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15.08.2024 DER AKTIONÄR

Christian Lindner im Interview: „Deutschland braucht eine andere Balance zwischen Staat und Privat“

Es gibt viel zu tun in Deutschland – und immer, wenn es ums liebe Geld geht, steht ein Mann im Fokus: Christian Lindner, Bundesfinanzminister und Vorsitzender der FDP. DER AKTIONÄR hat ihn getroffen und ein Sommerinterview für Anleger geführt. Zu bereden gab es so einiges.

DER AKTIONÄR: Sie sind eine Person des öffentlichen Lebens und unseren Lesern mit Sicherheit gut bekannt. Stellen Sie sich dennoch bitte selbst mit wenigen Sätzen vor, und zwar mit den Punkten, die Ihnen wichtig sind.
Christian Lindner: Mein Name ist Christian Lindner. Ich bin Vorsitzender der Partei der Freiheitsliebe, weil das mein eigener Antrieb ist, und beruflich bin ich seit vielen Jahren Turnaround-Manager in unterschiedlichen Rollen.

Wer sich ein wenig mit Ihnen beschäftigt, wird irgendwann über ein Video im Internet stolpern. Darin erklärt ein sehr selbstbewusster junger Mann dem Zuschauer, dass Probleme nur dornige Chancen sind. Würden Sie dieses Video gern ungeschehen machen oder sind Sie stolz darauf?
Ich bin stolz drauf. Ich habe vom 18. Geburtstag an schon als Schüler meinen Lebensunterhalt selbst finanziert. Geschenkt wurde mir nichts. Damals habe ich die Basis wirtschaftlicher Unabhängigkeit gelegt. Als Schüler selbstständig zu sein bedeutete auch, die Werbetrommel in eigener Sache rühren zu müssen.

Sie sind Vorsitzender einer Partei, die sich selbst attestiert, für Freiheit, Bürgerrechte und wirtschaftliche Vernunft einzutreten. Kritiker bezeichnen die FDP gern als Partei der Besserverdiener. Der Zeitgeist der letzten Jahre spielte eher Ihren Kollegen von den Grünen, den Linken oder der SPD in die Karten. Und außerdem sind viele Wahlen Zitterpartien in Sachen 5-Prozent-Hürde. Die Frage dazu: Macht der Job überhaupt Spaß oder anders gesagt, wie hält man das aus?
Man muss starke Nerven haben als Freier Demokrat. Wer in Deutschland der Eigenverantwortung der Menschen eine Chance geben will, bevor nach dem Staat gerufen wird, wer Leistung und Eigentum nicht als Anlass für Umverteilung begreift, sondern als Grund für Anerkennung und Respekt, ist oft genug nicht in einer Mehrheitsposition.
Die Menschen, die diese Werte teilen, die ich gerade beschrieben habe, sind jedoch zugleich sehr kritisch. Und eben auch sehr unabhängig in ihrem Urteilsvermögen. Deshalb ist die FDP oftmals in einem Auf und Ab. Aber wer sich für diese Partei entscheidet oder in ihr Verantwortung trägt, der weiß um diesen Umstand.

Wenn wir beim Thema Job bleiben, neben dem FDP-Vorsitz haben Sie eine weitere Aufgabe. Die hat es auch in sich: Jeder will von Ihnen Geld, jeder ist sauer, wenn Sie ihn zum Sparen verdonnern wollen. Wenn kein Geld da ist, sind Sie auch schuld.
So ist es.

Bundesfinanzminister, davon ist ja die Rede. Traumjob oder Albtraum?
Traumjob. Ich bin überzeugt, Deutschland braucht eine andere Balance zwischen Staat und Privat. Als der Vermögensverwalter der Bürgerinnen und Bürger und Anwalt der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler habe ich da eine Schlüsselrolle. Natürlich kann man immer leicht nach mehr Geld für verschiedene – auch sinnvolle – Projekte rufen. Aber es muss doch auch dann einen geben, der daran erinnert, dass das alles bezahlt werden muss. Auch der Umweg über Schulden belastet am Ende ja die arbeitende Bevölkerung, weil sie die Zinsen aufbringen muss. Und deshalb, gerade weil ich Finanzpolitik auch als eine Gesellschaftspolitik begreife und nicht nur als etwas Ökonomisches, geht es eben um die Frage, wie viel Raum der Staat hat, wie viel Raum der Bürger. Hier fühle ich mich gut aufgehoben.

