Die net digital AG ist noch relativ neu auf dem deutschen Kurszettel und den meisten Anlegern sicherlich kaum bekannt. Der Börsengang erfolgte durch ein Reverse-IPO über die ehemalige Black Pearl AG. net digital entwickelt über die eigene Technologieplattform digitale Zahlungslösungen wobei der Fokus auf digitale Inhalte liegt. Typische Kunden kommen aus den Bereichen Telekommunikation, Medien und Entertainment. Der Digitalisierungsspezialist will mit 15 bis 25 Prozent pro Jahr wachsen und plant auch über Akquisitionen zu expandieren. Im Interview mit DER AKTIONÄR gibt Vorstandschef Theodor Niehues einen detaillierten Einblick in die neu formierte net digital AG und verrät auch mehr über die forcierten KI-Aktivitäten.
DER AKTIONÄR: Herr Niehues, die net digital AG ist per Reverse-IPO über den Börsenmantel der Münchener Black Pearl seit einigen Monaten an der Börse gelistet. Können Sie uns das Geschäftsmodell kurz vorstellen?
Theodor Niehues: net digital ist im Paymentsegment für digitale Güter tätig. Wir bieten die gesamte Wertschöpfungskette an – vom Content Enabling bis hin zur Abrechnung und Auslieferung der Inhalte auf Smartphones, Tablets, PCs und TV. Das gesamte Spektrum wird durch eine eigene KI-Lösung unterstützt.
DER AKTIONÄR: Wer ist ein typischer Kunde für net digital, welche Kunden, die man kennt, haben Sie?
Theodor Niehues: net digital hat Kunden in den unterschiedlichsten Segmenten. Typisch sind zum Beispiel Mobilfunkunternehmen wie Vodafone und Telefonica oder bekannte Verlagsunternehmen wie etwa die Stiftung Warentest.
DER AKTIONÄR: Wo ist der Unterschied im Geschäftsmodell gegenüber klassischen Paymentanbietern?
Theodor Niehues: Der Unterschied ist, dass net digital eine universelle und modulare Plattform anbietet, die die Kunden gesamt oder in Teilen nutzen können. Dies wird unterstützt von einer selbst entwickelten KI-Lösung, die uns sehr differenziert. Wir kommen ganz klar aus dem mobilen Bereich und bieten Kunden an, ihre digitalen Produkte zu verwalten und zielgerichtet auf alle möglichen Endgeräte wie Smartphones, Tablets, PC oder TV auszuspielen. Klassische Paymentanbieter befassen sich fast ausschließlich mit klassischen Bezahlmethoden wie Kreditkarte. Dafür haben wir entsprechende Plattformen im Einsatz. Dies natürlich inklusive unterschiedlicher Bezahlmethoden von der Bezahlung über die Handyrechnung bis hin zur Kreditkarte. Kunden können die Gesamtleistung beziehen oder auch nur einzelne Module nutzen. Wir bieten nicht nur Payment an, sondern unterstützen unsere Kunden nachhaltig bei allen digitalen Prozessen.
DER AKTIONÄR: Wie muss man sich das Wettbewerbsumfeld vorstellen, eher hart umkämpft oder bieten sich auch aufgrund der geringen Penetrationsrate digitaler Zahlungen noch genügend Wachstumspotenziale?
Theodor Niehues: Es handelt sich weiterhin um einen wachsenden Bereich. Schaut man sich allein beispielsweise den Zeitungsmarkt an, so war früher im Internet alles kostenlos. Jetzt bauen alle Publisher sogenannte Paywalls ein oder bieten kostenpflichtige Plus-Angebote an. Der gleiche Trend ist in anderen Bereichen zu erkennen.
DER AKTIONÄR: Ist es richtig anzunehmen, dass das Geschäftsmodell zu einem großen Teil auf transaktionsbasierten Umsätzen basiert?
Theodor Niehues: Ja, es handelt sich um ein Geschäftsmodel, was auf Transaktionen beruht. Wir haben eine Plattform aufgebaut, die skaliert, mandantenfähig ist. Sie unterstützt unserer Kunden, die damit erfolgreicher sind. Es besteht keine Werberisiko. Das Risiko für die Produkte liegt nicht bei net digital, sondern bei den Kunden
DER AKTIONÄR: Wie hoch ist der Provisionssatz im Schnitt für net digital und wie hoch das Transaktionsvolumen, das in etwa über die Plattform von net digital abgewickelt wird?
