese
Vorteile jedoch verloren.
Ob PFOF die Ursache der festgestellten Unterschiede war, lässt sich aus den
Ergebnissen nicht ablesen.
Auch die Stiftung Warentest kam schon vor Jahren in einer Untersuchung zu
dem Resultat, das hier keine schlechteren Kurse angeboten werden.
Wie kam es überhaupt zu dieser Entwicklung? Das Ganze beginnt im Jahr 2007
mit dem Inkrafttreten eines europäischen Regulierungsmonsters namens MiFID
(Markets in Financial Instruments Directive), deren Ziel es war, in Europa
den Schutz der Anleger zu verbessern und ein einheitliches
Kapitalmarktumfeld zu schaffen. Dieses Monster wurde reichlich gepäppelt und
wuchs im Jahre 2018 zu einem noch gigantischeren Monster namens MiFID II
heran. Hier wurde bereits korrigiert und munter weiter herumreguliert. Ich
rate Ihnen ab, dieses Zeug zu lesen, ohne juristische Beratung ist das
ohnehin oft auch für Profis unverständlich. Auch wir haben uns oft die Augen
gerieben und dachten dabei an die Schlussbilder in den uralten
Gespenster-Geschichten-Comics: "Seltsam, aber so steht es geschrieben".
Diese Regulierung hat u.a. einen knallharten Wettbewerb zwischen den
Handelsplätzen und die vorstehend erwähnten "PFOF-Strukturen" erst
geschaffen. Das hat zu einer Explosion der Handelsplätze in Europa geführt.
Je nach Statistik gibt es in Europa rund 300-400 "Execution-Venues" für
Aktien. Das ist ein Vielfaches der Anzahl der Handelsplätze in USA bei einer
dramatisch niedrigeren Marktkapitalisierung aller gehandelten Unternehmen
zusammen.
Nun gut, man wollte es so haben. Und diese Zahlungen sind mitnichten
finster. Sie finanzieren eben hocheffiziente Infrastrukturen bei den neuen
Brokern und so bekommen die Anleger einen modernen und einfach zu
bedienenden Marktzugang.
Einige Protagonisten in Europa haben diese Praxis aber schon vor Jahren als
"Böse" bezeichnet und das diese Praxis zu Lasten der Anleger geht. Die
Studien widerlegen das, aber dann schwurbelt man eben von "Geschmäckle". Der
politische Kampf hierüber ging seit Jahren hin- und her. Und nun hat man
sich auf einmal doch geeinigt. Gegen den Widerstand des FDP-geführten BMF,
welches hier eher einen Neo-Broker-freundlichen Kurs verfolgte.
PFOF soll spätestens ab 2026 verboten werden. Dazu gibt es eine weitere
europäische Regulierungskonsultation "Retail-Investment-Strategy" die sich
ebenfalls mit Provisionsverboten im beratungsfreien Geschäft befasst.
Nun mag man meinen, dass sei doch ok. Der Anleger werde nun noch besser
geschützt. Nur stimmt das leider nicht.
Wir bestreiten, dass es bei diesem Thema tatsächlich auch nur eine einzige
Initiative gab, deren wahres Ziel der Anlegerschutz war. Es geht einzig und
alleine um Marktanteile zwischen den Börsen, Banken und Plattformen. Und wie
wir hören, hat der Erfolg und die europäische Expansion des größten
deutschen Players die international dominierte Euronext Börse nun so
gereizt, dass dieses PFOF-Verbot nun brachial durchgesetzt wurde.
Die Kursdaten der durch die Regulierung fragmentierten Welt der
Handelsplätze sollen in einem sogenannten "Consolidated-Tape" wieder
zusammengebündelt werden, damit der Anleger den Überblick behält.
Wird nun "alles wieder gut" und die Welt dreht sich zurück und der Kunde
geht wieder in eine Bankfiliale, die diese Order dann an eine herkömmliche
Börse schicken wird? Vielleicht teilweise - aber eine Rolle rückwärts wird
es nicht geben. Dazu haben sich die Märkte und Kunden zu weit entwickelt.
Wir sind gespannt, wie die Teilnehmer darauf reagieren werden. Regulierung
ist wie ein großer Stein im Wasser. Wirft man ihn hinein, so fließt das
Wasser außen rum. Und wir stellen uns die Frage, ob sich die Fragmentierung
der Ausführungsplätze zurückdreht oder eher noch weiter fortsetzt.
Wir sind gut diversifiziert aufgestellt und haben hier eine neutrale
Position. Wir neigen aber eher zum Wettbewerb als zu Diktat und Regulierung.
Die Marktteilnehmer müssen sich mal wieder umstellen, Gebührenmodelle- und
Strukturen anpassen und die Anbieter eines "Consolidated-Tapes" bezahlen.
Sowas gibt es nicht "für lau". Für den Anleger wird es sicher teurer. Die
Schwelle zum Investment am Kapitalmarkt wird damit wieder hochgesetzt. Zumal
man auf der anderen Seite das Dasein kleinerer Unternehmen an der Börse
erleichtern will, deren Aktien zu großen Teilen eher von der
Privatkundschaft gekauft werden. Regulatorisch passt hier eines nicht zum
Anderen.
Damit hat man dem Thema Aufbau von Altersvorsorge eher einen Bärendienst
erwiesen. So viele richtige Stellungnahmen und Koalitionsverträge kann weder
das DAI noch diese oder künftige Regierungen schreiben. Schade.
Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister
mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt
und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der
Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der
Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den
Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart.
mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates &
Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 46.000 Orderbücher für
deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um
Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds.
Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.
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Kai Jordan
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Quelle: dpa-AFX