Die Aktie des britisch-niederländischen Energieriesen Royal Dutch Shell kämpft weiterhin darum, einen nachhaltigen Boden auszubilden und damit den monatelangen Kursrückgang nachhaltig zu stoppen. Doch hierbei gab es von Seiten des Ölmarktes bisher so gut wie keine Rückenwind. Doch dies könnte sich nun bald ändern.
Denn das Ölkartell Opec ist grundsätzlich für eine deutliche Förderkürzung beim Rohöl, setzt aber auch auf die Unterstützung seiner zehn Kooperationspartner – allen voran Russland. Am Freitag wollen die insgesamt 24 Staaten ("Opec+") darüber beraten, ob sie künftig 1,5 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger aus dem Boden pumpen werden als zuletzt.
Die Opec hat sich am Donnerstag auf diese Strategie verständigt, nachdem der Ölpreis auch wegen der Folgen des neuen Coronavirus in die Knie gegangen war. Die 14 Opec-Mitglieder wollen dafür die Tagesproduktion um eine Million Barrel Öl kürzen und hoffen auf eine Reduktion bei den Partnern um 500.000 Barrel (je 159 Liter). Ob Russland und die anderen Partnerländer dieser Strategie folgen, ist aber nicht sicher.
Zunächst hatte das Ölkartell am Donnerstag mitgeteilt, dass eine entsprechende Kürzung für das zweite Quartal angestrebt wird. Nach weiteren Verhandlungen hieß es am späten Donnerstagabend, dass man den Strategievorschlag gleich auf das gesamte Jahr 2020 ausgeweitet habe - eine Verschärfung des Plans, nachdem am Nachmittag der Ölpreis nach der ersten Ankündigung nicht gestiegen war.
Letzte Kürzung blieb wirkungslos
Die angestrebte Kürzung entspräche rund 1,5 Prozent der weltweiten Rohölproduktion und wäre ein deutliches Signal des "Opec+"-Verbundes, der bereits seit drei Jahren versucht, den Ölpreis mit Förderlimits zu stabilisieren. Die im Dezember vereinbarte Kürzung hatte aber keinen Effekt, weil in den Wochen danach das neue Coronavirus die Weltwirtschaft ins Stocken brachte. Das vom Virus stark betroffene China ist einer der größten Öl-Importeure weltweit. Seit Jahresbeginn ist der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent von rund 65 auf unter 51 US-Dollar gesunken. Zudem erwarten mehrere Experten und Organisationen, dass die Nachfrage nach Rohöl deutlich langsamer als erwartet wachsen oder sogar zurückgehen wird.
Experten rechnen mit Kürzung von einer Million Barrel
Vor den Treffen der Opec am Donnerstag und der "Opec+" am Freitag hatten Analysten eine Kürzung um eine Million Barrel pro Tag oder mehr als realistisches Szenario eingestuft. Der Ölpreis reagierte am Donnerstag aber nicht wie wohl von der Opec gewünscht auf die Verkündung der Strategie. Am Nachmittag lag der Brent-Preis pro Barrel um 1,22 US-Dollar unter dem Preis vom Vormittag. Eine Auswirkung möglicher "Opec+"-Beschlüsse etwa auf die Benzinpreise lässt sich daher nur schwer vorhersagen.
Eine Kürzung um 1,5 Millionen Barrel pro Tag wäre aber durchaus ein ernstzunehmender Einschnitt. Die Opec-Staaten produzieren derzeit rund 28,9 Millionen Barrel Öl pro Tag, gemeinsam mit den zehn Kooperationspartnern kommen sie auf eine Tagesproduktion von rund 45 Millionen Barrel Öl. Bereits im Dezember hatten sich die 24 Staaten darauf verständigt, 2,1 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger zu produzieren als im Oktober 2018. Hinzu kamen zuletzt Produktionsausfälle durch die krisengebeutelten Staaten Iran, Venezuela und Libyen. Alle drei werden bei den Kürzungsdeals ausgenommen.
Bereits vier Millionen Barrel unter "Normal-Niveau"
Insgesamt pumpt die Opec dadurch etwas mehr als vier Millionen Barrel Öl pro Tag weniger aus dem Boden als noch im Dezember 2016, dem bislang letzten Monat ohne ein "Opec+"-Förderlimit. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Rohöl und auch die tägliche weltweite Produktion deutlich gestiegen. Die "Opec+" läuft daher Gefahr, durch ihre immer strengeren Förderlimits Marktanteile zu verlieren. Während die 24 Staaten ihre Produktion in den vergangenen Jahren eingeschränkt haben, wurde etwa die Produktion in den USA deutlich erhöht.
Das Marktumfeld für Energietitel bleibt angesichts der schwächelnden Konjunktur und der anhaltend guten Ölversorgung nach wie vor sehr schwierig. Allerdings sollten diese Risiken bei der derzeit enorm günstigen Bewertung mehr als eingepreist sein. Mutige Dividendenjäger mit einem langen Atem können allmählich wieder erste Positionen aufbauen (Stoppkurs: 15,50 Euro).
Mit Material von dpa-AFX
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