WIESBADEN (dpa-AFX) - Die Corona-Krise fordert Immobilienfinanzierer wie die Aareal Bank
DAS IST LOS BEI DER AAREAL BANK:
Es sollte eine gute Nachricht werden für die Aktionäre der Aareal Bank. Der MDax-Konzern
Investoren hatten schon länger ein Auge auf Aareon geworfen. Sei es, um sich selbst an der IT-Sparte zu beteiligen, sei es, um ihren Wert offenzulegen und dem Kurs der Aareal-Aktie dadurch nach oben zu verhelfen. Denn aus dem eigentlichen Bankgeschäft waren angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen kaum positive Impulse zu erwarten.
Aareon bietet Dienstleistungen für Unternehmen aus der Immobilienbranche an, die durch die Unterstützung des Datendienstleisters etwa ihre Gebäude und technischen Anlagen einfacher verwalten können.
Vor rund einem Jahr machte der Hedgefonds Teleios Capital Partners laut Insidern Druck auf die Aareal-Führung, einen Komplettverkauf von Aareon auszuloten. Die Argumentation des Großaktionärs: Aareon könnte sich allein viel besser entwickeln. Der Aareal-Vorstand wand sich - rang sich aber einige Monate später zu der Haltung durch, bei Aareon möglicherweise einen Minderheitseigner hereinzuholen. Vom offiziellen Start der Partnersuche im Mai bis zum Deal mit Advent Mitte August dauerte es dann keine drei Monate.
Schon zuvor hatte Merkens angekündigt, Aareon mit einer Reihe von Übernahmen zu stärken. Er gehe von fünf oder mehr Zukäufen pro Jahr aus, und das Unternehmen habe dafür einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag zur Verfügung, sagte er im Februar. In der Vergangenheit habe Aareon pro Übernahmeziel etwa 15 bis 20 Millionen Euro bezahlt. Dieses Volumen dürfte eher steigen, sagte Merkens - bevor die Corona-Krise Europa erfasste.
Infolge der Pandemie muss die Aareal Bank in ihrem Kerngeschäft - der Finanzierung von Gewerbeimmobilien - um manchen Kredit fürchten. Zwar konnte die Bank rote Zahlen im ersten Halbjahr vermeiden. Hohe Rückstellungen für ausfallgefährdete Darlehen ließen den Betriebsgewinn jedoch um 89 Prozent auf 13 Millionen Euro einbrechen.
Im Gesamtjahr hält Merkens weiterhin ein deutlich positives Betriebsergebnis für machbar - allerdings nur im "mittleren bis oberen zweistelligen Millionenbereich". Dabei hatten Analysten vor der Vorlage der Zwischenbilanz Mitte August im Schnitt noch auf rund 111 Millionen Euro gehofft.
Die Bank muss vor allem um Darlehen für Hotels und Einzelhandelsimmobilien fürchten. Denn die Corona-Krise hat diese Branchen besonders stark getroffen. Tourismus und Geschäftsreisen sind eingebrochen. Kaufhäusern und Modeketten ging wegen der wochenlangen Schließung der Läden das Geld aus. Einige von ihnen schließen jetzt im großen Stil Filialen.
Die Aareal Bank ist nach eigenen Angaben mit 8,7 Milliarden Euro bei der Finanzierung von Hotels engagiert. Das Geld steckt vor allem in Vier- und Fünf-Sterne-Häusern in Stadtzentren, die meisten gehören zu großen Hotelketten. Bisher seien Kredite für Hotelgebäude im Umfang von 178 Millionen Euro ausgefallen, hieß es.
Bei den Handelsimmobilien lag der Kreditbestand zuletzt bei 5,9 Milliarden Euro, davon jeweils 1,1 Milliarden in Großbritannien und den USA. Beide Länder sind von der Pandemie besonders stark betroffen. Laut Merkens musste die Bank im Handelsbereich bisher Forderungen von 369 Millionen Euro abschreiben.
Dennoch sieht der Manager die Bank gut für die Verwerfungen gerüstet. "Wir kommen bisher vergleichsweise gut durch die Krise", sagte er. So trennte sich das Institut von weiteren ausfallgefährdeten Krediten in Italien. Zugleich zog das Neugeschäft in der Immobilienfinanzierung nach den Lockdown-Monaten April und Mai wieder an. In den nächsten Monaten soll das so weitergehen, hofft der Vorstand.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Wer die Aareal-Aktie schon länger im Depot hat, ist Kursturbulenzen gewöhnt. Mit rund 19 Euro liegt ihr Kurs derzeit nur rund zwei Euro höher als zu Beginn ihrer Börsengeschichte im Jahr 2002. Doch in den Jahren dazwischen ging es heftig auf und ab. Zunächst kletterte der Kurs flott nach oben auf rund 40 Euro in den Jahren 2006 und 2007 - doch dann führte der Weg steil abwärts bis auf unter drei Euro in der Finanzkrise 2008/2009.
