Die Bayer-Aktie hatte am Montag den höchsten Stand seit Anfang August erreicht, dann aber schnell wieder rund fünf Prozent oder 2,5 Milliarden Euro an Börsenwert verloren. Der Grund: In den USA empfiehlt ein Expertengremium Menschen über 60 Jahren nicht länger die tägliche Einnahme von Aspirin Cardio, um das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls zu reduzieren. Bayer wiegelt ab.
Menschen zwischen 40 und 59 Jahren, die einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen unterliegen, aber ohne Vorgeschichte sind, sollten ihren Arzt zu Rate ziehen und dann selbst entscheiden, ob sie mit der regelmäßigen Einnahme des Medikaments beginnen wollten, erklärte das Gremium in dieser Woche.
Die Entscheidung der von der US-Regierung ernannten unabhängigen Experten zur Prävention von Krankheiten (USPSTF) stellt eine Kehrtwende in der US-Medizin dar: Die Einnahme von Aspirin ist in den USA weitverbreitet, weil es blutverdünnend wirkt und somit gefährlichen Thrombosen vorbeugen kann.
Seit 2016 empfiehlt das Expertengremium deshalb allen Menschen zwischen 40 und 50 Jahren die tägliche Einnahme des bekannten Schmerzmittels, wenn sie ein mindestens zehn Prozent erhöhtes Risiko haben, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Bei älteren Menschen mit erhöhtem Risiko sollte demnach über die Einnahme individuell entschieden werden.
Studien stellen diese Empfehlungen inzwischen aber in Frage. Auch die Experten verwiesen auf Hinweise, wonach das Risiko von inneren Blutungen, insbesondere im Gehirn oder im Darm, bei regelmäßiger Einnahme von Aspirin mit dem Alter zunehmen soll.
"Die tägliche Einnahme von Aspirin kann dazu beitragen, Herzinfarkten und Schlaganfällen vorzubeugen, aber sie kann auch potenziell schwerwiegende Schäden verursachen, wie etwa innere Blutungen", erklärte der USPSTF-Vertreter John Wong. Die Vorteile des Medikaments reichten nicht aus, um dieses erhöhte Risiko auszugleichen.
Die neuen Empfehlungen sind allerdings noch nicht endgültig. Sie werden bis Anfang November öffentlich zur Diskussion stehen. Von der Kehrtwende nicht betroffen ist zudem die bisherige Empfehlung für Patienten, die Aspirin nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt einnehmen.
Bayer sieht sich von der Debatte nicht tangiert: In den USA bietet der für die Marke Aspirin bekannte Pharmakonzern die zur Herzinfarktprophylaxe eingesetzte Variante des niedrig dosierten Aspirin Cardio nicht selbst an, sondern nur das Schmerzmittel selbst, wie ein Sprecher sagte.
Die jüngsten Nachrichten aus den USA scheinen keinen nachhaltigen Einfluss auf die Aktie zu haben. Es passt aber ins Bild, dass es beim deutschen Pharmakonzern nicht rund läuft. DER AKTIONÄR bleibt deshalb bei seiner vorsichtigen Einschätzung.
(mit Material von Bloomberg)