Kommentar: Das neue Jahr beginnt mit harten Entscheidungen und kalten Duschen.
„Es tut weh“, so ein Freund nach dem Sprung ins eisige Nass. Der Körper erschrickt kurz beim Neujahrsschwimmen und will zurück in die warme Komfortzone. Ich lese gerade das Buch des Iceman Wim Hof. Für den Weltrekordhalter ist natürliche Härte und der kurzfristige Stress durch Kälte wichtig für mehr Leistung. Blutgefäße, Muskeln und Herz würden so trainiert und gestärkt. Raus aus der Komfortzone sind vor Jahren auch Shortseller wie Mark Spiegel gegangen und wurden hart attackiert. Es wäre wohliger gewesen, mit der Masse Tesla zu preisen, doch der einsame Schritt in unsicheres Gewässer zahlt sich nun aus – der Short auf Tesla liegt 120 Prozent im Plus.
Harte Schritte
Denn Wirtschaft ist keine Wohlfühloase, sondern von harten Wechseln von Boom / Wärme in Krise / Kälte geprägt. Auch die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt der Tesla-Träumer, in der es nie schmerzhafte Rabatte und Probleme gibt, geht in Flammen auf. Eiszeit. Was mir Gordon Johnson bereits sagte, bemerkt nun Bernstein: Die Q4-Nachfrage hochgerechnet seien nur eine Million Autos – doch das Ziel sei es ja, 2023 knapp zwei Millionen zu verkaufen. Bereits im Q4 sei das Lager auf 78.000 Autos – dreimal so viel wie vor einem Jahr – gestiegen und die Marge wohl um drei Prozent gesunken. Tesla habe ein „signifikantes Nachfrageproblem“ – auf welches letzte Woche mit Preissenkungen reagiert wurde. „Holy Shit“, so die erste Reaktion von Mark Spiegel darauf.
(Dieser Kommentar ist Anfang Januar im AKTIONÄR Hot Stock Report erschienen und aktualisiert)
Bernstein glaubt noch an ein Kursziel von 150 Dollar, auch weil die Stimmung schon „horrormäßig“ schlecht sei. Das sehe ich anders: Immer noch kaufen ARK und Bullen nach und beschimpfen die Überbringer der harten Wahrheit wie Spiegel und nicht Verführer Musk, der vor dem schwachen Q4 erneut für Milliarden Dollar Aktien (auch an seine Fans) verkauft hat. Selbst die kalte Dusche Preissenkung wird jetzt von Bullen als „Power Move“ verherrlicht.
Gewinn schrumpft?
BMW oder BYD werfen immer neue Modelle in den Ring und ein günstiges Tesla-Volumenmodell dürfte nicht vor 2025 in den Preiskampf ziehen. Ich habe Mark Spiegel zum Jahreswechsel gratuliert, dass er durchgehalten habe, bis der Markt Tesla fair bewerte. „Florian, richtig fair sind wir erst, wenn Tesla weniger als BMW wert ist.“ Er sieht nach unten „85 Prozent to go!“ Auch ich halte die Konsens-Schätzungen weiter für zu hoch. Adam Jones hat die EPS-Schätzung für 2023 bereits auf 3,77 USD pro Aktie reduziert – ein Schrumpfen des Gewinns!
Elektroauto-Strom: Mehr Kohle, weniger Atom
Das große Bild ändert sich, da Strom schmutziger und teurer wird. Still und heimlich löst sich gerade Volkswagen von seinem 100-Prozent-Elektroauto-Motto. Vorbild BMW. Die Bayern wurden hart für ihre Technologieoffenheit kritisiert und sind nun in einer Poleposition: Sie haben ein überlegtes Wachstum bei Elektroautos (ohne Überkapazitäten) und ein nach Ende des Chipengpasses wieder funktionierendes klassisches Geschäft. Unterschätzt: Der Markenwert von BMW liegt wie der von Tesla (hier Tendenz sinkend) bei rund 50 Milliarden, der Börsenwert hingegen bei nur 57 Milliarden Euro (KGV 6) – während Tesla rund sechs Mal so viel (Über-)Gewicht (KGV 25) auf die Börsenwaage bringt.
Auch Tesla könnte eines Tages gestärkt aus der Situation hervorgehen. Immerhin: Musk reagiert hart und beherzt auf die Krisensituation. Doch zunächst weht der Aktie und den Margen noch lange ein eisiger Wind ins Gesicht.
Frohes, frisches Jahr 2023
Ich schwimme 2023 jeden Tag im See und wir gehen auch im Depot 2030 keiner kalten Dusche aus dem Weg – ob beim Kauf unpopulärer Aktien und Shorts oder dem Verkauf von Verlustpositionen. „Wow, jetzt bin ich glücklich“, so mein mutiger Mitschwimmer breit lächelnd nach dem Eisbad. Der Start ins neue Jahr ist geglückt. Die besten Wünsche für 2023 an Sie.
Übrigens: Nach dem Anstieg des Tesla-Short (siehe Chart) bereiten wir für das Depot 2030 gerade ein neues Zertifikat auf eine weitere überschätzte Aktie vor.