„Amazing!“ In der Firmenzentrale von Yeah3000.com, dem „geilsten Start-up der Welt“, hüpfen schrille Manager in neonfarbenen Klamotten durch die Gänge, verwenden peinliche Anglizismen und feiern sich im Konfettiregen selbst. Die Party bricht abrupt ab, als jemand die Frage stellt: „Ist ja alles ganz cool. Aber was arbeitet ihr hier eigentlich?“
Yeah3000.com ist eine fiktive Firma im neuen Imagevideo von Axel Springer. Die Berliner können sich diesen Seitenhieb auf laute, aber substanzlose Internetfirmen leisten. Denn Europas größter Verlag weiß sehr wohl, was zu tun ist, um vom Internet-Boom zu profitieren, zu wachsen und dabei ordentlich Geld zu verdienen. Zwar fördert Axel Springer mit dem Programm „Plug and Play“ auch Start-ups mit Anschubfinanzierungen. Entscheidend ist aber das Portfolio bereits etablierter und hochprofitabler Internetplayer.
Idealo.com: Optimal gekauft
Ein Aushängeschild ist Idealo.de. Im Jahr 2001 besuchte der Autor dieses Artikels das blutjunge 3-Mann-Start-up noch in einem kleinen Büro im Prenzlauer Berg, welches spartanisch mit Tapeziertischen als Schreibtischen ausgestattet war. Aus der damals noch nackten Idee, ein Preisvergleich-Portal aufzubauen, ist im Laufe der Jahre ein hochprofitables Unternehmen geworden. Knapp 700 Mitarbeiter sorgen heute in Berlin dafür, dass User erkennen, in welchem Internetshop es etwa das neue iPhone 6 am günstigsten zu kaufen gibt. Idealo.de verlinkt zu dem entsprechenden Shop und erhält dafür einen Centbetrag. Das summiert sich angesichts von über zwei Millionen Produkten. Konkrete Zahlen zu Idealo gab es zuletzt für das Jahr 2010, als ein Umsatz von 30 Millionen Euro gemeldet wurde. Anschließend ist die Internetperle weiter stark gewachsen. „Es geht uns sehr gut, wir blicken zuversichtlich nach vorne“, so Idealo-Unternehmenssprecher Patrick Lohmeier gegenüber dem aktionär. Axel Springer hatte sich 2006 rund 75 Prozent der Firmenanteile gesichert. Seitdem ist das Geschäft der Digitaltochter um den Faktor 10 gewachsen. Hauptgrund: Google hat ab 2011 seinen Suchalgorithmus umgestellt. Idealo wird dank guter Inhalte bei Google immer noch schnell gefunden – Dutzende Konkurrenten hingegen werden nicht mehr beim Googeln angezeigt und sind im wahrsten Sinne des Wortes verschwunden.
Stepstone und SeLoger
Neben Idealo befinden sich viele weitere Gewinnbringer im Portfolio des Verlages, darunter Stepstone, das größte Jobportal Deutschlands, Großbritanniens und Belgiens. Eine eindrucksvolle Wachstumsstory ist auch SeLoger. Das französische Immobilienportal Nummer 1 – vergleichbar mit Immobilienscout24 (siehe Seite 23) – erzielte bereits zum Zeitpunkt der Komplettübernahme durch Axel Springer vor vier Jahren bei einem Jahresumsatz von rund 80 Millionen Euro einen Gewinn von über 40 Millionen Euro.
Analyst Jochen Reichert von Warburg Research unterstrich im Gespräch mit dem aktionär die Bedeutung der Töchter Idealo, Stepstone und SeLoger. Zumal das reichweitenstarke Portal Bild.de noch auf der Suche nach dem idealen Geschäftsmodell ist. „Bild.de trägt noch relativ wenig zum Umsatz und Gewinn der Digitalsparte bei. Hier wird spannend zu beobachten sein, wie sich die Bezahlschranke im Markt etabliert“, so Reichert, der in den nächsten Jahren mit weiteren Internet-Zukäufen bei Axel Springer rechnet.