Welche Ziele hat man noch, wenn man Finanzminister und FDP-Chef ist? Oder ganz klassisch: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Nach dem Amt des Finanzministers kann realistisch betrachtet nichts mehr kommen für einen FDP-Vorsitzenden. Deshalb bin ich vor allem inhaltlich motiviert, um für die Bürgerinnen und Bürger in der kommenden Legislaturperiode noch mehr zu erreichen.

Welche Themen gibt es da?
Ende der nächsten Wahlperiode möchte ich zum einen erreicht haben, dass wir aus der pandemiebedingten Verschuldung herausgewachsen sind, also wieder eine Schuldenquote von 60 Prozent haben. Ich habe bei 69 Prozent übernommen. Aktuell haben wir es schon geschafft, die Quote auf nur noch 64 Prozent zu drücken. Das ist wichtig für die Stabilität unserer Staatsfinanzen. Außerdem können wir dann die Tilgung der Corona-Kredite so umstellen, dass wir gut neun Milliarden Euro zusätzlichen Spielraum für Investitionen erhalten. Wenn wir also ein paar Jahre Disziplin halten, werden wir durch eine Soliditätsdividende belohnt.
Zum anderen will ich weitere Steuerreformen anstoßen, für die ich in dieser Wahlperiode keine Mehrheit im Deutschen Bundestag habe. Ziel für die nächste Wahlperiode sind die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der automatische Ausgleich der kalten Progression und eine Senkung der Belastung der Unternehmen. Außerdem habe ich noch weitere Ideen für die Vereinfachung der Einkommensteuer.

Möchten Sie als Politiker in Rente gehen?
Ich bin 45. Einen Plan für die nächsten 25 Jahre habe ich nicht. Aber jedenfalls spüre ich keine Last an der Politik, sondern habe immer noch das Gefühl, dass ich gerade erst angefangen habe. Manche stöhnen ja über die öffentliche Kritik und die vielen Termine. Wer sich belastet fühlt von seinem politischen Mandat oder Amt, sollte sich etwas anderes suchen, statt öffentlich darüber zu klagen.

Zum Thema Aktienrente. Ganz einfach erklärt: Wie wird sie aussehen?
Wir wollen Wahlfreiheit und Chancenorientierung der privaten Altersvorsorge stärken. Wie ist die Ausgangslage? Wir haben eine stark versicherungsorientierte private Säule der Altersversorgung in Form von Riester. Bei Riester gibt es staatliche Zulagen und steuerliche Förderung. Es ist ein Produkt mit 100-prozentiger Beitragsgarantie. Aber das bedeutet zwingend, dass die Performance geringer ist. Deshalb will ich bei Versicherungsprodukten die Option einräumen, eine nur 80-prozentige Beitragsgarantie zu nutzen. Das erlaubt höhere Rendite.
Auf der anderen Seite wird es ein Altersvorsorgedepot geben, das in gleicher Weise mit Zulagen und Steuervorteilen gefördert wird. Hier gibt es keine Beitragsgarantie und weitgehende Freiheit für die Menschen, selbst ihre Anlageentscheidungen zum Beispiel mit ETF-Sparplänen zu treffen. Die Besteuerung findet erst in der Auszahlungsphase im Ruhestand statt. Das erlaubt hochattraktive Renditen.

Und welche Anforderungen muss ein Depot erfüllen, um förderfähig zu sein? Kann ich mein bestehendes Depot einfach umwidmen und sagen, das ist jetzt mein Altersvorsorgedepot?
Das muss klar getrennt sein, denn hier geht es ja um eine steuerliche Förderung. Wir werden im weiteren Verlauf der Debatte im Herbst auch besprechen müssen, welche Anforderungen für die steuerliche Förderung eines Altersvorsorgedepots gegeben sein müssen. Sprich, brauchen wir eine Positivliste mit Produkten wie ETFs auf DAX und MSCI World? Oder ist umgekehrt eine Negativliste nötig, wo zum Beispiel manche Assetklassen ausgeschlossen sind? Man darf nie vergessen: Es geht um öffentliche Förderung, damit Menschen fürs Alter vorsorgen. Hier muss definiert werden, welches Risikoprofil staatlich gefördert wird. Für die anderen Risikoklassen hat man sein ungefördertes Depot.

