Geniale Schachspieler sehen bis zu 20 Züge voraus. Im Gespräch mit Schachtalent Peter Thiel spürt man, wie präzise er nachdenkt und alle Möglichkeiten durchspielt, bevor er eine Antwort gibt. Es ist klar: Die Entscheidung, Donald Trump zu unterstützen, ist nicht nach dem Lesen einer Zeitungsschlagzeile gefallen – sondern war gut überlegt.
Vor vier Jahren saß ich mit Paypal-Gründer Thiel bei einem Glas Wasser in einem Hotel in Berlin. Gesprächsthemen waren Facebook, Apple, antizyklisches Investieren – aber auch die US-Politik. „Ich würde es gerne sehen, dass hier offener über die Probleme geredet wird“, so der Facebook-Investor. Mit dem lauten und mutigen Trump hat er nun den Mann gefunden, der diesen Aspekt abdeckt. Der neue US-Präsident hat ihn als Technologieexperten in sein Übergangsteam geholt.
Mehr Robotik und Raumfahrt
Der Start-up-Investor wünscht sich vor allem eine stärkere Förderung von Technologie. Thiel will mehr als „nur“ Internetgiganten wie Twitter oder Google. Er träumt von fliegenden Autos, Raumfahrt, Robotik und Biotech. „Sehen Sie, bereits in den 50er und 60er-Jahren gab es in allen Bereichen beeindruckende Zukunftsvisionen von Städten unter Wasser oder der Begrünung von Wüsten. Das vermisse ich heute“, so Thiel gegenüber dem AKTIONÄR. Für Aufsehen sorgte etwa sein Engagement für das Seasteading-Projekt, welches auf Inseln im Meer neue Gesellschaftsformen etablieren will.
Was Thiel überrascht, sind hysterische Presseartikel im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die neue US-Regierung. „Ich habe schon oft extreme Minderheitsmeinungen vertreten im Bereich der Forschung für Unsterblichkeit oder Seasteading“, sagte Thiel auf einer Podiumsdiskussion. „Doch die Unterstützung von Trump ist die erste große Sache, die konventionell ist.“
"Ich mag Außenseiter"
Peter Thiel schlägt sich gerne auf die Seite von verschmähten Außenseitern. Im Jahr 2004 waren die Erinnerung an den Internetcrash zur Jahrtausendwende lebendig und alle rieten ab, einem Nerd namens Mark Zuckerberg Geld anzuvertrauen. Peter Thiel wagte das antizyklische Investment in Facebook und ver-2000-fachte seinen Einsatz. „Ich habe immer Außenseiter unterstützt. Ich mag sie. Wir müssen Outside-of-the-box denken“, so Thiel.
Eine Parallele zu Trump ist seine Sorge vor einer Überhitzung. Trump sagte im zweiten Duell: „Das einzige was gut aussieht, ist der Aktienmarkt. (Doch) wir sind in einer dicken, fetten, hässlichen Blase. Wenn wir die Leitzinsen nur ein wenig anheben, dann wird der Markt crashen.“ Thiel spricht auch im Zusammenhang mit der Globalisierung und von den USA mitgeprägten Kriegen von einer „Bubble“. Er hofft, dass Trump nicht wie die vorherige Regierung „Milliarden in fernen Kriegen verschwendet“, sondern das Geld etwa für Konjunkturprogramme einsetzt.
Trump kenne ich nur aus weit von den USA entfernten Medien. Ich maße mir als Europäer nicht an, besser als ein US-Amerikaner einschätzen zu können, ob Trump gut oder schlecht für das Land ist. Auf Impulse durch Thiel freue ich mich jedoch. Der Contrarian-Investor und Querdenker wird kein Mitläufer sein und für Überraschungen sorgen. „Die Welt ist dynamisch. Es ist immer möglich, Neues und Besseres zu erfinden“, so Thiel. Sympathisch: Trotz wilder Visionen von neuen Lebensformen und Reisen ins All hat der deutschstämmige Investor den Kontakt zur guten alten Zeit und Europa nie verloren: Er zitiert Tolstoi und hat bei Reisen nach Berlin sein Lieblingsbuch „Herr der Ringe“ im Gepäck. Eine gute Wahl.