Immobilien-Aktien gehörten am Dienstag zu den schwächsten Werten am deutschen Aktienmarkt. Die Branche leidet massiv unter der Zinswende, nachdem sich der von Notenbanken kürzlich noch erhoffte moderatere Kurs nicht abzeichnet. Im Gegenteil: Die Bank of Japan rückt ein wenig von ihrer bisher extrem lockeren Geldpolitik ab und sorgt bei Immo-Werten für Verkäufe.
Der Branchen-Index Stoxx Europe 600 Real Estate hat auf Jahressicht fast 42 Prozent verloren und ist damit der schwächste Sektor in Europa. Mit anziehenden Marktzinsen kann sich die Refinanzierung von Immobilien verteuern. Zudem sind Mieterhöhungen wegen der hohen Teuerung aktuell schwerer durchsetzbar.
Aroundtown mit dem größten Tagesminus
Am deutschen Aktienmarkt fielen die Aktien von Aroundtown am Dienstag zeitweise mit prozentual zweistelligem Verlust besonders negativ auf. Dabei sorgte ein Analysten-Votum für eine Verstärkung des Verkaufsdrucks. Berenberg-Experte Kai Klose strich am Morgen seine Kaufempfehlung für Aroundtown. Er sieht für den MDAX-Wert nun nur noch ein Kursziel von 3,00 Euro statt zuvor 3,50 Euro. Die Einschätzung wurde von "Buy" auf "Hold" abgestuft.
Klose sieht vor allem anhaltende Diskussionen um die ewigen Anleihen des Gewerbeimmobilien-Spezialisten als fortwährende Belastung. Zuletzt hatte Aroundtown eine Coupon-Zahlung angekündigt, um die es zuvor einige Unsicherheit gegeben habe.
Am Dienstag standen auch Vonovia im DAX mit 2,8 Prozent unter Druck, sowie LEG und TAG Immobilien im MDAX mit Kursabschlägen von 3,0 bzw. 3,2 Prozent unter Druck. Im SDAX verloren die Papiere von Grand City Properties 2,2 Prozent.
Stifel erwartet Dividenden-Kürzungen
Bereits am Freitag hatte die Investmentbank Stifel die geldpolitischen Unsicherheiten zum Anlass genommen, den ganzen deutschen Immobiliensektor auf "Neutral" abzustufen. In seiner Studie zeigte sich Analyst Tom Carstairs skeptisch für den Sektor wegen der weiterhin großen Zinsunsicherheit. Diese herrscht, weil steigende Zinsen die Finanzierung verteuern und damit den ganzen Immobilienmarkt bremsen.
Unter diesen Umständen scheide ein Wiederanziehen der Transaktionen als potenziell positiver Kurstreiber aus, ergänzte der Experte. Er fürchtet außerdem, dass Dividenden-Kürzungen für das Jahr 2022 in Wohnimmobilien-Werten noch nicht vollständig eingepreist sind.
Schwache Wohnungsbau-Zahlen aus den USA
Am Dienstag-Nachmittag kamen zudem dürftige Immo-Zahlen aus den USA. Dort hat das Wohnungsbaugeschäft im November wegen steigender Zinsen weiter an Fahrt verloren. Die Zahl der neu begonnenen Projekte fiel hochgerechnet auf das gesamte Jahr um 0,5 Prozent auf 1,427 Millionen, wie das Handelsministerium mitteilte. Im Oktober war es sogar um 2,1 Prozent auf 1,434 Millionen nach unten gegangen.
Die Zahl der Baugenehmigungen als Indikator für das künftige Baugeschehen brach zugleich ein, und zwar um 11,2 Prozent auf annualisiert 1,342 Millionen.
Der Baubranche macht zu schaffen, dass mit den Zinserhöhungen durch die Notenbank Fed auch die Hypotheken-Kredite teurer werden. Die kräftig gestiegenen Preise für Holz und Baumaterialien sorgen für zusätzlichen Kostendruck für Häuslerbauer.
Die US-Notenbank Federal Reserve hat die ausufernde Inflation zuletzt mit ungewöhnlich großen Zinsschritten bekämpft. Sie hat den Leitzins jüngst um einen halben Prozentpunkt angehoben auf die neue Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Zuvor hatte sie vier Mal in Folge noch größere Zinsschritte vollzogen – um jeweils 0,75 Prozentpunkte.
Für Immobilien-Aktien ist das Umfeld schwierig Wahrscheinlich kommt es erst zu einer signifikanten Erholung, wenn die Notenbanken den Fuß spürbar vom (Zins-)Gas nehmen. Für einen Einstieg in größerem Umfang erscheint die Zeit noch zu früh. Mutige Anleger können indes eine erste, kleine Position aufbauen.
(Mit Material von dpa-AFX und Reuters)