Also einmal steuerlich abgegrenzt, in einem bestimmten Anlageuniversum und dann vermutlich noch das Thema Anlagehorizont?
In der Tat, die Entnahme erfolgt zum Renteneintritt. Es ist also kein zusätzliches Sparprodukt, mit dem man sich zum 50. Geburtstag selbst mit einer schönen Reise beschenkt, steuerlich gefördert. Geplant ist das Modell tatsächlich zur Entnahme zum Beginn des Ruhestands.

Wie weit ist dieser Plan gediehen?
Der entsprechende Gesetzentwurf ist bereits in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Das Ziel ist, dass wir nach dem Ende der sitzungsfreien Zeit damit in die Beratungen eintreten. Mein Ziel ist, dass es zum 01.01.2026 losgeht.

Welche Beträge können gefördert werden?
Die Förderung bemisst sich jetzt ja an einem steuerlichen Freibetrag für das, was man für die Altersvorsorge von seiner Steuerlast abziehen kann. Und bei denjenigen, die ein geringes Einkommen haben, wo die steuerliche Förderung mangels Steuerlast nicht möglich ist, gibt es ja die Zulagen für Geringverdiener.
Das Prinzip von Riester wird auf das Altersvorsorgedepot übertragen. Ich möchte aber gerne insgesamt die steuerliche Förderung gegenüber dem Status quo vergrößern, damit es noch attraktiver wird. Darüber beraten wir gerade innerhalb der Bundesregierung.

Das ist jetzt die private Vorsorge, ähnlich den USA. Es gibt auch Modelle wie den Staatsfonds in Norwegen – Thema Generationenkapital?
Mit dem Generationenkapital sollen künftig Aktienanlagen zur Absicherung der gesetzlichen Rente beitragen. Dafür wollen wir die Zinsen aus den angelegten Vermögenswerten nutzen, um die Beiträge stabil und das Rentenniveau angemessen hoch zu halten. Angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land ist eine solche kapitalmarktgestützte Säule für die Rentenfinanzierung auch dringend nötig. Leider haben das manche noch nicht erkannt. Einige vermuten selbst hinter sicheren und langfristigen Anlagen am Kapitalmarkt waghalsige Spekulation. Das zeigt, wie viel Aufholbedarf wir bei der finanziellen Bildung haben – selbst im Bundestag.

Besitzt der Bundesfinanzminister selbst Aktien?
Früher habe ich Einzelaktien besessen und auch Derivate, also insbesondere Call- und Put-Optionsscheine, um mein eigenes Depot abzusichern. Als Finanzminister treffe ich teilweise aber Entscheidungen, die kapitalmarktrelevant sind, oder habe Informationen über einzelne gelistete Unternehmen. Deshalb habe ich mich freiwillig den Compliance-Regeln meines Ministeriums unterworfen. Heute investiere ich in ETFs.

Wie stehen Sie zum Thema Immobilien?
Das Dach über dem Kopf ist für mich ein Basisinvestment und auch Teil der persönlichen Altersvorsorge. Warum haben in Deutschland viele Menschen Furcht vor dem eigenen Ruhestand? Weil dann die Miete plötzlich die größte Ausgabe des Haushalts ist. In anderen europäischen Ländern ist die Eigentumsquote wesentlich höher. Selbst bei geringeren Altersbezügen: Wenn die Miete wegfällt, ist das schon mal ein ganz anderes Leben.

Wie kann man das verbessern?
Ich möchte, dass Eigentum in Deutschland nicht zunehmend ein Luxus für wenige wird. Wenn wir die Entwicklung bei den Zinsen und Immobilienpreisen ansehen, ist ein Eigenheim inzwischen für viele kaum mehr erreichbar. Umso mehr müssen wir günstiger bauen, mehr Bauland ausweisen und die Finanzierungsmöglichkeiten für die Menschen verbessern, indem wir zum Beispiel auf die Grunderwerbsteuer einen Freibetrag für die selbst genutzte Immobilie einrichten. Ich werbe dafür, dass hier auch die Bundesländer mitziehen.

