FRANKFURT (dpa-AFX) - Aktien aus der Technologiebranche haben am Donnerstag wieder unter zunehmenden Zinssorgen der Anleger gelitten. Weil die Aussagen der US-Notenbank Fed vorerst stärkere Zinsanhebungen erwarten lassen als gemeinhin erhofft und es selbst spät im Jahr 2023 wohl keine Zinssenkungen geben wird, reagierten die Branchenanleger verschnupft. Vor allem galt dies für deutsche Online-Werte. So erschweren hohe Zinsen die Aufnahme frischer Gelder, was das Wachstum bremsen kann. Zugleich diskontieren Investoren teils erst in ferner Zukunft erwartete Gewinner der Unternehmen stärker, künftige Gewinne sind also weniger wert - auch das zog die Kurse nach unten.
Die Titel des Essensauslieferdienstes Delivery Hero verloren im MDax fast vier Prozent. Mit den 21- und 100-Tage-Linien unterschritten sie zwei beliebte und zuletzt umkämpfte kurz- bis mittelfristige Indikatorlinien. Während die Aktien des Kochboxen-Anbieters Hellofresh im MDax um 1,4 Prozent sanken, erwischte es im SDax die Titel der Shop Apotheke mit einem Abschlag von 2,8 Prozent.
Ausgeprägt war die Flucht der Anleger aus dem SDax-Wert Auto1 , dessen Papiere um sieben Prozent abrutschten. Die Bank of America gab am Donnerstag ihre Kaufempfehlung für den Autovermittler auf. Analyst David Amira sieht in ihm das Unternehmen aus der Online-Portalbranche, das am sensibelsten auf konjunkturelle Schwankungen reagieren dürfte. Seine These lautet, dass sich das Umsatzwachstum im Jahr 2023 deutlich abschwächt.
Generell blickt Amira bei Anzeigenportalen aber optimistischer auf das Jahr 2023, die Anleger aber schenkten den in vielen Fällen guten Wachstumsaussichten derzeit keinen Glauben. Vor allem Geschäftsmodelle, die auf Business-Kunden und nicht auf Verbraucher fixiert seien, böten sich für Anleger an. Die Titel des Immobilien-Spezialisten Scout24 bestätigte er denn auch mit einem "Buy"-Votum, wenngleich er das Kursziel etwas kürzte. Die Scout24-Titel konnten sich am Donnerstag dem generell schlechten Branchenumfeld mit minus 1,5 Prozent aber nicht entziehen.
Seit Monaten reagieren Technologiewerte schon besonders empfindlich auf jede schlechte Nachricht, die es von der Zinsseite gibt. Die US-Notenbank Fed hatte am Vorabend wie erwartet etwas Schwung aus ihrem geldpolitischen Kurs genommen: Den Leitzins erhöhte sie um 0,50 Prozentpunkte und damit weniger stark als zuletzt. Von Anlegern kritisch gesehen werden aber die Projektionen der Währungshüter, die weitere und vor allem deutlichere Zinsanhebungen erwarten lassen.
Hoffnungen am Markt, die zuletzt weniger stark gestiegenen Inflationsraten könnten die Fed zu einer weniger restriktiven Perspektive bewegen, erfüllten sich nicht. "Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass es die Fed ernster mit der Inflationsbekämpfung meint als viele Marktteilnehmer glauben", urteilte der Experte Bernd Krampen von der NordLB. Die Fed nehme dazu eine Rezession in Kauf, und dies "ohne mit der Wimper zu zucken."/tih/ajx/mis
Quelle: dpa-AFX