Das Corona-Virus ist auch im zweiten Jahr seit Ausbruch der Pandemie in Europa das Thema schlechthin. In Berlin tagen Politikerinnen und Politiker und entscheiden das Schicksal des Landes. Während die einen nach Lockerungen rufen, fordern die anderen eine konsequente ZeroCovid-Strategie. Doch die Zustimmungswerte sinken. Bei Unternehmern knistert es. Eine Klagewelle ist im Rollen begriffen und viele Fragen bleiben unbeantwortet.
Laut Klaus Nieding rollt auf uns eine gigantische Klagewelle zu, "die größte, die Deutschland je gesehen hat". Nieding ist Vize-Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und Jurist. Als Anwalt vertritt er zahlreiche Firmen in Verfahren in Zusammenhang mit den Folgen der Corona-Politik. Der Unmut bei Unternehmerinnen und Unternehmern wächst. Nicht wenige haben Angst, fürchten um ihre Existenz – aber auch um ihren Ruf. Wer heute offen Kritik an den Maßnahmen übt, riskiert als Corona-Leugner gebrandmarkt zu werden. Dabei leugnet vermutlich kaum einer der Betroffenen die Existenz des Virus oder seine Gefährlichkeit. Der Zorn entsteht vielmehr aus der Angst heraus, richtet sich gegen die Maßnahmen. Und das wiederum nicht, weil sie in ihrer Gesamtheit sinnlos seien, sondern weil viele von ihnen willkürlich erscheinen – auch ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie.
Friseure etwa dürfen seit einigen Tagen wieder Kunden empfangen, andere "körpernahe" Dienstleistungen jedoch nicht erbracht werden. Nagel- und Kosmetikstudios etwa bleiben geschlossen. Deren Inhaber und Angestellte sind zum Nichtstun verdammt. Gleiches Bild im Einzelhandel: Während Lebensmittelhändler uneingeschränkt öffnen dürfen, bleiben Buchhandlungen, bleiben Modehäuser geschlossen. Ist das Ansteckungsrisiko dort etwa geringer als hier? Bei Wahrung der Hygienemaßnahmen wohlgemerkt, in die Händler und Gastronomen im zurückliegenden Jahr massiv investiert haben.
Hinzu kommt die zunehmende Unzufriedenheit über die Effektivität der Beschaffung und Nutzung von Impfstoffen und Bestellung von Selbsttests durch die Regierenden. Nachdem sich herausgestellt hat, dass die Europäische Union bei der Bestellung von Impfstoffen mit gespitzten Stiften auf die Kosten geschaut hat, wächst jetzt der Unmut über die Nutzung der vorhandenen Impfstoffe. Was da ist, wird in unzureichendem Tempo verimpft. Dabei sollte gelten: Jeder Geimpfte, gleich welchen Alters, schützt sich und andere, weil er das Ansteckungsrisiko senkt und damit hilft, die Pandemie einzudämmen. Wenn Einzelne etwa den Impfstoff von AstraZeneca ablehnen, sollte der Stoff für alle freigegeben werden, die ihn akzeptieren. Es ist vollkommen unverständlich, warum hier nicht mehr getan wird. Selbsttests: Erst in den kommenden Wochen sollen ausreichend Selbsttests zur Verfügung stehen. War nicht schon vor Wochen und Monaten absehbar, dass sie benötigt würden, um ein realistisches Öffnungskonzept zu entwickeln?!
Deutschland braucht im Jahr 2 der Pandemie endlich einen verbindlichen Plan heraus aus dieser Krise. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen eine Perspektive, brauchen Hoffnung, müssen wieder träumen, sich freuen dürfen. Die Wirtschaft wiederum braucht Planbarkeit. Es kann nicht sein, dass vollkommen nebulös bleibt, wie es weitergehen könnte.
Dass es weitergeht, haben Börsianer indes – verbunden mit einer Vielzahl an Fragezeichen – längst erkannt. Sie kaufen wieder Aktien von Firmen, die unter Corona besonders stark gelitten haben. Die Geschichte erinnert damit an die Sagenwelt des Phönix aus der Asche, von der wiederum unsere Titelgeschichte handelt.
Dieses Editorial erscheint in DER AKTIONÄR Ausgabe Nr. 10/2021,welche Sie hier am Mittwochabend ab 22 Uhr lesen können.