In Sachen Immobilien gab es im Kontext Klimaschutz und Co etliche Ideen aus der Koalition, die vielen Angst gemacht haben. Das Wort „Enteignung“ fiel stellenweise. Wie ist da der Status quo?
Im Bereich der Gebäudeenergie gab es schon immer Vorgaben. Beispielsweise sah das alte Gesetz der früheren Bundesregierung vor, dass die Ölheizung verboten wird. Dieses Ölheizungsverbot ist jetzt vom Tisch. Es sind alle Heizungstypen möglich. Man muss nur wissen, dass irgendwann die Energieträger umgestellt werden und es eben dann keine fossilen Energien mehr gibt. Deshalb ist zu erwarten, dass über die nächsten Jahrzehnte der fossile Brennstoff für die Heizung teurer und knapper werden könnte. Es sei denn, er kann ersetzt werden durch einen klimafreundlichen Brennstoff. Für mich ist eines klar: Ein Gebäude ist so individuell wie ein Mensch. Und deshalb braucht es auch die individuelle Heizung, die zu ihm passt. Ich bin ein Fan meiner Wärmepumpe in Verbindung mit der Photovoltaikanlage. Aber ich weiß, dass das nicht überall wirtschaftlich, möglich oder gewünscht ist. Wir haben deshalb eine viel weitergehende Wahlfreiheit bei den Heizungen, als das gemeinhin bekannt ist.
Wenn sich im Übrigen in den nächsten Jahren herausstellt, dass sich bestimmte Erwartungen nicht erfüllen lassen, etwa beim Anschluss an die Fernwärmenetze, dann wird man da auch nochmal aktiv werden müssen. Das ist doch völlig klar. Gesetzgebung muss mit der Realität zusammenpassen, weil die Realität sich nicht immer an Gesetzgebung orientiert – gerade die physikalische Realität nicht.

Der Reiz des Bitcoin liegt für viele in seiner Trennung von Staat und Geld. Viele sehen ihn als Ersatzwährung. Wie stehen Sie zu dem Thema?
Krypto-Assets sind keine Währung, sondern eine Vermögensanlageklasse. So behandeln wir sie auch rechtlich. Davon zu unterscheiden sind die wirklichen E-Währungen wie der digitale Euro.
Das wird ein offizielles Zahlungsmittel werden. Da sind wir gerade in den Vorbereitungen. Mir ist wichtig, dass der digitale Euro die gleichen Eigenschaften hat wie Bargeld. Er braucht also Privatsphäre und universelle Einsetzbarkeit, damit man beispielsweise nicht festlegen kann, dass mit der E-Währung keine angeblich ungesunden Lebensmittel gekauft werden können. Zugleich darf es zu keiner Verdrängung privater Zahlungsdienstleister kommen, dass also die EZB den Job von Mastercard oder Sparkasse übernimmt. Hier gilt: Vorrang für die private Wirtschaft.

Was sagen Sie zum Thema Gold? Deutschland besitzt einiges davon.
Das physische Gold, über das die Bundesrepublik Deutschland verfügt, ist die letzte Stufe der Resilienz für den Fall einer globalen Krise. Deutschland ist trotz allem sehr stark aufgestellt. Die internationalen Kapitalmärkte vertrauen Deutschland. Wir haben ein Triple-A-Rating und gäbe es ein 4-A-Rating, vielleicht hätten wir sogar das. Aber die Goldreserve, die ist noch einmal darüber gelagert, sozusagen unsere Last Line of Defense, und deshalb darf sie nicht angetastet werden.

Gibt es auch keine Zu- oder Verkäufe?
Nein.

Die Bahn macht oft Negativschlagzeilen. Ist Privatisierung eine Lösung?
Wir müssen zwei Bereiche trennen. Bereiche, die im Wettbewerb stehen, und Bereiche, die das nicht tun. Es gibt nur eine Infrastruktur. Deshalb wäre die Privatisierung der Schienen ein Problem. Auf der anderen Seite ist bei dem, was auf der Infrastruktur der Schiene passiert, mehr Wettbewerb, mehr Unternehmertum, vielleicht auch mehr Privatisierung denkbar.

