Während alle auf Aktien schauen, schießen im Hintergrund die Zinsen rasant nach oben. Die Renditen bei US-Staatsanleihen steigen schneller als seit 40 Jahren – und zwingen selbst Donald Trump zum Bremsmanöver. Ist das noch ein normaler Markt? Oder ein systemisches Beben im Schatten der Börsen? Auch ein Carry-Trade im Umfang von Hunderten Milliarden Dollar spielt eine Rolle.
Wer in diesen Tagen nur etwas distanziert auf die Aktienkurse schaut, könnte meinen: Alles halb so wild. Ein paar Ausschläge, etwas Tech-Schwäche, China-Sorgen. Doch das wahre Beben spielt sich woanders ab – am Anleihemarkt, dem Fundament der globalen Finanzarchitektur.
Wie in der Finanzkrise
Die Turbulenzen haben zu einem massiven Anstieg der Renditen geführt: Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe stieg in dieser Woche um über 40 Basispunkte – der stärkste wöchentliche Anstieg seit der Finanzkrise 2008. Bei den 30-Jährigen gab es zeitweise den stärksten Anstieg innerhalb weniger Tage seit Anfang der 1980er.
Beunruhigend: Der Markt spielt nicht mehr nach alten Regeln. Statt in US-Staatsanleihen zu flüchten, wie es in Krisenzeiten üblich wäre, verkaufen Anleger panisch beides – Aktien und Bonds.
Nach einer kurzen Beruhigung am Markt infolge eines 90-tägigen Zollaufschubs für die meisten Länder hat die US-Regierung die Abgaben auf Importe aus China auf 145 Prozent angehoben. Peking konterte umgehend mit eigenen Strafzöllen – bis zu 125 Prozent auf US-Waren. Die Folge: ein erneuter Ausverkauf bei US-Staatsanleihen, der die Rendite der zehnjährigen Treasuries binnen Tagen von 3,94 auf über 4,49 Prozent katapultierte. Der Aufschub wurde wohl unter anderem durch die Signale vom Anleihenmarkt angestoßen.
Staatsanleihen als politsche Waffe?
In einer Analyse der Deutschen Bank hieß es: „Der Markt reagiert zunehmend sensibel auf die Risiken einer ungeordneten wirtschaftlichen Entkopplung zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt.“
China hält nach wie vor über 800 Milliarden Dollar an US-Schulden. Und es mehren sich die Spekulationen, Peking könnte seine Treasuries als politisches Druckmittel einsetzen – etwa im Handelskonflikt oder als Reaktion auf westliche Sanktionen. Damit wird aus einem Marktmechanismus plötzlich ein machtpolitisches Instrument.
Anleihen galten lange als langweilig, als sicher. Jetzt sind sie das neue Epizentrum der Unsicherheit. Selbst die Aussicht auf neue Verhandlungen zwischen den USA und der EU, die am Wochenende in Washington beginnen sollen, konnte die Lage bislang nicht beruhigen. Im Hintergrund spielt auch ein unterschätzter Carry-Trade eine wichtige Rolle. Mehr dazu im Artikel „Zins-Explosion! Wie ein geheimnisvoller Trade den Markt in Gefahr bringt“ (siehe weiterführende Beiträge).