LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - Der Rückzug der Tochter Wintershall Dea hat dem Mutterkonzern BASF
DAS IST LOS BEI BASF:
Nachdem die Geschäfte für BASF noch im ersten Halbjahr rund gelaufen waren, wirken sich die hohen Rohstoff- und Energiekosten immer stärker auf das Geschäft des Ludwigshafener Chemiekonzerns aus.
2022 konnte BASF vorläufigen Berechnungen zufolge zwar den Umsatz dank höherer Preise und günstiger Wechselkurse im Jahresvergleich um elf Prozent auf 87,3 Milliarden Euro steigern. Der operative Gewinn ging jedoch zurück, so sank das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Sonderposten (bereinigtes Ebit) um elf Prozent auf knapp 6,9 Milliarden Euro.
Wegen verschlechterter Geschäfte und schwierigerer Rahmenbedingungen in Europa vor allem wegen stark gestiegener Gaspreise hat die BASF-Führung bereits im vergangenen Jahr ein drastisches Sparprogramm aufgelegt, das 2023 bis 2024 umgesetzt werden soll. Die Kürzungen sollen die jährlichen Kosten außerhalb der Produktion um 500 Millionen Euro senken. Mehr als die Hälfte der Einsparungen will der Vorstand am Standort Ludwigshafen realisieren, wo BASF rund 39 000 der weltweit etwa 111 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt.
Unter dem Strich wies BASF 2022 einen Verlust von fast 1,4 Milliarden Euro aus. Hauptursache waren Abschreibungen auf Wintershall Dea von 7,3 Milliarden Euro, alleine im vierten Quartal betrugen diese 5,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 hatte der Konzern noch rund 5,5 Milliarden Euro verdient. Die BASF-Tochter beklagt eine faktische Enteignung ihrer Beteiligungen in Russland und plant einen vollständigen Rückzug aus dem Land.
Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine hatte Wintershall Dea in der Kritik gestanden, weil das Unternehmen an seinem Russlandgeschäft lange festgehalten hatte. Andere Energiekonzerne wie Shell
Wintershall Dea-Chef Mario Mehren hatte noch im November gesagt, es gebe dort zwar kein Neugeschäft, "aber die einzige Möglichkeit, uns aus Russland zurückzuziehen, wäre es, dem russischen Staat unsere Aktivitäten zu schenken". Die Vermögenswerte in Russland betrügen rund 2,5 Milliarden Euro. Das Unternehmen hatte Ende Oktober angekündigt, eine rechtliche Trennung des Geschäfts zu prüfen. Zuletzt stammte etwa die Hälfte seiner Öl- und Gasproduktion aus Russland.
Anfang des Jahres kam dann die Kehrtwende: "Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht tragbar", sagte Mehren. Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe die Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa zerstört. Außerdem habe die russische Regierung die Tätigkeit westlicher Unternehmen eingeschränkt. "Die Joint Ventures wurden de facto wirtschaftlich enteignet", ergänzte er.
Die BASF-Tochter verwies dabei auf russische Regelungen von Ende Dezember. Diese reduzierten rückwirkend die Preise, zu denen die Gemeinschaftsunternehmen ihre produzierten Kohlenwasserstoffe an den russischen Konzern Gazprom
Derweil will BASF ihre Mehrheitsbeteiligung Wintershall Dea nach dem angekündigten Russland-Rückzug weiterhin an die Börse bringen. "BASF steht zu ihrem strategischen Ziel, ihre Anteile an der Wintershall Dea AG zu veräußern", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Entsprechend werde ein Börsengang des Unternehmens weiterhin angestrebt.
Wintershall Dea war 2019 aus der Fusion von Wintershall Holding und Dea hervorgegangen. BASF hält gut 70 Prozent an Wintershall Dea. Der Rest gehört der Beteiligungsgesellschaft LetterOne. Ursprünglich hatte BASF den Börsengang für das zweite Halbjahr 2020 geplant, ihn aber inzwischen mehrfach verschoben.
BASF will am 24. Februar die Bilanz für 2022 vorlegen und einen Ausblick auf das laufende Jahr geben.
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Von den 15 seit Vorlage der Zahlen im Januar von dpa-AFX erfassten Experten empfehlen sieben die Aktie zum Kauf. Fünf raten zum Halten, drei empfehlen den Verkauf. Im Schnitt liegt das Kursziel bei gut 55 Euro. Allerdings weisen die Schätzungen mit 40 bis 68 Euro eine große Spanne auf. Zuletzt kosteten die Papiere gut 51 Euro.