Wissen Sie, wie viele Deutsche ein Depot haben?
Über zwölf Millionen Menschen sparen hierzulande in Aktien.

Was sagen Sie denen, die keins haben?
Bitte die Charts ansehen. Nehmen wir doch den niedrigsten Punkt während der Corona-Pandemie im Vergleich zu heute: Wer damals erschreckt war vom Absturz der Aktienmärkte, kann sich die Entwicklung bis heute ansehen. Das Risiko besteht darin, auf eine einzelne Aktie zu setzen. Risikoreich ist es aber nicht, auf verschiedene Aktien oder Fonds zu bauen. Im Gegenteil, ein größeres Risiko ist das zinsfreie Girokonto.

Wie sehen Sie die Entwicklung bei den Neobrokern? Eher Gefahr – Stichwort: Meme Stocks – oder tolle Sache?
Sie senken die Hürde. Sowohl hinsichtlich der Usability als auch hinsichtlich der Kosten. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das Prinzip Payment-for-Order-Flow erhalten bleibt. Leider hat die Europäische Kommission dann ein Verbot durchgesetzt. Aber immerhin konnte ich erreichen, dass es erst in einigen Jahren wirksam wird.

Zuletzt gab es ab und an Negativschlagzeilen?
Natürlich gibt es bei neuen Spielern am Markt auch Probleme. Deshalb haben wir ja mit der BaFin eine unabhängige Finanzaufsicht, die hier darauf schaut, dass alles geordnet abläuft. Mir ist wichtig, dass die Aufsicht über Banken und Kapitalmarktakteure möglichst unbürokratisch erfolgt. So nämlich, dass neben der Stabilität des Finanzmarkts und dem Verbraucherschutz auch die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland gewährleistet ist.

Die Begrenzung der Verlustverrechnung bei Optionsgeschäften wurde zuletzt von einem Gericht gekippt. Was passiert jetzt?
Ich habe es schon für falsch gehalten, als CDU, CSU und SPD das eingeführt haben. Es ist widersinnig und führt zu einer Schädigung der Anleger. Aus meiner Sicht widerspricht es dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Deshalb begrüße ich politisch diese Urteile. Gegenwärtig gibt es aber keine Mehrheit im Deutschen Bundestag, um das Verbot auf politischem Wege in der Gesetzgebung zu beseitigen. Hier hoffe ich auf Einsicht oder rasche Rechtsprechung.

Ein paar Stichworte mit der Bitte um je einen kurzen Kommentar.
Gerne.

NATO-Ziel von zwei Prozent für die Bundeswehr.
Es ist notwendig, dass wir dieses Ziel dauerhaft erreichen – nicht durch Schulden und Steuererhöhungen, sondern durch Wirtschaftswachstum und Umschichten in den Haushalten der nächsten Jahre.

Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung im Kontext mit dem Thema Demografie.
Wir brauchen für alle Säulen eine Diskussion über die langfristige Finanzierbarkeit. Die Beiträge dürfen nicht in den Himmel steigen. Es geht kein Weg daran vorbei, dass wir individuell alle länger arbeiten werden müssen. Auch müssen wir insgesamt produktiver werden. Und wir brauchen mehr Kapitaldeckung.

Bürgergeld.
Das Bürgergeld, wie wir es jetzt haben, ist von zwei Umständen geprägt, die in dieser Form nicht vorhersehbar waren: die sehr hohe Inflation, die dann aber vergleichsweise schnell zurückgegangen ist, und die sprunghaft gestiegene Einwanderung der letzten Jahre, vor allem aus der Ukraine. Das setzt das System unter Druck.
Die Höhe des Bürgergelds ist im Vergleich zu den Löhnen derzeit inflationsbedingt zu hoch. Deshalb brauchen wir im kommenden Jahr beim Bürgergeld eine Nullrunde, um über Steuerentlastungen für die arbeitende Bevölkerung den Lohnabstand zu vergrößern. Außerdem müssen wir die Arbeitsanreize für Bürgergeldempfänger durch Sanktionen steigern.

