Die deutsche Biotest hat gleich mehrere hochinteressante Projekte im Kampf gegen Corona im Portfolio. DER AKTIONÄR hat deswegen mit dem Vorstandschef von Biotest, Dr. Michael Ramroth, über die derzeitige Lage, die Fortschritte und die Ziele gesprochen.
Herr Ramroth, Corona ist nach wie vor in aller Munde: Wie ist ihre derzeitige Einschätzung zur Lage?
Michael Ramroth: Die momentane Situation ist eine große Herausforderung – auch dahingehend, dass unsere Mitarbeitet geschützt sind. Daran setzen wir alles. Und wir haben natürlich auch als Firma ein Eigeninteresse. Denn wir wollen trotz ansteigender Infektionszahlen in Deutschland unsere Produktion weiterführen können. Das ist uns auch in den vergangenen Monaten gelungen. Wir stellen ja lebenswichtige Medikamente her – unter anderem auch für die Versorgung von Covid-Patienten. Aber wir wollen natürlich auch für unsere übrigen Patienten, die in der Regel chronisch krank sind und dauerhaft mit unseren Medikamenten behandelt werden müssen, die Versorgung weiterhin sicherstellen.
Wie sicher sind denn ihre Medikamente, was eine „Verunreinigung“ mit dem Coronavirus angeht?
Da kann ich ganz klar sagen: Sie sind sicher und coronavirenfrei. Zum einen, weil Blut ohnehin kaum das Virus überträgt. Durch Blut ist bisher keine einzige Infektion übertragen worden, was auch die FDA bestätigt hat. Zudem haben wir noch vier Virus-Inaktivierungs- und Abreichungsschritte in unserer Produktion, die sicherstellen, dass kein Coronaviurs in unseren Produkten landet. Zudem haben wir ja drei Ansätze in unserem Portfolio, mit denen wir aktiv Covid-19-Erkrankten helfen können.
Werfen wir einen Blick auf das erste Projekt im Kampf gegen Corona: Blutplasma – was ist hier das Besondere?
Wir als Plasmaprotein-Hersteller haben direkt begonnen, Plasma von genesenen Covid-19-Patienten zu sammeln. Bei jedem, der so eine Erkrankung durchgemacht hat, hat sich normalerweise eine hohe Zahl von Antikörpern gegen das Virus entwickelt. Diese sind in der Lage, das Covid-SARS-CoV-2-Virus zu identifizieren und auch zu neutralisieren. Man nimmt also das Plasma von genesenen Covid-Patienten und verabreicht dieses direkt an andere Personen, die noch an Covid-19 erkrankt sind. Die Antikörper helfen dem Erkrankten, das Virus zu bekämpfen. Dieser Ansatz wurde ja auch vom US-Präsidenten Trump also großer Durchbruch gefeiert.
Das ist eine Möglichkeit, aber nicht die effizienteste, da für einen Covid-Patienten 30 bis 40 Plasma-Spenden benötigt werden würden. Das wäre von der Menge her also kaum möglich.
Sie verfolgen aber noch einen weiteren Ansatz im Zusammenhang mit Blutplasma bei Covid.
Richtig, wir sammeln das Plasma mit dem hohen Anteil an Antikörpern gegen Covid-19 und poolen mehrere Tausend solcher Spenden zusammen. Wir sind so in der Lage die Antikörper zu konzentrieren. In einem solchen Konzentrat, einem aufgereinigten Hyperimmunglobulin, haben sie dann ein Vielfaches – etwa die 70-fache Menge – an Antikörpern einer einzelnen Plasmaspende. Das Medikament wird dann in hochkonzentrierter, standardisierter Form an Covid-19-Patienten gegeben.
Wir arbeiten hier mit anderen Plasmaprotein-Herstellern in einer globalen Allianz zusammen. Wir sammeln das Plasma nun gemeinsam, sprechen das Studiendesign gemeinsam mit den regulatorischen Behörden in Europa und den USA ab und stellen das Produkt auch gemeinsam her.
Wie ist hier die Timeline?
