Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie Verlautbarungen von Behörden lesen. Es macht für meinen Geschmack zu oft den Eindruck, dass man die Empfänger der Informationen, also uns, manchmal für verblödet hält. Im besten Fall schießt man wie im Fall Wirecard "nur" mit Kanonen auf Spatzen.
Nehmen wir zum Beispiel die USA. Das amerikanische Handelsministerium sieht in Autos aus der EU eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Ich dachte immer, die Gefahr geht – Achtung, politisch korrekter Ausdruck – von der fahrenden Person aus. Man kann sich ja jeden Quatsch ausdenken, um Strafzölle erheben zu können. Aber Schwamm drüber, was für deutsche Autos gilt, gilt dann umgekehrt auch für die nationale Sicherheit in der EU. Dann passt das also wieder.
Symptomatisch war dann die Antwort von Mutti Merkel auf den Kokolores aus den USA – die Bundeskanzlerin sprach "Klartext", hieß es in einigen Zeitungsartikeln. Offenbar haben einige Kollegen von der schreibenden Zunft Wahrnehmungsstörungen: "Wir sind stolz auf unsere Autos, das dürfen wir auch", sagte die Bundeskanzlerin. Sind wir also stolz darauf, dass der Volkswagen-Konzern seine Kunden bescheißt? Oder drücken wir unseren Stolz neuerdings so aus, dass wir unsere Autos – auf die wir doch stolz sein dürfen – bald abwracken können, weil wir damit nirgends mehr hinfahren können. Oder verstehe nur ich Merkels Klartext nicht?
Dann wäre da noch die Causa Wirecard. Keine Aktie auf dem deutschen Kurszettel erhitzt derzeit so stark die Gemüter wie der DAX-Neuling, was – drei Wochen nach dem ersten Negativbericht in der Financial Times – die Finanzaufsicht auf den Plan gerufen hat. Bis 18. April wurde ein Leerverkaufsverbot verhängt. Eine solche Maßnahme sollte meiner Meinung nach immer als letzte Instanz gewählt werden. Sie ist laut Leerverkaufs-Verordnung möglich, wenn "eine ernstzunehmende Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen" zu befürchten ist. Bei einer Bilanzsumme von 5,2 Milliarden Euro sehe ich das bei Wirecard allerdings nicht als gegeben an.
Über Sinn und Unsinn von Short-Verboten lässt sich trefflich streiten, ich bin generell kein Freund von Verboten, schon gar nicht drei Wochen nach dem ersten FT-Bericht. Es war in der Finanzkrise nicht das Short-Verbot auf Finanz-Aktien, was den Markt stabilisiert hat, sondern Draghis Bazooka. Die Kurse von Deutsche Bank, Commerzbank und Co konnte das ohnehin nicht vom weiteren Verfall bewahren. Im Übrigen regelt der Markt das von selbst: Jede Short-Position muss auch wieder eingedeckt, sprich zurückgekauft werden, wenn die Wertpapierleihe ausläuft oder gekündigt wird. Dann wirkt sich das Ganze in die Gegenrichtung aus, wie 2008 das Beispiel VW zeigte, bei dem sämtliche Leerverkäufer schwer geblutet haben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen kritischen Blick auf die täglichen Nachrichten und eine schöne Woche!
(Dieser Standpunkt ist als Editorial in der neuen Ausgabe 09/19 von DER AKTIONÄR erschienen, die Sie hier als ePaper herunterladen können.)