FRANKFURT (dpa-AFX) - Die rasante Talfahrt der europäischen Immobilienwerte
Der Branchenindex der europäischen Immobilienwerte gewann bis zum Mittag 3 Prozent und setzte sich damit an die Spitze der Sektorübersicht. Am hiesigen Aktienmarkt gewannen die Papiere von Vonovia
Die Anteilsscheine von TAG Immobilien
Bei den Papieren von Aroundtown
Börsianer begründeten die deutlichen Kurssprünge mit typischen Gegenbewegungen nach Phasen andauernder Kursverluste. In einem derartigen Umfeld treten oft Schnäppchenjäger auf den Plan, die bei gesunkenen Bewertungsniveaus Kurschancen sehen.
Die Immobilienbranche wurde in diesem Jahr besonders deutlich von den Zins-, Inflations- und Rezessionssorgen der Anleger gebeutelt. So hat der Sektorindex seit Jahresbeginn 46 Prozent eingebüßt - so viel wie keine andere Branche.
Der Immobiliensektor passt sich aktuell schmerzhaft an das neue Inflationsumfeld an, das mit steigenden Leitzinsen einhergeht. Bauen wird damit tendenziell teuer, sowohl für private Bauherren als auch für große Wohnungsbaugesellschaften. Diese leiden zudem unter stark steigenden Energiepreisen und dem Mangel an Fachkräften. Insofern wird die Stornierungswelle im Wohnungsbau nach Zahlen des Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo größer. Und mit den steigenden Zinsen werden Aktien im allgemeinen und Immobilienwerte insbesondere weniger attraktiv, weil letztere dann mit ihren recht üppigen Dividendenzahlungen weniger punkten können als in einem Nullzinsumfeld.
Erst zur Wochenmitte hatten die Analysten von Goldman Sachs das aktuelle wirtschaftliche Umfeld zum Anlass genommen, um ihre Erwartungen an den Wert des Netto-Sachvermögens der europäischen Immobilienwerte weiter zu kürzen. Umgekehrt erhöhte das Team um den Experten Jonathan Kownator seine Erwartungen an die gewichteten Kapitalkosten, während die Ökonomen der US-Bank ihre Zinsprognosen für die Europäische Zentralbank und die Bank of England nach oben schraubten.
Anleger achten derzeit aber vorwiegend darauf, wie sich die US-Notenbank Fed in diesem Umfeld positioniert. Die Teuerung sei viel zu hoch, und die Inflationsrisiken deuteten nach oben, hieß es im Protokoll zur jüngsten Zinssitzung von Mitte September. Daher sei es notwendig, die Leitzinsen in einen restriktiven Bereich anzuheben. Ein solches Niveau bremst die wirtschaftliche Aktivität, reduziert aber auch die Inflationsgefahren. In diesem Bereich müssten die Leitzinsen so lange wie erforderlich gehalten werden, unterstreichen die Notenbanker.
Ab einem gewissen Zeitpunkt sei es jedoch erforderlich, das Straffungstempo zu verlangsamen, bekräftigten die Währungshüter. Denn angesichts der zahlreichen Belastungen, allen voran des Ukraine-Kriegs, muss die Fed aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Somit hoffen die Anleger von Immobilienaktien, dass die US-Notenbank einen Großteil ihrer Arbeit bereits erledigt hat und es von der Nachrichtenlage nicht mehr schlimmer kommen kann./la/tih/stk
Quelle: dpa-AFX