FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Die "Notfallrettung" der schwer angeschlagenen Credit Suisse
Der Index der europäischen Bankenbranche, der Stoxx Europe 600
Noch Ende Februar hatte der Index in der Zinswende das höchste Niveau seit 2018 erklommen. Seit dem Zwischenhoch summiert sich das Minus inzwischen auf knapp ein Fünftel. Für die Aktien der Credit Suisse setzte sich das Kursdesaster weiter fort, sie rutschten nochmals um zwei Drittel auf ein weiteres Rekordtief ab. Inzwischen ist ein Papier nicht einmal mehr einen Franken wert. UBS-Anteile verloren nach minus 16 Prozent zuletzt noch 5 Prozent.
Damit verfehlte die in einem langen Verhandlungsmarathon am Wochenende ausgehandelte Rettung der Schweizer Bank ihre als Beruhigung für die Finanzmärkte gedachte Signalwirkung am Markt.
Konstantin Oldenburger vom Broker CMC hält es für nur zu verständlich, dass die Anleger angesichts der Turbulenzen im einst als sicher geglaubten Schweizer Bankenmarkts in Aufruhr seien. "Vor dem Wochenende taten sämtliche offizielle Stellen noch voller Überzeugung so, als sei alles unter Kontrolle", schrieb er. Doch nun überschlügen sich mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und neuen geldpolitischen Stützungsmaßnahmen der US-Notenbank Fed die Ereignisse, "die den Investoren genau das Gegenteil suggerieren".
Die UBS übernimmt die kleinere Lokalrivalin für drei Milliarden Franken (gut 3 Mrd Euro). Zusätzlich steht sie für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade. Hinzu kommen eine staatliche Verlustgarantie von 9 Milliarden Franken sowie Liquiditätszusagen im Umfang von bis zu 200 Milliarden Franken. Zudem erhöhten sechs große Notenbanken, darunter die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank Fed, ihre Schlagzahl zur Versorgung des Finanzsystems mit Dollar-Liquidität.
Oldenburgers CMC-Kollege Michael Hewson verwies darauf, dass einige Anleihegläubiger der Credit Suisse nun enorme Verluste hinnehmen müssen. Bei nachrangigen Anleihen, sogenannten AT1-Bonds, kommt es zu einem Zahlungsausfall. Die Deutsche Bank
RBC-Expertin Anke Reingen schrieb mit Blick auf die offenbar auch von Politik und Aufsichtsbehörden durchgeboxte Übernahme, es sei zwar "unwahrscheinlich, dass die UBS diesen Weg bevorzugt, aber es scheint ein notwendiger Schritt gewesen zu sein, nicht nur für die Schweizer Banken, sondern für den gesamten globalen Bankensektor".
Was dies für die UBS-Aktie bedeutet, ist aber unter Analysten vorerst umstritten: Reingen etwa erscheint der Zukauf längerfristig attraktiv. Und Bofa-Analyst Alastair Ryan stufte die UBS gleich hoch, er sieht beträchtliches Synergiepotenzial und empfiehlt die Papiere daher nun zum Kauf.
Die französische Societe Generale strich dagegen ihre Kaufempfehlung, und auch die Analysten von Keefe, Bruyette & Woods stuften das UBS-Papier von "Market Perform" auf "Underperfrom" ab. Die konzertierte Aktion nehme dem Markt vorerst zwar die Sorge vor Ansteckungseffekten und angesichts des niedrigen Kaufpreises könne ein vielversprechender Deal daraus werden, argumentierte Branchenkenner Thomas Hallett . Vorerst aber bringe die Transaktion viel Unsicherheit./tav/ag/stk
Quelle: dpa-AFX