Theodor Niehues: Der ist sehr unterschiedlich. Es ist abhängig davon, wieviel Module eine Kunde von unserer Plattform nutzt. Er liegt zwischen 2 und 20 Prozent
DER AKTIONÄR: Sie haben auch eine eigene KI-Lösung im Portfolio. Was genau verbirgt sich dahinter?
Theodor Niehues: Ja, hier haben wir eine wirkliche Innovation. Wir haben bei unserer Tochter irisnet eine Plattform entwickelt, die von der Wertschöpfung ähnlich aufgestellt ist, wie die von Google oder Facebook. Allerdings haben wir das Verfahren optimiert, um zum Beispiel schneller Bilder zu erkennen und zu analysiere. Unsere KI wird mit Machine Learning trainiert. Die Schwerpunkte liegen derzeit in der Bild- und Videoerkennung in den Bereichen Daten- und Jugendschutz, Personen- und Objekterkennung, Gesichtserkennung und Texterkennung. Die Anwendungsmöglichkeiten sind aber sehr vielfältig, wir arbeiten beispielsweise auch an einem Forschungsprojekt zum Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Ampelsteuerung. Zunächst fokussieren wir uns auf alles, was mit Bezahlabwicklungen und Jugendschutz zu tun hat. Die rechtlichen Anforderungen und die Vorgaben von Unternehmen wie MasterCard oder VISA sind so stark gestiegen, dass sämtliche Inhalte geprüft sein müssen. Hier sind wir Gesamtanbieter und haben einen echten technischen USP gegenüber allen Wettbewerbern im Payment-Segment.
DER AKTIONÄR: 2020 gingen nach unserer Schätzung rund 8,5 Mio. € Umsatz durch die Bücher, bei rund 300.000 € operativem Gewinn. Wo wollen Sie umsatz- und ergebnistechnisch hin, was ist realistisch in den nächsten 5 Jahren?
Theodor Niehues: Wie sich der Markt entwickelt ist schwer vorherzusehen - insbesondere nach der Pandemie. Generell planen wir jährlich ein Wachstum zwischen 15 und 25 Prozent. Natürlich sind zur Beschleunigung des Wachstums auch Zukäufe eine Option.
DER AKTIONÄR: Die Black Pearl verfügt über einen Verlustvortrag. Ist dieser für net digital nutzbar?
Theodor Niehues: Bisher liegen uns keine Entscheidungen der Behörden vor – wir gehen aber davon aus.
DER AKTIONÄR: Für ein Unternehmen in der aktuellen Größenordnung ist ein Börsengang normalerweise nicht der nächste Weg – brauchen Sie frisches Kapital oder wozu das IPO durch die Hintertüre?
Theodor Niehues: Die net digital ist operativ positiv. Es gibt mehrere Gründe für einen IPO. Wir planen ein starkes Wachstum und daher ist es nicht ausgeschlossen, dass wir auch ggf. neues Kapital aufnehmen, um beispielsweise anorganisch zu wachsen. Ein weiterer Grund ist, dass es immer schwieriger wird, gute Mitarbeiter zu gewinnen. Da bietet eine Börsennotierung einen erheblichen Vorteil.
DER AKTIONÄR: Wie sieht es mit potenziellen Übernahmekandidaten aus, gibt es Kandidaten, wo Sie bereits genauer hinsehen?
Theodor Niehues: Wir schauen uns permanent um. Es gibt zwei Stoßrichtungen. Einerseits Unternehmen mit einem klaren technologischen USP oder Unternehmen, mit denen wir die Kundenbasis schnell ausbauen können. Diese Unternehmen können auch in angrenzenden Bereichen liegen.
Vielen Dank für das Interview, Herr Niehues!
Die net digital AG ist mit einem aktuellen Börsenwert von rund 14 Millionen Euro (bei einem Kurs von 9,70 Euro) ein klassischer Micro-Cap. Angesichts der Skalierbarkeit des bereits profitablen Geschäftsmodells, der ansprechenden zweistelligen Wachstumsraten geht die Bewertung in Ordnung. Vor allem in der KI-Tochter steckt eine Menge Potenzial, wenn es dem Management gelingt, weitere Kunden zu akquirieren. Konkretes Zahlenmaterial gibt es für den Wert noch nicht, da die Gesellschaft in der aktuellen Struktur erst seit Anfang 2021 existiert. Sehr risikobereite Anleger haben hier die Möglichkeit, bei einer noch sehr kleinen Gesellschaft frühzeitig dabei zu sein. Die Positionsgröße sollte aber dem hohen Risiko angepasst sein.