mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG: Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand
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mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG: Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai
Jordan, Vorstand
03.11.2021 / 10:00
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Zinserhöhung - der Running Gag?
Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb
Wertpapierhandelsbank AG
Die EZB wünscht sich eine Inflation von leicht über 2 Prozent. In Europa
haben wir bald eine Inflation von fast fünf Prozent. Optimisten unter den
Volkswirten erwarten einen solch hohen Wert nur bis in den Sommer 2022 -
Pessimisten sehen kein so baldiges Ende voraus. Solche Werte gab es in
Deutschland seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Die Inflation ist zurück.
Trotzdem will die EZB an ihrer lockeren Geldpolitik zumindest im nächsten
Jahr festhalten, denn die Zentralbank prognostiziert aufs Gesamtjahr eine
europaweite Inflation von unter 2,2 Prozent - dem prognostizieren
Durchschnittswert von diesem Jahr.
Wie wir in unseren Standpunkten schon mehrfach dargestellt haben, kann und
wird es unserer Analyse nach keine Leitzinserhöhungen der EZB geben. Seit
2008 hat die EZB eine ganz neue Rolle: Weg vom Währungshüter hin zur
politischen Institution. Die Zentralbankpräsidentin Lagarde weiß genau, dass
Sie mit einer auf steigenden Zinsen ausgerichteten Politik die hoch
verschuldeten südlichen Länder schnell in den Staatsbankrott schicken würde.
Da mögen die geldpolitischen Falken noch so laut nach Preisstabilität rufen.
Doch zum Handeln sehen die Währungshüter im Frankfurter Eurotower keinen
Grund. In Frankreich stehen im nächsten Frühjahr Präsidentschaftswahlen an
und ob sich Lagardes Vorgänger Draghi noch ohne Neuwahlen in Italien im
Sattel halten kann, steht auch in den Sternen. In beiden Ländern sind die
rechten politischen Gruppierungen, die am liebsten aus der EU raus wollen,
gerade ein bisschen abgedrängt worden. So zeigt sich auch gerade Italien
Notenbankchef Visco besonders emsig, wenn es ums Festhalten an der
gegenwärtigen Geldpolitik geht. Italien werde mit allen Mitteln große und
anhaltenden Anstiege der Zinsen verhindern, weil sie durch die gegenwärtigen
wirtschaftlichen Aussichten nicht gerechtfertigt seien. Ein Blick nach
Griechenland lässt einen erschauern. Griechenland hat derzeit eine
Verschuldung von mehr als 200 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das
ist mehr als während der Griechenland-Krise.
Die politischen Auswirkungen einer veränderten Zinspolitik wären in diesen
Ländern nicht absehbar. Nicht zu vergessen, im Jahr 2027 steht auch die
Wiederwahl von Lagarde an. Zusätzlich - auch das darf nicht vergessen werden
- steigen gerade wieder die Corona-Zahlen und die Konjunktur läuft entgegen
der bis Mitte des Jahres gefertigten Prognosen nicht hoch. Wir sehen nur
moderate Steigerungsraten, aufgrund nachhaltiger Unterbrechungen von
globalen Lieferketten.
Was hat die Inflation und die lockere Zinspolitik für Auswirkungen auf den
Kapitalmarkt? Die Bewertung der Aktienmärkte werden sich auch weiterhin
stark am niedrigen Zinsniveauorientieren. Es drückt weiterhin einfach zu
viel Geld in Ermangelung von Alternativen in die Aktienmärkte sowie weitere
Assetklassen, Allen wiederkehrenden Unkenrufen zum Trotz werden auch die
Wohn-Immobilienmärkte als Anlageklasse nicht einbrechen.
Staatsanleihen und Bonds von großen Unternehmen werden sich für Anleger
weiterhin kaum lohnen. Hier wird auf kurze und mittelfristige Sicht gerade
vor dem Hintergrund der Inflationsrate nur noch Geld verbrannt. Zusätzlich
kauft die EZB mit dem umstrittenen Corona-Hilfspaket PEPP monatlich für bis
zu 80 Milliarden Euro Anleihen auf. Im Gegensatz zu nicht staatlichen
Investoren interessiert die EZB nicht, wieviel Milliarden durch negative
Zinssätze und Inflation real durch den Schornstein gejagt werden.
Demgegenüber stehen nicht staatliche Investoren wie Pensionsfonds,
Versicherer, Asset Manager, aber auch Privatanleger, die fürs Alter
vorsorgen wollen und auch sollen. Bisher galt: Zur Absicherung sollte es im
Depot Minimum ein Drittel Anleihen geben. Wenn aber dieser Teil des Depots
von vorneherein einen faktischen Realverlust von über 6 Prozent
erwirtschaftet - dann wird es mit dem Sparen und Vorsorgen eng.
Deswegen weisen wir immer wieder darauf hin, den Markt für Mini-Bonds
aufmerksam zu betrachten. Hier gibt es jährliche Renditen, die zumindest
immer noch eine Verzinsung auch nach Einbezug der Inflationsrate schaffen.
All Denjenigen, die jetzt auf das Ausfallrisiko in dieser Anlageklasse
hinweisen, sei entgegen gehalten, dass auch große Unternehmen nicht gegen
den Untergang gefeit sind. Da können wir nur ganz kurz in den Rückspiegel
schauen und sehen noch die rauchenden Trümmer des Dax-Konzerns Wirecard. Das
lehrt uns: Nicht eine Anleiheklasse ist generell gut oder schlecht, sondern
als Bond-Anleger sollte man die Stabilität von Geschäftsmodellen und
Management beobachten und regelmäßig hinterfragen. . Erscheint beides
nachhaltig und können die versprochenen Zinsleistungen glaubwürdig in der
Laufzeit gezahlt werden? Gerade der Blick auf das Management ist ein guter
Seismograf, denn Probleme zeichnen sich oft durch überraschende Veränderung
ab. Einem langjährigen und stabilen Management kann man eher vertrauen als
Emittenten, bei denen es plötzlich große Veränderungen auf den
Schlüsselpositionen gibt. Der Blick sollte insbesondere auch immer in
Richtung des CFO gehen.
Zusammenfassend sehen wir keinen Anstieg der Zinsen in den nächsten Monaten
und auch mittelfristig vermuten wir eher, dass die EZB bei ihrer Zinspolitik
bleibt. Die wirtschaftliche Gesamtsituation lässt weiterhin eine hohe
Inflation in Europa zu. Anleger werden nach gesunden Alternativen zu
Staatsanleihen und großen Unternehmens-Bonds suchen müssen - eben neue,
kluge, mutige und moderne Strategien.
Zu mwb:
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Quelle: dpa-AFX