Meldungen über eine Razzia in den Büros von Wirecard in Singapur haben den Kurs am Freitag erneut um bis zu 20 Prozent einbrechen lassen. Im Gegensatz zu den ersten Anschuldigungen durch die Financial Times (FT) in der Vorwoche hat das Unternehmen diesmal schnell mit einem konkreten Statement reagiert. Dennoch bleiben Fragen offen.
Bereits die Beschreibungen der heutigen Geschehnisse am Wirecard-Sitz in Singapur gehen weit auseinander. Nach Darstellung von Wirecard sei man aktiv auf die Behörden zugegangen und habe volle Kooperation bei den Ermittlungen zugesagt. Bei einem Treffen am Hauptsitz von Wirecard in Singapur sei dann von Seiten des Unternehmens „umfassendes Unterstützungsmaterial“ zur Verfügung gestellt worden.
Ein Sprecher der Polizei in Singapur sprach dagegen von einer Durchsuchung. Augenzeugen wollen zudem beobachtet haben, wie rund zehn Beamte das Büro gestürmt und elektronische Geräte wie Laptops beschlagnahmt haben, berichtet – bezeichnenderweise – die Financial Times. Zudem seien die anwesenden Mitarbeiter befragt worden. Edo Kurniawan, der für die Buchhaltung im Raum Asien-Pazifik verantwortlich ist und im Zentrum der FT-Vorwürfe steht, sei an diesem Tag nicht im Büro gewesen.
Ob eher die Darstellung von Wirecard oder die der Financial Times zutrifft, lässt sich aus der Ferne kaum feststellen. Sollte Wirecard recht haben, stellt sich allerdings die Frage: Warum sucht das Unternehmen ausgerechnet jetzt die Kooperation mit der Polizei? Schließlich liegen die angeblichen Compliance-Vorwürfe bereits rund zehn Monate zurück. Ähnlich lange laufen die nach Unternehmensangaben auch die internen und externen Untersuchungen.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Bei der Staatsanwaltschaft in München habe man die Durchsuchungen in Singapur zur Kenntnis genommen. Das ändere aber nichts an der bisherigen Einschätzung der Behörde. „Wir sehen derzeit keinen ausreichenden Anfangsverdacht, um ein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Wirecard AG einzuleiten“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag.
Nachdem Wirecard zwischenzeitlich Anzeige erstattet hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft nun wegen möglicher Marktmanipulation gegen unbekannt.
Aktie bricht erneut ein – beobachen!
Das Drama um Wirecard ist durch die Durchsuchungen um eine Episode reicher. Der Erkenntnisgewinn hält sich bislang aber in Grenzen – nach wie vor steht Aussage gegen Aussage. Dennoch haben die Investoren die Aktie heftig abgestraft, der Kurs ist am Freitag erneut um bis zu 20 Prozent eingebrochen. Anleger sollten in dieser angespannten Lage an der Seitenlinie bleiben.