Erbschaftsteuer
Die sollten wir so lassen, wie sie ist. Denn jede Veränderung wird Gefahren bringen.

Vermögensteuer.
Nicht mit mir. Ich warne vor der Einführung einer Vermögensteuer. Die Idee ist populär, führt aber zu dramatischer Bürokratie, Kapitalflucht und einer Schwächung der Substanz unserer Familienunternehmen.

Besteuerung von Aktiengewinnen.
Am liebsten hätte ich eine Spekulationsfrist wie früher.

Freibeträge für Sparer und Anleger.
Im Jahr 2009 haben wir den Sparer-Freibetrag bekommen. Ich war seitdem der Erste, der ihn erhöht hat. Er sollte aber künftig regelmäßig angepasst werden. Erst recht, da es jetzt ja wieder Zinserträge gibt.

Steuerlast für Unternehmen.
Die muss runter, denn wir brauchen mehr Investitionen und Forschung in Deutschland.

Einwanderung.
Deutschland ist schon lange zu attraktiv für die Einwanderung in die Sozialsysteme. Das muss enden. Deutschland ist umgekehrt seit vielen Jahren zu wenig attraktiv für die Einwanderung von Top-Kräften in den Arbeitsmarkt. Hier haben wir jetzt allerdings in den letzten zwei Jahren einen Kurswechsel erreicht, unter anderem mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder der leichteren Anerkennung von ausländischen Berufen. Ziel muss sein, illegale Einwanderung in den Sozialstaat zu begrenzen und qualifizierte Einwanderung von künftigen Steuerzahlern in den Arbeitsmarkt zu fördern.

Zu guter Letzt: Würden Sie dem folgenden Satz zustimmen? Der Staat muss sich wieder mehr um die kümmern, die den Karren ziehen.
Das ist der Grund, warum ich morgens aufstehe und in den Dienst fahre.

Was werden Sie tun, um dieses Ansinnen in die Tat umzusetzen?
Da habe ich schon viel getan, wenn Sie an die steuerlichen Entlastungen der vergangenen zwei Jahre denken. Unsere wichtigste Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Leistung sich lohnt. Dass also die Gehaltserhöhung nicht mit einer Steuererhöhung verbunden ist. Dass jede Überstunde für die Menschen attraktiv ist, weil die Zulagen für Mehrarbeit steuerfrei gestellt werden. Dass das Bildungssystem weiter leistungsorientiert aufgestellt ist, statt immer nur daran zu denken, wie man auf Leistungsfeststellung verzichten kann – von der Abschaffung der Noten in der Grundschule bis hin zu Bundesjugendspielen ohne Wettbewerbsgedanken. Wir wollen dafür sorgen, dass der Staat Leistung fördert statt bestraft.

Buchtipp: Ein Plädoyer für die Mehrheit (SPIEGEL-Bestseller)

Sarna Röser ist leidenschaftliche Unternehmerin, Netzwerkerin und Nachfolgerin eines in dritter Generation geführten Familienunternehmens. Sie ist jung, weiblich, zukunftsorientiert. Sie will Klimaschutz, aber wirtschaftsverträglich. Sie fordert Solidarität in der Gesellschaft, weiß aber auch, dass der Staat nicht alles richten kann. Und sie ist überzeugt: So wie sie denkt die Mehrheit. Eine Mehrheit, deren Stimme im lauten Getöse der Aktivisten gerade untergeht. Eine Mehrheit, die sich wünscht, dass Probleme in diesem Land endlich wieder ideologiefrei angepackt und gelöst werden. Für diese Mehrheit ist dieses Buch. Röser zeichnet ihre Vision eines freien, sozial gerechten Deutschlands und schlägt konkrete wirtschafts-, steuer- und sozialpolitische Maßnahmen vor, die Deutschland fit für die Zukunft machen.

Ein Plädoyer für die Mehrheit (SPIEGEL-Bestseller)

Autoren: Röser, Sarna
Seitenanzahl: 176
Erscheinungstermin: 26.06.2023
Format: Softcover
ISBN: 978-3-86470-922-7

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