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Deutsche-Wohnen-Finanzchef im Gespräch: "Wir wollen noch wertvoller werden"

Deutsche-Wohnen-Finanzchef im Gespräch:
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Thomas Bergmann 12.09.2020 Thomas Bergmann

Die großen deutschen Immobilien-Aktien trotzen der Coronakrise. Vonovia und Deutsche Wohnen haben in diesem Jahr bereits mehr als 20 Prozent zugelegt und damit den Gesamtmarkt deutlich hinter sich gelassen. Die Deutsche Wohnen hat es mittlerweile sogar in die erste Börsenliga geschafft. Für Finanzvorstand Philip Grosse ist das aber noch lange kein Grund, die Zügel schleifen zu lassen. Er stand dem AKTIONÄR Rede und Antwort.

Herr Grosse, lassen Sie uns kurz auf die Q2-Zahlen zurückblicken. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Wir sind sehr zufrieden mit dem ersten Halbjahr 2020. Alle unsere Geschäftssegmente haben sich sehr stabil entwickelt. So haben wir trotz der Corona-Pandemie nur wenige Mietausfälle verzeichnet. Zudem konnten wir jüngst 6.400 Wohnungen veräußern – und das zu einer Bruttomarge von 37 Prozent. Die Jahresprognose für das Geschäftsjahr 2020 konnten wir auch unter Berücksichtigung der getätigten Verkäufe bestätigen. Unser Immobilienvermögen in Berlin ist mit 2.600 Euro pro Quadratmeter vergleichsweise konservativ bewertet, insbesondere auch in Anbetracht von Neubaukosten von 4.500 bis 5.000 Euro je Quadratmeter. Hier sehe ich perspektivisch noch Aufwertungspotenzial. In Summe zeigt sich einmal mehr: Wir haben ein sehr robustes Geschäftsmodell.

Es gab keine Neubewertung der Immobilien?

Zum Jahresende werden wir eine Neubewertung unseres Immobilienportfolios vornehmen. Unsere derzeitigen Bilanzansätze erachte ich im Vergleich zu unseren Wettbewerbern, deren Multiplikatoren bezogen auf die Vertragsmiete rund 2 bis 4 Punkte höher sind, für konservativ. Langfristig bin ich von der weiteren positiven Wertentwicklung von Märkten wie Berlin überzeugt.

Wie schaut es mit der Finanzsituation aus?

Wir sind langfristig finanziert und haben vor 2023 keinen Handlungsbedarf. Unsere Ratings mit A- und A3 sind eine Bestätigung unserer konservativen Finanzierungspolitik. Mit einem Verschuldungsgrad von unter 40 %, durchschnittlichen Finanzierungskosten von 1,2 % bei einer durchschnittlichen Laufzeit von über 7 Jahren sehe ich uns gut aufgestellt.

Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Zum Glück weniger als noch zu Beginn befürchtet. Von unserem Corona-Hilfsfonds in Höhe von 30 Millionen Euro, den wir durch eine einmalige Reduktion der Ausschüttungsquote von 65 auf 60 Prozent finanziert haben, wurden durch unsere Mieter bislang weniger als eine Million Euro in Anspruch genommen.

Wie ist Ihre Einschätzung zum Mietendeckel in Berlin? Die Deutsche Wohnen hat hier ja ihren Fokus.

Der Mietendeckel ist - anders als der Name suggeriert - ein Mietenreduzierungsgesetz. Aus ökonomischer Sicht handelt es sich um eine entschädigungslose Enteignung. Ich persönlich habe großes Vertrauen in den Rechtsstaat und denke, dass der Mietendeckel als verfassungswidrig eingestuft wird. Dennoch zeigt die Entwicklung in Berlin deutlich die große Unzufriedenheit der Mieter mit dem Wohnungsmarkt. Das beschäftigt uns sehr. Wir brauchen eine Balance zwischen den Interessen der Mieter und der Aktionäre, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Deshalb kümmern wir uns auch um Verbesserungen: Ein Beispiel ist unser Mieterversprechen. Demzufolge vermieten wir jede vierte Wohnung an Personen, die gemessen an ihrer Einkommenssituation Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. Mietentwicklungen richten wir an der individuellen Leistungsfähigkeit aus und haben in diesem Kontext freiwillige Härtefallklauseln für unsere Mieter etabliert.

Nach der Übernahme der ISARIA hat sich die Deutsche Wohnen am nächsten Projektentwickler beteiligt. Welche Strategie steckt dahinter?