Als das Weltfinanzsystem zusammenzubrechen drohte, sicherte sich die Aareal Bank wie andere Institute Hilfsgelder vom Staat - und kam letztlich heil durch die Krise. Zwar dauerte es etwas, bis sich die Aktie von dem Schock erholte. Doch in den Jahren 2015 und 2018 ging es für das Aareal-Papier zeitweise wieder auf mehr als 40 Euro nach oben. Dann endete die Euphorie. Ende 2019 stand die Aareal-Aktie bei nur noch gut 30 Euro. Im Corona-Crash im März ging es dann bis auf 12,28 Euro in den Keller. Zuletzt wurde das Papier wieder zu rund 19 Euro gehandelt.
Blickt man auf die Marktkapitalisierung, macht sich erst recht Ernüchterung breit. Denn die Aareal Bank gehört dabei zu den Schlusslichtern im MDax. Zwar wird der Konzern an der Börse inzwischen wieder mit rund 1,15 Milliarden Euro bewertet. Doch allein die IT-Tochter Aareon ist nun ganz offiziell fast eine Milliarde Euro wert. Dem Rest des Konzerns - also der eigentlichen Bank - schreiben Anleger demnach gerade einmal einen Wert von rund 200 Millionen Euro zu. Damit würde die Aareal Bank selbst im Kleinwerte-Index SDax
Und im SDax könnte sich die Aareal Bank auch bald wiederfinden. Denn im September wird die Deutsche Börse die Zusammensetzung von Dax, MDax und SDax prüfen. Dann drohe auf Basis aktueller Daten zur Streubesitz-Marktkapitalisierung und angesichts der Handelsumsätze neben der RTL Group und Rocket Internet auch der Aareal Bank womöglich ein Abstieg, schrieb Analyst Pankaj Gupta von der US-Bank JPMorgan in einer aktuellen Studie. Nachrücker wären dann laut dem Experten Shop Apotheke und/oder Wacker Chemie.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Was soll man mit der Aareal-Aktie nun anstellen? Darin sind sich Analysten so uneinig, wie es sein kann. Von den sechs Branchenexperten im dpa-AFX Analyser, die ihre Einschätzung seit der Halbjahresbilanz und dem Teilverkauf von Aareon aktualisiert haben, raten je zwei zum Kaufen, zum Verkaufen und zum Halten der Aktie. Ihre Kursziele reichen von 14,50 bis 27,20 Euro und sind damit weit um den jüngsten Börsenkurs herum gestreut.
Analyst Benjamin Goy von der Deutschen Bank zeigte sich von dem Aareon-Deal mit Advent begeistert. Die Aareal Bank habe bei dem Teilverkauf einen ordentlichen Aufpreis erzielt, schrieb er - und setzte sein Kursziel von 15 auf 20 Euro nach oben. Auch sein Kollege Markus Mischker von der DZ Bank schrieb von einem sehr guten Preis für Aareon. Aus seiner Sicht liegt der Fokus derzeit aber vor allem auf dem eigentlichen Bankgeschäft. Dieses sei deutlich unterbewertet.
Bei der Beurteilung dieses Kerngeschäfts gehen die Meinungen jedoch auseinander. Die derzeitige Marktlage verstärke das seit 2015 anhaltende Problem der schwindenden Erträge deutlich, schrieb Branchenexperte Jan Lennertz von Independent Research und senkte sein Kursziel um einen Euro auf 14,50 Euro. Die Bank könne diese Ertragsrückgänge nicht durch sinkende Aufwendungen kompensieren. Zudem steige die Risikovorsorge für gefährdete Kredite.
Analyst Andreas Pläsier von Warburg Research beurteilt die Lage völlig anders. Seine positive Einschätzung des Risikoprofils und der Wachstumsaussichten des Immobilienfinanzierers habe sich bestätigt, schrieb er nach der Halbjahresbilanz. Sein Kursziel setzte er deshalb sogar um drei Euro auf 27,20 Euro nach oben./stw/mne/mis
Quelle: dpa-AFX