Die entsprechende Phase-2-Studie wird in Kürze von der Allianz in den USA und in Europa angemeldet. Spätestens im Dezember sollten dann die ersten Patienten eingeschlossen werden. Mit den Ergebnissen dieser Studie ist Mitte bis Ende des ersten Quartals zu rechnen. Auf dieser Grundlage könnte dann eine bedingte Zulassung für Covid-19-Patienten erfolgen. Diese würden dann alle Hersteller dieses Hyperimmunglobulins erhalten. Dann ist die Absprache, dass dieses neu hergestellte Präparat der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Verfügung gestellt wird, damit diese es dann auf die Länder verteilt, wo das Infektionsgeschehen im Moment am schlimmsten ist. CSL und wir werden das Produkt für Europa herstellen. Wir werden im Oktober mit der Produktion in Dreieich starten.
Wie würde sich die Zulassung ergebnisseitig bei Ihnen auswirken?
Die erste Tranche wird der WHO kostenlos zur Verfügung gestellt. Dementsprechend wird sich eine Zulassung nicht direkt auf unsere Zahlen auswirken. Aber Covid-19 wird ja nicht verschwinden. Das wird uns wahrscheinlich noch viele Jahre begleiten. Und ab der zweiten Jahreshälfte 2021 wären die Beteiligten der Allianz dann auch frei, das Produkt selbst zu vermarkten.
Sie verfügen noch über einen weiteren Hoffnungsträger im Kampf gegen Corona Trimodulin. Was ist hiervon zu erwarten?
Wir hatten das Glück, dass wir Trimodulin bereits in der Pipeline hatten. Es handelt sich dabei um ein Immunglobulin-Präparat, das auf drei Arten wirkt. Hier spielt IgM als größtes der Antikörpermoleküle eine entscheidende Rolle. Es erkennt, wenn ein Stoff über den Rachen oder die Luftröhre eingetreten ist, der da eigentlich nicht hingehört und aktiviert so das Immunsystem.
Das Produkt befand sich bereits in unserer Pipeline für Patienten mit einer schweren ambulant erworbenen Lungenentzündung. Schwer heißt, dass der Patient auf die Intensivstation eingeliefert werden muss, um dort künstlich beatmet zu werden. In unserer Phase-2b-Studie konnten wir zeigen, dass die Mortalität durch eine rechtzeitige Gabe von Trimoulin um bis zu 70 Prozent reduziert wurde. Wir haben in der Studie gezeigt, dass sehr viel früher mit der künstlichen Beatmung aufgehört werden kann, weil die Lunge wieder genügend Kraft hat, um selbst entsprechend zu arbeiten.
Und genau das sollte auch bei Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen hilfreich sein. Wir haben jetzt entsprechende Studien in Spanien, Brasilien, Russland und Frankreich eingereicht. Die Studie umfasst 160 Patienten - davon 80, die mit unserem Trimodulin behandelt werden und 80, die eine normale Therapie bekommen. In Spanien hat die Studie bereits begonnen und die ersten Patienten wurden bereits behandelt.
Wann sind hier Daten zu erwarten?
Wir hoffen, dass wir bis spätestens Februar kommenden Jahres die Behandlung der 160 Patienten abgeschlossen haben. Und wenn die Daten bei Covid ähnlich sind wie die Daten, wie wir sie bei der Behandlung der schweren Lungenentzündungs-Patienten gesehen haben, dann hat uns die Europäische Zulassungsbehörde EMA zugesagt, dass sie uns eine Zulassung unter Auflagen erteilen wird. Unter Auflagen heißt, wir dürfen das Präparat nur an Covid-Patienten verabreichen. Und wir müssen eine Phase-3-Studie noch nachholen. Aber wir können sofort in Vertrieb gehen und auch direkt Umsätze ab dem ersten Quartal 2021 generieren.
In welcher Größenordnung könnte Trimodulin bei Covid im kommenden Jahr zum Umsatz beitragen?
Das wird dann ein zweistelliger Millionenbetrag sein – und zwar ein margenstarker.
DER AKTIONÄR hat die Aktie von Biotest in Ausgabe 36/2020 erneut zum Kauf empfohlen. Die Erstempfehlung erfolgte im Mais dieses Jahres bei 20,80 Euro. Seitdem notiert das Papier nun bereits deutlich im Plus. DER AKTIONÄR sieht bei dem Unternehmen jedoch enormes Potenzial im Kampf gegen Corona. Dieses spiegelt sich im Kurs der Aktie allerdings noch nicht vollumfänglich wider. Anleger sollten deswegen, die Gewinne laufen lassen.