George W. Bush sitzt in der Klemme. Während er weiter seine Truppenverbände im Nahen Osten aufmarschieren lässt, zeichnet sich in der amerikanischen Bevölkerung ein Stimmungswechsel ab.
Nicht nur das "Nein" der Vetomächte China, Russland und Frankreich im Weltsicherheitsrat lastet den Amerikanern schwer auf dem Gemüt, auch die Gefahr einer eigenen Überreaktion nach den Anschlägen vom 11. September kommt ihnen nun zu Bewusstsein.
So wurde am 23. Februar in der New York Times ein bemerkenswerter Artikel veröffentlicht, der in Deutschland und anderswo leider kaum auf Beachtung stieß. Der Autor, Thomas L. Friedman, steht interessanterweise nicht unter dem Verdacht des Antiamerikanismus, dessen im Moment eigentlich so ziemlich jeder bezichtigt wird, der sich kritisch zu einem Irakkrieg äußert.
Die Kernaussage von Friedman lautet: "In einer offenen Gesellschaft gibt es viele Angriffspunkte. Man kann sie nicht alle absichern, ohne die offene Gesellschaft abzuwürgen. Deshalb ist die richtige Antwort nicht, mehr und mehr Sicherheit zu verlangen, sondern mit mehr und mehr Unsicherheit zu leben. [...] Was haben wir gewonnen, wenn Osama Bin Laden, der irgendwo in einem Kellerloch sitzt und Drohungen ausstößt, uns dazu bringen kann, selber unsere Häuser abzudichten und wie in einer Falle zu leben?"
Wie gesagt, der Autor entzieht sich jeder Diffamierung des bloßen Antiamerikanismus, da er selbst noch vor wenigen Monaten unter dem Eindruck des 11. Septembers den Dritten Weltkrieg proklamiert hat. Doch sein nun erschienener Artikel, der sehr nachdenklich stimmt, zeigt meines Erachtens gut den Stimmungswechsel in der US-Bevölkerung.
Bush wird sich mit diesem Umstand auseinander setzen müssen, sind doch amerikanische Präsidenten weitaus stärker von der Stimmung in ihrem Land abhängig als zum Beispiel der deutsche Bundeskanzler. Doch je besonnener und nachdenklicher die Bevölkerung auf die sicherlich vorhandene Bedrohung reagiert, desto wahrscheinlicher wird eine nachhaltige Erholung an der Börse.
Ihr Bernd Förtsch