Erstens haben wir als breit aufgestelltes Unternehmen mit Immobilienvermögen einen deutlichen Finanzierungsvorteil gegenüber einem reinen Projektentwickler. Dieser Vorteil hat sich durch Corona noch einmal verstärkt. Wenn wir frisches Geld aufnehmen, zahlen wir dank unserer starken Bilanz für eine unbesicherte Anleihe mit zehn Jahren Laufzeit derzeit einen Zins von rund einem Prozent. Für viele Projektentwickler kostet es mitunter über das Zehnfache. Zweitens können wir mit Projektentwicklung organisch in unseren Kernmärkten, sprich den deutschen Top-Metropolen, zu Gesamtinvestitionskosten unterhalb der derzeitigen Kaufpreise wachsen.

Wir sehen also genügend Wachstumsoptionen in Deutschland.

Philip Grosse Deutsche Wohnen

Welche Wachstumsoptionen gibt es sonst? Wie stehen Sie zu einer Expansion ins Ausland, wie Vonovia es vorantreibt?

Wir richten unser Portfolio konsequent auf deutsche Großstädte und qualitativ hochwertige Immobilien aus. Hier liegt noch sehr viel Potenzial. Aktuell halten wir rund 90 Prozent unseres Bestandes in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Wir wollen perspektivisch 100 Prozent erreichen. Zudem haben wir einen nicht strategischen Bestand von 20.000 Einheiten mit unterdurchschnittlichen Lagen und Qualitäten identifiziert, den wir für opportunistische Verkäufe vorbereiten. Dies wird uns auch den bilanziellen Spielraum für weitere Zukäufe in unseren definierten Kernmärkten geben. Wir sehen also genügend Wachstumsoptionen in Deutschland. Eine Expansion in ausländische Märkte ist derzeit kein Thema für uns.

Wie stehen Sie zu einer möglichen Fusion mit Vonovia, die ja immer wieder im Markt kolportiert wird?

Ich wiederhole, was ich immer dazu sage: für uns ist Qualität entscheidend, nicht die absolute Größe. Wir erwirtschaften aktuell ohne Verkaufserlöse eine EBITDA-Marge von mehr als 80 Prozent. Damit stehen wir so gut da wie keiner unserer Wettbewerber. Eine Fusion hat in meinen Augen daher aus Sicht der Aktionäre wenig Potenzial für Wertschaffung.

Deutsche Wohnen (WKN: A0HN5C)

Ihre Dividendenrendite ist deutlich niedriger als bei der Konkurrenz. Denken Sie über eine Erhöhung nach?

Es gibt derzeit keine Pläne für eine Anpassung unserer Ausschüttungspolitik von 65 Prozent unseres operativen Cashflows nach Zinsen und Steuern, den sogenannten FFO 1. Nach Dividende verbleiben genügend Mittel im Unternehmen, um unsere Investitionen in den Bestand abzubilden. Aus Aktionärssicht ist zudem auf die Gesamtrendite abzustellen, sprich Dividendenrendite plus den Zuwachs des Nettovermögenswertes je Aktie. In den zurückliegenden fünf Jahren haben unsere Aktionäre eine deutlich zweistellige Rendite erzielt. Aktuell werden unsere Wettbewerber mit einer Prämie zu ihrem Nettovermögenswert je Aktie gehandelt, wir dagegen mit einem Abschlag. Das sollte sich angleichen, wenn die regulatorische Unsicherheit um den Berliner Mietendeckel ein Ende findet. Vor diesem Hintergrund haben wir auch Ende letzten Jahres ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von bis zu 750 Millionen Euro gestartet. Bislang haben wir Aktien im Volumen von 560 Millionen Euro gekauft.

Wie hat sich eigentlich die DAX-Aufnahme ausgewirkt?

Wir sind stolz auf den Aufstieg, und dass sich unser Einsatz ausgezahlt hat. Es zeigt zudem, dass die Immobilienbranche ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor für Deutschland ist. Wir sehen, dass wir mehr Gewicht in politischen Debatten bekommen. Und es bleibt für uns ein Ansporn: Wir wollen das Unternehmen noch wertvoller machen.

Das Thema Wohnen bleibt eine attraktive Asset-Klasse. Wie DER AKTIONÄR die Aktie von Deutsche Wohnen nach dem starken Anstieg der letzten Monate einschätzt, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 38/2020.

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