TUI steht vor einer richtungsweisenden Entscheidung: Konzernchef Fritz Joussen will die Dachgesellschaft aus Hannover mit der britischen Veranstaltertochter TUI Travel fusionieren - und beim krisengeprüften Touristikriesen endlich den Turbo zünden. Am morgigen Dienstag (28. Oktober) stimmen die Aktionäre von TUI und TUI Travel in außerordentlichen Hauptversammlungen über das Vorhaben ab,
Dabei tut der Zusammenschluss not: Seit Jahren kämpft der TUI-Konzern schließlich mit seiner komplizierten Struktur. Entstanden war sie 2007, als der damalige Chef Michael Frenzel den gut laufenden britischen Veranstalter First Choice schlucken wollte - aber das Geld nicht reichte. Statt einer Komplettübernahme führte er First Choice und das TUI-Veranstaltergeschäft unter dem Namen TUI Travel zusammen. Die TUI AG bekam gut die Hälfte der Anteile, die Aktionäre von First Choice den Rest.
Doch die Vorteile eines integrierten Touristikkonzerns, der vom Reisebüro über die Fluggesellschaft bis zu Hotel und Reiseleitung alles aus einer Hand anbietet, konnte TUI kaum nutzen. Die Tochter hatte wenig Grund, ihre Urlaubsgäste gezielt in die Hotels der Mutter zu schicken, zu denen etwa die Riu-Häuser und Robinson Clubs zählen. Zugleich tröpfelten die Einnahmen aus dem Veranstaltergeschäft nur als Dividenden in Hannover ein. Über Jahre reichte es nicht einmal für Ausschüttungen an die TUI-Aktionäre.
Mit der Fusion soll es nun weiter vorangehen. Ein rund 100 Millionen Euro besseres Ergebnis versprechen TUI-Chef Joussen und TUI-Travel-Boss Peter Long den Anteilseignern beider Seiten, wenn sie der Verschmelzung zustimmen. Das ist die Summe aus einem um 65 Millionen Euro höheren operativen Gewinn und 35 Millionen Euro jährlichem Steuervorteil.
Bei der Führung gibt es einen Kompromiss: Joussen und Long wollen den Konzern ein Jahr lang gemeinsam führen, dann soll der Brite an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln.
Dass die Fusion so lange auf sich warten ließ, lag auch an der Bewertung beider Unternehmen. Lange war die gesamte TUI AG an der Börse sogar weniger wert als ihre 54-prozentige Beteiligung an TUI Travel. Das änderte sich mit Joussens Antritt und Sanierungsschritten bei Hotels, Kreuzfahrten und Kürzungen in der Konzernzentrale. Wenn die Verschmelzung durchgeht, erhalten die übrigen TUI-Travel-Eigner für jeden Anteilsschein 0,399 neue TUI-Aktien und eine weitere Zwischendividende. Auch die TUI-Aktionäre können sich auf eine steigende Ausschüttung freuen.
Für die Fusion müssen die Anteilseigner in Hannover mit mindestens drei Vierteln des Aktienkapitals zustimmen. In London ist sogar das Ja von 75 Prozent der Minderheitsaktionäre vonnöten - die Stimmen der TUI AG zählen dabei nicht. Wichtige Anteilseigner wie Alexej Mordaschow haben der TUI AG bereits Zustimmung signalisiert. Allerdings reichen bei TUI Travel 11,5 Prozent der Aktienstimmen, um die Sache zu kippen, wie Berenberg-Analyst Stuart Gordon vorrechnet. Während es bei der TUI AG schon um 10 Uhr losgeht, ist die üblicherweise kurze Hauptversammlung in London für 17:15 Uhr deutscher Zeit angesetzt.
Dass die Verschmelzung durchgeht, gilt als wahrscheinlich - ganz sicher ist es aber nicht. Läuft morgen alles nach Plan, sollte die Aktie weiter zulegen. Die TUI-Aktie konnte sich in den letzten Tagen bereits von ihren Tiefstständen lösen. Die nächsten Widerstände warten aus charttechnischer Sicht bei 11,60 Euro (Abwärtstrend) und im Bereich der 12-Euro-Marke. Können diese Hürden ebenfalls überwunden werden, dürfte es schnell weiter Richtung 12,80 Euro gehen. Der Stoppkurs zur Absicherung sollte bei 9,75 Euro platziert werden.
(Mit Material von dpa-AFX)