Nach Angaben von Gazprom sind 94 Prozent des rund 1.230 Kilometer langen Doppelstrangs von Nord Stream 2 bereits fertiggestellt. Nun sollen noch die letzten sechs Prozent der Pipeline errichtet werden. Deshalb hat das "Pipeline-Verlegeschiff Fortuna, das am 24. Januar die Arbeiten im Verlegekorridor in der dänischen Ausschließlichen Wirtschaftszone aufgenommen hatte, hat nach erfolgreichen Tests heute mit der Weiterverlegung begonnen", wie die Projektgesellschaft am Samstagabend mitteilte.
Alle Arbeiten erfolgten in Übereinstimmung mit den vorliegenden Genehmigungen, teilte das Unternehmen mit. "Zum Bauablauf und den weiteren Planungen werden wir entsprechend informieren", hieß es. Schon vor gut zwei Wochen hatte das russische Spezialschiff "Fortuna" mit Vorbereitungen und Tests begonnen. Zuletzt war Ende des vergangenen Jahres ein 2,6 Kilometer langer Abschnitt in deutschen Gewässern fertiggestellt worden. Der Bau hatte zuvor ein Jahr geruht, nachdem Sanktionsdrohungen aus den USA Ende 2019 zum Abzug von Spezialschiffen einer Schweizer Firma geführt hatten.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach sich trotz der aktuell belasteten Beziehungen zu Russland für den Weiterbau der Ostsee-Gasleitung aus. "Das eine sind seit Jahrzehnten bestehende Wirtschaftsbeziehungen und Wirtschaftsprojekte von Unternehmen, das andere sind schwere Menschenrechtsverletzungen und unsere Reaktionen darauf", sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuletzt betont, dass sie Nord Stream 2 und den Fall des Kremlkritikers Alexey Nawalny nicht miteinander verknüpfen wolle. Wegen der Inhaftierung Nawalnys werden in der EU bereits seit dem vergangenen Monat neue EU-Sanktionen gegen Russland diskutiert.
"Ein europäisches Projekt"
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz begrüßte das Festhalten der Bundesregierung an Nord Stream 2. Es handele sich um ein "europäisches Projekt", das im Interesse vieler EU-Länder sei, sagte Kurz der "Welt am Sonntag". "Ich halte nichts davon, die notwendige Reaktion auf das Vorgehen gegen den Oppositionellen Nawalny mit dem Bau von Nord Stream 2 zu verknüpfen. Wer glaubt, dass die neue Pipeline nur im Interesse Russlands wäre, der irrt", so Österreichs Kanzler weiter. Von dem Projekt profitierten vielmehr auch Deutschland, Österreich und einige andere europäische Länder.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte: "Ich halte den Weiterbau für richtig. Wir brauchen, wenn die Energiewende gelingen soll, neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien für eine Übergangszeit noch Gas als weiteren Energieträger." Die Landesregierung und der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern hätten den Bau der Pipeline deshalb immer befürwortet. "Sie ist rechtsstaatlich genehmigt. Es fehlen nur noch wenige Kilometer. Die Pipeline sollte jetzt auch fertiggestellt werden."
Trotz allen Widerständen stehen die Chancen gut, dass Nord Stream 2 fertiggestellt werden kann. Da Gazproms Marktmacht auch in anderen Teilen der Welt weiter wächst und die Bewertung nach wie vor enorm günstig ist, können Anleger mit einem starken Nervenkostüm weiterhin zugreifen. Der Stoppkurs sollte bei 3,60 Euro belassen werden.
Mit Material von dpa-AFX