Die Branchenkenner zeigten sich vom Geschäftsverlauf im Schlussquartal enttäuscht. Einen Nettoverlust für das komplette Jahr hatten die Analysten dabei nicht auf dem Schirm, wie BASF selbst einräumte.
Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen habe die Markterwartungen im letzten Jahresviertel um 17 Prozent verfehlt, schrieb Andrew Stott von der schweizerischen Großbank UBS. Hauptverantwortlich seien die Bereiche Chemicals sowie Nutrition & Care. In der erstgenannten Sparte stellt BASF Basischemikalien und im zweiten unter anderem Inhaltsstoffe für Konsumgüter her.
Auch Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan hatte für das Schlussquartal mit einem höheren operativen Ergebnis gerechnet. Die Abschreibungen auf das Russlandgeschäft seien hingegen keine Überraschung.
Samuel Perry von der schweizerischen Bank Credit Suisse und Markus Mayer von der Baader Bank reduzierten erst jüngst ihre Empfehlungen deutlich. Perry stufte die BASF-Aktie von "Outperform" auf "Underperform" ab und senkte das Kursziel auf 46 Euro. Bei BASF rechnet er bis mindestens ins Geschäftsjahr 2024 hinein nicht mit einer nennenswerten Besserung der Auslastung. Perry kappte seine operativen Ergebnisschätzungen bis 2024 im Schnitt um 14 Prozent.
Der Baader-Analyst stufte die BASF-Aktie von "Add" auf "Reduce", hob aber das Kursziel auf 53 Euro an. Die hohen Wertberichtigungen sind nach Ansicht von Mayer nicht aus heiterem Himmel gekommen. Dennoch sei der Betrag atemberaubend. Darüber hinaus gebe es zusätzliche Wertberichtigungsrisiken, die von den politischen Entscheidungen über subventionierte Industriestrompreise in Europa abhängen würden.
BASF habe zwar noch keine Zahlen zu den Barmitteln (Cashflow) für 2022 veröffentlicht, diese dürften aber wegen des Abbaus von Lagerbeständen sehr gut ausgefallen sein. Ein großes Fragezeichen gibt es Mayer zufolge aber in Bezug auf die Dividende. Aus Sicht des Cashflows sei es kein Problem, die vom Konsens prognostizierte Ausschüttung zu zahlen. Allerdings könnte es hinsichtlich der Schließung von Anlagen in Europa und einem erheblichen Stellenabbau in Deutschland problematisch sein, eine angemessene Summe an die Anleger zu überweisen.
DAS MACHT DIE AKTIE (Kurs am 15.2.2023, 15 Uhr):
Die Corona-Krise hat der BASF-Aktie in der ersten Phase der Pandemie vor mehr als zwei Jahren ordentlich zugesetzt. Der Kurs rutschte innerhalb weniger Wochen um mehr als 40 Prozent ab. Mitte März 2020 kostete das Papier mit rund 37,35 Euro so wenig wie seit 2009 nicht mehr. Zwischenzeitlich konnte sich der Kurs deutlich erholen - bis auf fast 73 Euro im Frühjahr 2021.
Aber vom Krieg in der Ukraine, den Corona-Lockdowns in China und Problemen in den Lieferketten gezeichnet, trübte sich der Kurschart der BASF wieder deutlich ein. Mit dem Fall bis unter die 40-Euro-Marke im vergangenen Juli näherte sich der Kurs wieder dem Corona-Crash-Tief - und nach einem weiteren Auf und Ab verfehlte er diese Marke Ende Oktober mit 37,90 Euro nur noch knapp. Seitdem geht es für das Papier wieder bergauf.
Zwar hat die Aktie seit der Jahreswende um rund elf Prozent zugelegt, doch auf Sicht von zwölf Monaten steht noch ein Kursverlust von rund einem Viertel zu Buche. Auch mittelfristig haben die Aktionäre wenig Freude. Seit dem Rekordhoch bei 98,80 Euro Anfang 2018 hat sich der Aktienkurs von BASF fast halbiert. Zuletzt kostete ein Papier rund 51,50 Euro.
Auf Sicht von zehn Jahren haben die Papiere mehr als ein Viertel eingebüßt, während sich der Dax und der europäische Branchenindex Stoxx 600 Chemie
Derzeit beträgt der Börsenwert des Konzerns 46 Milliarden Euro. Damit liegt BASF im Dax-Mittelfeld. Zum Amtsantritt von Konzernchef Martin Brudermüller im Mai 2018 hatte BASF mit ungefähr 80 Milliarden Euro noch auf dem sechsten Platz gelegen./mne/tav/he
Quelle: dpa-AFX