Im Oktober gab Springer bereits eine 20-Millionen-Dollar-Investition in das hippe US-Newsportal Ozy.com bekannt. Auch die jüngste Integration des ungarischen Jobportals Profession.hu unterstreicht die Wachstumsambitionen.
Digital schlägt Print
Wer beim Namen Axel Springer zuerst an die Bild-Zeitung im Postkasten oder die Zeitschrift Die Welt am Frühstückstisch denkt, liegt falsch. Papier ist Vergangenheit. Am wichtigsten für den Traditionsverlag sind schon jetzt Kunden, die per Smartphone oder Tablets Angebote des Konzerns nutzen. Beweis für den erfolgreichen Umbau: Die digitalen Aktivitäten trugen im ersten Halbjahr bereits mehr als 51 Prozent zum Konzernumsatz und mehr als 65 Prozent zum Konzern-EBITDA bei. Vorstandschef Mathias Döpfner bezeichnet das Digitalgeschäft als „zentralen Treiber für nachhaltiges profitables Wachstum“. Besonders viel traut der CEO den Rubrikenangeboten zu, worunter Immobilien- und Autoportale wie Autohaus24.de fallen.
2012 wurde alleine das Rubrikengeschäft mit einem Gesamtwert von 1,25 Milliarden Euro bewertet. Springer hält daran 70 Prozent und der Partner General Atlantic 30 Prozent. Im Markt wird seitdem immer wieder über einen Börsengang der Sparte spekuliert, eine Gesamtbewertung des Rubrikengeschäfts von drei Milliarden Euro stand dabei im Raum.
Zwar scheint eine solche Bewertung im aktuellen Marktumfeld ambitioniert, doch zumindest auf mittlere Sicht dürfte die Fantasie eines IPOs immer wieder für wichtige Impulse für das Axel-Springer-Papier sorgen.
Wunschziel Gewinnverdopplung
Nach außen gibt sich der Konzern gerne zugeknöpft und konservativ, doch intern packt Döpfner offenbar auch gerne einmal die große Motivationskeule aus. Presseberichten zufolge sagte Döpfner auf einer Mitarbeiterveranstaltung am 28. August, dass es für den Konzern künftig „ohne Wenn und Aber um Wachstum“ gehe. Meedia.de hatte ihn zitiert mit den Worten: „Warum sollte Axel Springer kein Unternehmen sein, das eine Marktkapitalisierung von zehn Milliarden Euro und einen Börsenkurs von 100 Euro erreicht?“ Den Plan, wie das zu erreichen ist, brachte Döpfner gleich mit. Es sei „absolut möglich“, einen bereinigten EBITDA-Gewinn von einer Milliarde Euro zu erzielen. Zum Vergleich: Im laufenden Jahr erwarten Analysten ein EBITDA in Höhe von 530 Millionen Euro. 2015 sollen dann 575 Millionen Euro übrig bleiben.
Finanzielle Flexibilität für Wachstumsinvestitionen hat Axel Springer mittlerweile genug. So könnte die Nettoverschuldung dank des Verkaufs von klassischen Zeitungsmarken wie Hörzu zuletzt von 471 auf 104 Millionen Euro reduziert werden.
Trotz der Wachstumsperspektiven bleibt Axel Springer eine zuverlässige Dividendenaktie. „Ich gehe in den nächsten Jahren eher von leicht steigenden als von stagnierenden Ausschüttungen aus“, so Reichert.
Dividende und Fantasie
Axel Springer vereint hochkarätige Internetfirmen unter seinem Dach. Angesichts einer Dividendenrendite von vier Prozent kann die Aktie eingesammelt und auf lange Sicht auf eine Internet-Party gesetzt werden – eine richtige.
Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 43/2014 in der Rubrik Top-Tipp Konserativ erschienen.